Das Vertrauen in den Dollar schwindet. Deshalb reduzieren immer mehr Zentralbanken ihre Abhängigkeiten von der Fremdwährung und bauen stattdessen ihre Goldreserven aus. Doch bei der Schweizerischen Nationalbank hat das Gold relativ betrachtet an Bedeutung verloren.
Wenn ein Gut in kurzer Zeit rasant teurer wird, wäre eigentlich ein guter Moment, um zu fragen: Brauche ich das wirklich?
Beim Gold scheinen viele Anleger zum Schluss zu kommen: Ja, ich brauche es. Der neue Gold Demand Report, den das World Gold Council am Mittwoch herausgegeben hat, zeigt nämlich ein ungebrochenes Wachstum der Nachfrage nach Gold – und das, obwohl der Preis für das Edelmetall inmitten der geopolitischen Unsicherheiten und des Zollkriegs ein neues Rekordhoch erreicht hat.
Auch die Zentralbanken mögen Gold. In den ersten drei Monaten des Jahres sind die weltweiten Goldreserven der Zentralbanken um 244 Tonnen gewachsen. Damit setzt sich ein Trend fort, der seit über einem Jahrzehnt andauert.
Die Goldreserven wachsen kontinuierlich
Seit der Finanzkrise von 2008 und 2009 haben Zentralbanken weltweit zusammengerechnet in jedem Jahr mehr Gold gekauft, als sie im gleichen Zeitraum verkauft haben. Vor allem Zentralbanken in Entwicklungsländern haben ihre Goldreserven kontinuierlich ausgebaut.
Laut John Reade, Senior-Marktstratege beim World Gold Council, hat sich das Wachstum der Goldreserven nach 2022 sogar beschleunigt. Das habe zwei wesentliche Gründe: «Mit mehr Gold sichern sich die Zentralbanken gegenüber der Inflation ab. Und sie reduzieren ihre Abhängigkeit vom Dollar.»
Der Dollar ist mit Abstand die wichtigste Reservewährung der Welt. Laut Zahlen des Internationalen Währungsfonds werden fast 60 Prozent der Devisenreserven in Dollar gehalten. Anleger bringen der amerikanischen Wirtschaft und dem dortigen Anleihenmarkt ein hohes Vertrauen entgegen – zumindest bis jetzt.
Verliert der Dollar seine Rolle als Reservewährung?
Adriel Jost ist Ökonom und Fellow am Institut für Schweizer Wirtschaftspolitik (IWP). Er sieht in der Umschichtung der Zentralbankreserven zu Gold ein klares Misstrauensvotum gegenüber dem Dollar. Spätestens seit die G-7-Staaten Russlands Fremdwährungsreserven nach Kriegsausbruch eingefroren hätten, seien die Notenbanken vorsichtiger geworden: «Sie wissen nun, dass die Reserven ihrer Zentralbanken als geopolitisches Druckmittel benutzt werden können.»
Jost sagt, der Dollar habe sich lange gut gehalten. Aber eigentlich sei klar, dass die USA in ihrer Rolle übertrieben hätten: «Sie haben sich jahrzehntelang massiv verschuldet und gleichzeitig mit ihrem Status als Herausgeber der globalen Reservewährung eine Drohkulisse aufgefahren. Kein Wunder, dass sich das irgendwann in einem Vertrauensverlust rächt.»
In den vergangenen Wochen sind die Renditen auf US-Staatsanleihen gestiegen, der Dollar hat an Wert verloren. Beides sind Anzeichen, dass Anleger gegenüber den Wirtschaftsaussichten der USA skeptischer geworden sind. Jost hält die Entwicklung für unumkehrbar: «Es fehlt die klare Alternative. Aber die Anzeichen, dass der Dollar schleichend an Bedeutung einbüsst, sind offensichtlich.»
Mit dieser Meinung ist Jost nicht alleine. Jüngst warnte etwa Larry Fink, Gründer und Chef des weltgrössten Vermögensverwalters Blackrock, davor, dass die hohe Verschuldung in den USA das Vertrauen in den Dollar untergrabe. Und der Wirtschaftshistoriker Barry Eichengreen sagte in einem Gespräch mit der NZZ, dass die Trump-Regierung mit ihrer Wirtschaftspolitik «erhebliche Zweifel an der globalen Rolle des Dollars» geweckt habe.
In der Schweiz sinkt die Bedeutung des Goldes
Doch nicht alle Zentralbanken zieht es zum Gold. Allen voran die westlichen Zentralbanken halten weitgehend an ihrer Reservepolitik fest.
Die Schweizerische Nationalbank (SNB) etwa hält 1040 Tonnen Gold, seit der Finanzkrise wich sie kaum davon ab. Verglichen mit den Fremdwährungsreserven hat der Goldbestand jedoch an Gewicht verloren: Er machte im vergangenen Jahr 10 Prozent des Werts der Reserve aus. Das ist zwar mehr als in den Vorjahren, weil der Bestand aufgrund des Preishochs des Goldes an Wert gewonnen hat. Doch der Anteil des Goldes an den gesamten Reserven der SNB lag schon viel höher: 2007, vor dem Ausbruch der Finanzkrise und der anschliessenden Ausweitung der Bilanz durch den Kauf von Fremdwährungen, betrug er noch 40 Prozent.
Adriel Jost hält das schrumpfende Gewicht des Goldes für einen Fehler. Er sagt, die SNB sollte wieder mehr Gold statt fremde Staatsanleihen kaufen: «Die SNB müsste das damit verbundene Signal an die anderen Länder in Kauf nehmen, dass diese nicht so weiterfahren können mit dem Schuldenmachen.»
Der SNB-Chef Martin Schlegel und Bundesratspräsidentin Karin Keller-Sutter, die sich jüngst um einen guten Draht zur Trump-Regierung bemüht hat, würden sich mit dieser Haltung in Washington keine Freunde machen.