Der 41-jährige Bündner möchte seine Karriere mit der 20. WM-Teilnahme krönen. Absagen aus Übersee verbessern seine Perspektiven.
Vorbereitungsspiele des Eishockey-Nationalteams sind Anlässe, die dem Publikum nur schwer zu verkaufen sind. Oft verlieren sich nur eine Handvoll Anhänger auf den Tribünen des jeweiligen Stadions. Die nationale Meisterschaft ist ein Renner. Die vergangene Saison endete mit einem erneuten Zuschauerrekord. 2 680 899 Zuschauer verfolgten die Partien der Saison, die vor einer Woche mit dem Titel der ZSC Lions endete. Im Schnitt sahen 7365 Personen jeden einzelnen Match. Das waren 235 mehr als in der Saison zuvor.
Von solchen Werten kann das Nationalteam nur träumen. Am Donnerstag war die Klotener Swiss-Arena ausnahmsweise besser gefüllt, als sie das bei Länderspielen üblich ist. 6576 Zuschauer sorgten beim letzten Vorbereitungsmatch vor der WM-Start in der Schweiz für eine ansprechende Kulisse. Der Grund dafür: Andres Ambühl zeigte sich zum letzten Mal auf Schweizer Eis. Der Davoser wird seine Karriere nach dieser Saison beenden. Ob in den kommenden zwei Wochen noch ein paar weitere Partien im Nationaldress dazu kommen, entscheidet sich in den nächsten Tagen bis zum Turnierbeginn.
341-mal für die Schweiz gespielt
Der Nationalcoach Patrick Fischer lässt sich nicht in die Karten blicken. Am Tag vor dem Match in Kloten sagte er an einer Medienkonferenz: «Wir alle kennen Ambühls Fähigkeiten. Er ist ein unglaublich vielseitiger Spieler und auch ein Phänomen. Wenn immer er auf dem Eis steht, dann ist er voll dabei.»
Im Test gegen Schweden bestritt der Davoser seinen 341. Match für das Nationalteam. Das ist längst schon ein Rekord. Auf Platz 2 und 3 folgen der ehemalige ZSC-Captain Mathias Seger (305) und Ivo Rüthemann (270). Doch Andres Ambühls Karriere bleibt einzigartig. Er debütierte im November 2003 noch unter dem Deutsch-Kanadier Ralph Krueger im Nationalteam. Patrick Fischer war damals noch nicht sein Coach, sondern einer seiner Mitspieler.
Sollte Ambühl den letzten Cut des Nationalcoachs überstehen und mit dem Team Richtung Dänemark aufbrechen, wo am kommenden Freitag mit einem Match gegen den Weltmeister Tschechien das Turnier beginnt, dann wäre es die 20. Weltmeisterschaft für den mittlerweile 41-jährigen Bündner. Er ist damit längst auch international eine Ausnahmeerscheinung. Weltweit hat kein anderer Spieler öfter an Weltmeisterschaften teilgenommen, keiner trug häufiger den Dress seines Landes.
Ambühl nimmt das Ganze mit jener Gelassenheit, die ihn Zeit seiner Karriere auszeichnete. Seit er im Februar das Karriereende angekündigt hat, befindet er sich auf einer monatelangen Abschieds-Tourné. Wo immer er auftritt, schlägt ihm die Sympathie des Publikums entgegen.
Das ist auch in Kloten nicht anders. Vor der Nationalhymne und unter den Augen seiner Frau und den beiden Töchtern feiern die Zuschauer den umtriebigen Stürmer mit einer minutenlangen Ovation. Vor dem Spiel hatte Ambühl gesagt: «Es geht einfach darum, einen guten Match zu zeigen. Und ja, vielleicht kommen ein paar Leute auch wegen mir.»
Wie Mathias Seger ist auch Andres Ambühl einer jener Spieler, welche die Akzeptanz und Achtung sämtlicher Eishockeyanhänger geniessen. Es gibt kaum jemanden, der ein schlechtes Wort über ihn finden oder verlieren würde. Trotzdem darf Ambühl nicht mit einem Bonus rechnen. Er selbst hatte einmal gesagt, solange ihn der Nationalcoach berufe, werde er sich auch zur Verfügung stellen.
Patrick Fischer sagt: «Der Fokus muss immer auf der Mannschaft liegen. Wir nehmen nicht einfach jemanden mit, von dem wir das Gefühl haben, er bringt nichts.» Der Coach sagte, anfänglich habe er selbst gezweifelt, ob es Ambühl noch einmal ins Team schaffen werde. Doch während der Saison sei dieser immer besser und konstanter geworden und habe zu seiner alten Stärke zurückgefunden. In den Play-offs war der Davoser einer der herausragenden Spieler im Team des Rekordmeisters.
Ambühl sagte, es würde ihm sehr viel bedeuten, noch einmal eine Weltmeisterschaft bestreiten zu können. «Es ist nie selbstverständlich und das Coolste, was man nach einer Meisterschaft mit dem Klub noch erleben kann.»
Prominente Absagen aus Übersee
Ambühls Chancen, in Herning und Stockholm ein letztes Mal dabei zu sein, sind gut. Dazu tragen auch die Lücken bei, welche sich im Kader in diesem Frühling zeigen. Nachdem vor einem Jahr praktisch alle Spieler zur Verfügung gestanden hatten, zeichnen sich diesmal prominente Absenzen aus Übersee ab. Roman Josi (Hirnerschütterung) und Philipp Kurashev (Handgelenk) fehlen wegen Verletzungen. Pius Suter verzichtet, weil er ohne Vertrag in der NHL ist und das Risiko nicht eingehen will, sich zu verletzen.
In der Nacht auf den Donnerstag sind Nico Hischier, Timo Meier und Jonas Siegenthaler mit den New Jersey Devils aus den Play-offs ausgeschieden. Fischer aber hat durchblicken lassen, dass er Hischier im Hinblick auf die kommende Saison, in der das Olympiaturnier in Mailand und die Heim-WM in Zürich und Freiburg gleich zwei Grossanlässe anstehen, eine Pause gewähren will. Doch davon will der Walliser offensichtlich nichts wissen. Er meldete sich aus den USA und sagte auf der klubeigenen Webseite der Devils: «Es laufen noch Diskussion, aber es schaut danach aus, als ob ich für die Schweiz an der WM spielen werde.»
Bei der 1:2-Niederlage gegen das mit elf NHL-Spielern gespickte schwedische Team in Kloten fehlten auch der Grossteil der Play-off-Finalisten noch. Patrick Fischers Team dürfte in den kommenden Tagen vor dem WM-Start definitive Konturen annehmen. Die Mannschaft fliegt nun nach Tschechien, wo am Samstag und Sonntag in Brünn gegen Finnland und Tschechien die letzten Tests vor dem WM-Start stattfinden. Zumindest für diese beiden Partien wird Andres Ambühl die Schlittschuhe noch einmal schnüren.