Die Abschaffung des Amateurstatuts hat im amerikanischen Universitätssport für neue Machtverhältnisse gesorgt. Wie auch der Fall des Supertalents Cooper Flagg zeigt. Doch es fehlt im System an Transparenz und einer ordnenden Hand.
Es gibt nur wenige Sportler aus dem abgelegenen Landstrich hoch im Nordosten der USA, die sich in die beste Basketballliga der Welt hocharbeiten können. Und deren Namen kennt man bestenfalls in ihrer Heimat. Maine ist zwar dreimal so gross wie die Schweiz, aber hat nur einen Siebentel ihrer Bevölkerung und verfügt nicht über die Infrastruktur, vielversprechende Talente zu fördern.
So wäre wohl auch aus dem besten Nachwuchsspieler, den der Gliedstaat je hervorgebracht hat, kaum etwas geworden. Doch die ambitionierten Eltern von Cooper Flagg setzten 2022 alles auf eine Karte und zogen aus dem 3000-Einwohner-Nest Newport nach Orlando, Florida, wo es eines der besten Internate für junge Basketballer gibt.
Zwei Jahre später, nach dem Gewinn der US-Schulmeisterschaft, einem Gastspiel im amerikanischen Juniorennationalteam, der bestandenen Matura und dem Wechsel an die basketballverrückte Universität Duke in North Carolina, war klar, dass sich für die Familie der Aufwand gelohnt hatte.
Obwohl gerade einmal 17 Jahre alt, war Cooper Flagg aufgrund seiner Fähigkeiten ein gemachter Mann. Die Werbeverträge, die sein Agent unter anderem mit einem namhaften Sportschuhhersteller eingefädelt hatte, brachten dem Teenager als College-Spieler ein Bruttojahreseinkommen von knapp 5 Millionen Dollar ein. Genug, um die ganze Familie komfortabel zu ernähren.
College-Trainer verlieren an Macht
Flagg ist nicht der Erste, der in den letzten Jahren im College-Sport sein Können zu Geld machen konnte. Aber der erste Basketballer, der es sich bequem hätte leisten können, der NBA die kalte Schulter zu zeigen. Sonst hätte er im Februar wohl nicht verlauten lassen, er wolle in der nächsten Saison zurückkommen, zurück zu Duke, jenem Team, mit dem er kurz darauf im Kampf um die College-Meisterschaft im Halbfinal scheiterte.
Kürzlich änderte er allerdings seine Meinung und meldete sich zum Nachwuchs-Draft der Profiliga NBA an, bei dem Teams die Gelegenheit haben, ihre Kader mit aufstrebenden Talenten zu füllen. Kaum jemand zweifelt, dass Flagg dort als erster Spieler aus dem Topf der Aspiranten gezogen wird und bald in der NBA zum Zuge kommt. Dem vielseitigen weissen Basketballer wird eine Karriere vom Zuschnitt schwarzer Ausnahmespieler wie LeBron James oder Michael Jordan vorausgesagt.
Flagg lässt eine Welt hinter sich, in der selbst die Besten bis vor gar nicht langer Zeit gezwungen werden konnten, ausschliesslich für die Ehre der Bildungseinrichtung zu spielen. Es gab zwar Stipendien, aber kein Honorar. Und auch nicht die Chance, Nebeneinkünfte zu erzielen. Obwohl die populären College-Sportarten Football und Basketball über Eintrittskarten, Fernsehlizenzen und Merchandising Milliarden generieren, mussten die Sportler ein uraltes Amateurreglement akzeptieren.
Das Reglement wurde bereits vor zehn Jahren höchstrichterlich als gesetzwidriges Kartell gekippt, was der Zielgruppe von rund 100 000 Studenten an mehr als 250 Hochschulen den Weg öffnete, sich und etwaige Werbepartner mithilfe von Plattformen in den sozialen Netzwerken wie Instagram, Youtube oder Tiktok zu inszenieren.
Die Bildungseinrichtungen zahlen den sogenannten «student athletes» aufgrund der gegenwärtigen Regeln noch immer keine Vergütung. Für die finanzielle Entlöhnung sorgen im Hintergrund reiche und einflussreiche Fans – meistens Absolventen der jeweiligen Universität –, die die Sportler mit üppigen Offerten ködern.
Aber nicht nur deshalb hat die Gemengelage etwas von einem Tollhaus. «Es wirkt chaotisch», meint Victor Matheson, Wirtschaftswissenschafter und Professor an der Universität Holy Cross in Worcester, Massachusetts, und Experte in Sachen Sport. Weil jeder, der woanders mehr Geld herausholen will, einmal im Jahr die Bildungseinrichtung verlassen und woanders unterkommen kann.
Es ist im Kontrast zu den amerikanischen Profiligen ein Betrieb ohne ordnende Hand und ohne Transparenz – was sich vielleicht schon bald ändert. «Ab dem nächsten Jahr werden Universitäten direkt Studenten entlöhnen können», sagt Matheson, «spätestens in zehn Jahren wird das wie ein ganz normaler Arbeitsmarkt aussehen.»
Doch bis dahin wird die Verunsicherung zunehmen. Vor allem unter den Trainern. Die besassen unter den alten Regeln enorme Autorität und nutzten dies, um ihre Saläre auf bis zu zehn Millionen Dollar pro Jahr hochzupushen.
Heutzutage müssen Männer wie Dan Hurley erkennen, wie machtlos sie sind. Der Trainer der Universität Connecticut hatte sein Team 2023 und 2024 zum Meistertitel geführt, aber nach dem relativ frühen Ausscheiden in diesem Jahr verlor er auf einen Schlag die Hälfte seines Kaders. Die Abtrünnigen wussten, wie viel sie bei einem Wechsel der Universität verdienen könnten, wenn sie mit den Trainern ihres neuen Teams gesprochen hatten.
Schlechtere Perspektiven für die Frauen
Die Lage wirkt noch unüberschaubarer, wenn man die Situation bei den Frauen einbezieht. Sie profitieren zwar auch von den neuen Verhältnissen. Top-Sportlerinnen etwa kommen auf jährliche Einnahmen aus Werbeverträgen von bis zu 1,5 Millionen Dollar. Dafür mangelt es für sie im Kontrast zu Figuren wie Cooper Flagg, der im ersten Jahr in der NBA 16 Millionen Dollar verdienen wird, an einer attraktiven Perspektive im Profibereich.
Die Frauenliga WNBA ist kein Schlaraffenland. Sie deckelt die Löhne streng und gibt selbst Publikumsmagneten wie Caitlin Clark nicht mehr als Almosen. Clark erzielte 2024 in ihrer ersten Profisaison bei Indiana Fever gemäss Berichten gerade einmal ein Prozent ihrer Einkünfte. Ob ein neuer Tarifvertrag, der Ende des Jahres ausgehandelt werden soll, an diesen Verhältnissen viel ändert, lässt sich zurzeit nicht abschätzen.
Immerhin haben Amerikas Profibasketballerinnen inzwischen für die Verhandlungen ein Pfand in der Tasche. Sie gleisten in diesem Frühjahr eine 3-gegen-3-Liga namens «Unrivaled» auf, sicherten sich einen mehrjährigen Fernsehvertrag und eine attraktive Finanzspritze von Investoren. So haben die Spielerinnen, die früher im Winter in Europa oder in Asien spielen mussten, um wirtschaftlich über die Runden zu kommen, nun zum ersten Mal eine Alternative. Die Löhne für die acht Wochen lange Saison liegen bei jeweils 220 000 Dollar brutto.