70 Prozent der Beschäftigten von Biotechfirmen in der Schweiz sind Expats. Die Branche will sich mit ihrer Internationalität bewusst von der Konkurrenz in den USA und China abgrenzen.
Wer am Montagmittag am Swiss Biotech Day in Basel einen Sitzplatz suchte, brauchte Glück, um noch einen zu ergattern. Die meisten Besucherinnen und Besucher mussten die servierten Salate und Sandwiches im Stehen essen, so gross war das Gedränge im Kongresszentrum der Basler Messe. Die Zahl der angemeldeten Tagungsteilnehmer erreichte erstmals 3000.
Damit wurden wie schon 2023 und 2024 deutlich mehr Gäste als im Vorjahr begrüsst. Wenn es so weitergehe, reiche der Platz im Kongresszentrum in den nächsten Jahren nicht mehr aus, sagte Frederik Schmachtenberg, Partner beim Beratungsunternehmen EY und Mitautor des jährlich publizierten «Swiss Biotech Report», an einer Medienkonferenz zum Auftakt der Konferenz.
Begegnungen mit amerikanischen Investmentbankern in Basel
Patrick Amstutz, Präsident der Swiss Biotech Association und Chef der eher kleinen Biotechfirma Molecular Partners, führte am Rande der Tagung aus, dass man das Zielpublikum in den vergangenen Jahren internationalisiert habe. Mittlerweile stamme je rund die Hälfte der Teilnehmer aus der Schweiz und aus dem Ausland. «Am Swiss Biotech Day können Vertreter Schweizer Biotechfirmen nun direkt Investmentbanker aus den USA oder Investoren aus Asien treffen.»
Die Schweizer Biotechindustrie sieht sich generell als weltweit stark vernetzt an. In einer Branche, in der vor allem hochwertige Medikamente entwickelt werden, sind gute Forscher entscheidend. Rund 70 Prozent der mittlerweile über 20 000 Beschäftigten in der Schweizer Biotechindustrie haben einen ausländischen Hintergrund. «In unserer Branche sind alle willkommen, ob Schweizer, Vertreter aus anderen europäischen Staaten, Amerikaner oder Asiaten», sagte Amstutz.
Die Schweizer Biotechindustrie versucht sich mit ihrer internationalen Prägung verstärkt vom wachsenden Isolationismus in den USA und in China abzugrenzen. «Wer glaubt, nur in seiner Ecke der Welt befänden sich die smartesten Leute, dürfte in unserem Sektor längerfristig keinen Erfolg haben», ergänzte Michael Altorfer, der Geschäftsführer der Swiss Biotech Association.
Das zunehmend vergiftete politische Klima und eine wachsende Rechtsunsicherheit in den USA könnten sich, so befürchten Marktbeobachter, verstärkt abschreckend auch auf hochqualifizierte Zuwanderer auswirken. In China haben Expats schon länger einen schweren Stand.
Welche Gefahren lauern in China?
Der steigende Protektionismus belastet die Stimmung in der Biotechnologiebranche bereits spürbar. Vorschriften dazu, woher Gesundheitsprodukte eingeführt werden dürften, sorgten für Verunsicherung, sagte Frederik Schmachtenberg von EY.
Bereits während der Präsidentschaft von Joe Biden erwogen die USA, die Herstellung von Biotechprodukten für amerikanische Patienten in China weitgehend zu verbieten. Die sogenannte Biosecure Act wurde allerdings noch nicht ratifiziert.
Nach seiner neuerlichen Wahl zum Präsidenten hat Donald Trump mehrfach seinen Unmut über Medikamentenlieferungen aus dem Reich der Mitte geäussert. Zudem scheint er weiterhin festen Willens zu sein, Pharmaprodukte nicht nur aus China, sondern auch aus anderen Herkunftsländern mit einem branchenspezifischen Zoll zu belegen. Auch dieser Faktor lasse Investoren am Aktienmarkt auf Distanz zur Biotechnologiebranche gehen, sagte Amstutz.
Sorgen über Personalabbau bei FDA
Weiter fragten sich Anleger bange, welche Auswirkungen der Personalabbau in der US-Arzneimittelbehörde FDA auf Aktivitäten im Bereich der Medikamentenentwicklung haben werde.
Amstutz steht der Geschäftsleitung von Molecular seit acht Jahren vor. Beim Zürcher Biotechunternehmen spürt man allerdings noch nichts von den Stellenstreichungen, die der neue amerikanische Gesundheitsminister Robert F. Kennedy bei der FDA angeordnet habe. «Die Beantwortung von Anfragen hat sich nicht verlangsamt. Auch sind alle Mitarbeiter, mit denen wir reden, noch immer da.» Dies könne aber, schränkt Amstutz ein, schon in zwei Monaten anders sein.
Molecular profitiert davon, sich wie viele Biotechfirmen auf die Entwicklung von Wirkstoffen gegen Krebs zu konzentrieren. Die neue amerikanische Regierung werde es kaum wagen, die Entwicklung von Therapien gegen lebensbedrohende Erkrankungen zu verzögern, so lautet die Überzeugung des Chefs von Molecular. Bei der FDA habe es denn auch bis anhin vor allem Kürzungen in der Administration sowie im Lebensmittelbereich gegeben, für den die Behörde ebenfalls zuständig sei.
Das Schlieremer Unternehmen verfügt dank dem Verkauf der Rechte an einem Medikament gegen Covid-19 vor gut drei Jahren an Novartis noch über ein Barvermögen von 150 Millionen Franken. Dennoch wird es an der SIX Swiss Exchange unter diesem Wert eingestuft. Die Marktkapitalisierung der Firma ist auf knapp 130 Millionen Franken gefallen.
Raues Börsenumfeld
Amstutz tröstet sich damit, dass es vielen amerikanischen Konkurrenten nicht besser ergeht. Laut seinen Angaben übersteigt bei rund 200 amerikanischen Biotechfirmen der Umfang der liquiden Mittel den Börsenwert. Normalerweise ist es umgekehrt.
Bei der Swiss Biotech Association stellt man sich angesichts der zahlreichen Unsicherheitsfaktoren auf weiterhin schwierige Bedingungen für kotierte Unternehmen ein. Von den über 320 Biotechfirmen, die es mittlerweile in der Schweiz gibt, sind nur 5 Prozent an der Börse vertreten.
Mit Bioversys öffnete sich im vergangenen Februar seit langem ein Vertreter des Sektors hierzulande dem Publikum. Das IPO des Basler Antibiotikaspezialisten dürfte aber eine Ausnahmeerscheinung bleiben. «Erfolgversprechende Schweizer Biotechfirmen werden wohl auch weiterhin primär im Besitz grösserer Konkurrenten aus dem In- und Ausland landen», meint der Geschäftsführer der Swiss Biotech Association, Michael Altorfer. In der Regel sei dies dann der Fall, wenn sie es mit ihrem Produkt in die zweite der drei Phasen der klinischen Entwicklung geschafft hätten.
Erstaunlich gut schlagen sich hingegen viele der Schweizer Biotechfirmen, die sich in privaten Händen befinden. Im vergangenen Jahr nahmen sie rund 830 Millionen Franken an frischem Kapital auf. Diese Summe übertraf sogar leicht den Wert von 2021, das für die Biotechnologiebranche weltweit ein Rekordjahr war.