Das Verhältnis zwischen der Zürcher Justizdirektorin und ihren Regierungskollegen war auch schon besser.
Es war ein denkwürdiger Auftritt der Zürcher Justizdirektorin Jacqueline Fehr (SP). Im Kantonsparlament hielt sie Mitte März eine Rede, die eher ein kalkulierter Wutausbruch war. Es ging um Kritik der parlamentarischen Geschäftsprüfungskommission (GPK) an einem IT-Projekt aus Fehrs Direktion. Eigentlich ein demokratiepolitischer Normalfall.
Doch Fehr schien dahinter ein abgekartetes Spiel zu vermuten. «Sie verpolitisieren Ihre eigene Aufsichtstätigkeit und scheinen die zwei Stunden of Fame zu nutzen, um auch einmal eine Schlagzeile zu liefern», sagte Fehr an die Adresse der Kommission, der sie politische Schlagseite und implizit auch Käuflichkeit vorwarf.
Die Brandrede gipfelte in der Aussage: «Wenn die Integrität nicht sichergestellt ist, ist eine GPK nichts anderes als eine Gruppe von Besserwissern.»
Die Aussagen der Regierungsrätin lösten Empörung aus. Als Angriff auf die Arbeit des Parlaments verurteilten sie FDP, SVP, GLP, Mitte und EVP. Sogar Fehrs Rücktritt wurde von rechts gefordert.
Nun folgt die nächste Eskalation: Auch Fehr Regierungskollegen stimmen in die Kritik ein – sie halten die Aussagen der Justizdirektorin für «unangebracht».
Aussagen nicht abgesprochen
Das geht aus einem Brief des Regierungsrats an die Geschäftsleitung des Kantonsparlaments hervor. Das Schreiben – rot mit «vertraulich» betitelt – liegt der NZZ vor. Fehrs Aussagen, steht darin, «entsprechen weder der regierungsrätlichen Haltung noch seiner Art und Weise der Kommunikation».
Das Votum sei inhaltlich nicht mit dem Rest der Regierung abgesprochen gewesen, heisst es weiter. Man habe die Angelegenheit jedoch nachträglich im Gremium besprochen. Die Arbeit der GPK anerkenne man als «unabdingbar». Auch bei unterschiedlichen Auffassungen müsse die Zusammenarbeit «konstruktiv und sachbezogen» verlaufen.
Das Schreiben endet mit der Versicherung, dass Jacqueline Fehr ihre Vorwürfe direkt gegenüber der Kommission werde konkretisieren müssen. Gezeichnet ist der Brief von Regierungspräsidentin Natalie Rickli (SVP) und Staatsschreiberin Kathrin Arioli.
Aussergewöhnlich, aber kein Präzedenzfall
Dass eine Regierung ihr eigenes Mitglied nach aussen in derart klaren Worten rügt, ist aussergewöhnlich. Es ist in Zürich aber nicht beispiellos.
Schon 2019 übte das Gremium Kritik an Jacqueline Fehr. Sie hatte damals in einem Blog publik gemacht, wie der Regierungsrat die Direktionen verteilt und sprach von einem «unwürdigen Theater». Daraufhin verkündete der Regierungsrat, Fehrs Äusserung stelle eine Verletzung des Kollegialitätsprinzips dar und gefährde die «gute Zusammenarbeit» in der Regierung.
Der erneute Vorfall zeigt nun, dass das Verhältnis zwischen Fehr und manchen ihrer Regierungskolleginnen und -kollegen offenbar noch immer nicht das beste zu sein scheint.
Die Regierungsrätin selbst will sich nicht zur erneuten Kritik an ihrem Auftritt äussern, wie sie über einen Sprecher ausrichten lässt. Nach ihrer Rede hatte sie gegenüber der «NZZ am Sonntag» wie folgt Stellung genommen: «Wenn man eine gute Zusammenarbeit zum Ziel hat, muss man hinschauen, warum diese harzt. In diesem Fall hat sie geharzt, weil die Berichte inhaltliche Mängel hatten.»
Fehr widersprach auch dem Eindruck, sie habe der GPK Begünstigung und Besserwisserei vorgeworfen. Sie habe lediglich gesagt: «Wenn Sie nicht sauber arbeiten, dann sind Sie Besserwisser.»
Fehr äusserte jedoch auch Bedauern darüber, dass sie die Arbeit der Kommission zu wenig in ihren positiven Aspekten gewürdigt hatte. Zu ihrem Auftritt sagte sie weiter: «Es war eine sehr bewusste Eskalation, sachlich, nüchtern und nicht emotional.»
Mehr folgt.