Das Immobilien- und Detailhandelsreich des österreichischen Investors René Benko ist zusammengebrochen. Die Signa-Holding und mehrere Tochtergesellschaften stecken in einem Insolvenzverfahren, Benko ist festgenommen worden. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Die neusten Entwicklungen:
- In Wien und Tirol fanden erneut Hausdurchsuchungen statt. Die Ermittler haben am Mittwoch (7. 5.) die Zentrale der Signa an der Herrengasse in Wien und diverse Standorte in Innsbruck durchsucht. Die Hausdurchsuchungen erfolgten im Zuge eines europäischen Ermittlungsverfahrens, wie die Staatsanwaltschaft München auf Anfrage der NZZ bestätigte. Neben der Staatsanwaltschaft München hatte auch die Staatsanwaltschaft aus dem italienischen Trentino ein Rechtshilfeersuchen gestellt. Die Ermittler suchten unter anderem nach Informationen zum Projekt «Franz» in der Nähe des Münchner Hauptbahnhofes, sowie zur Alte Akademie, die ebenfalls in München liegt. Die Vorwürfe aus Italien betreffen illegale Parteispenden.
- Der österreichische Ex-Milliardär René Benko muss für mindestens zwei weitere Monate in Untersuchungshaft bleiben. Der Gründer der insolventen Immobilien- und Handelsgruppe Signa hatte seine Freilassung beantragt. Doch das Wiener Straflandesgericht verweigerte dies. Es liege weiterhin dringender Tatverdacht sowie Tatbegehungsgefahr vor, teilte das Gericht am Montag (7. 4.) mit.
- berühmteste Immobilie im Portfolio der Signa-Gruppe ist verkauft: Laut dem Konkursverwalter der Holding, Christof Stapf, wurden die Anteile am ikonischen Chrysler-Building in New York an die bisherigen Miteigentümer übertragen, Aby Rosen und Michael Fuchs von der RFR Holding. Unter Berücksichtigung aller Forderungen und bestehenden Verpfändungen flossen allerdings nur fünf Millionen Euro in die Kassen der insolventen Holding. Wie hoch diese Forderungen waren, teilte der Konkursverwalter nicht mit. Die Käufer zogen zudem Konkursforderungen von rund 50 Millionen Euro zurück, ergänzte Stapf am Montag (4. 3.). René Benko hatte das Hochhaus, ein Meisterwerk des Art déco, 2019 gemeinsam mit RFR um kolportierte 150 Millionen Dollar erworben, der Anteil der Signa betrug rund die Hälfte.
- Die Münchner Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den in Österreich inhaftierten Immobilienmogul René Benko wegen Verdachts auf Betrug und Untreue in jeweils dreistelliger Millionenhöhe. Zum einen untersuchen die Ermittler, ob Benko und andere Manager der Signa-Gruppe einen saudiarabischen Staatsfonds betrogen, wie die Behörde am Dienstag (28. 1.) mitteilte. Gleichzeitig wird geprüft, ob Benko und eventuelle Komplizen Gelder eines Unternehmens der Signa-Gruppe veruntreuten. In beiden Fällen sollen die dreistelligen Millionenbeträge unmittelbar nach Geldeingang in den «Unternehmenskomplex» Signa geflossen sein. Beide Investitionen stehen im Zusammenhang mit dem Projekt «Franz» in der Nähe des Münchner Hauptbahnhofs – mittlerweile eine Bauruine. Die Münchner Staatsanwaltschaft führt das umfangreiche Verfahren nach eigenen Angaben ergebnisoffen.
Die Signa-Gruppe ist ein verschachteltes Konstrukt, das aus verschiedenen Immobilienfirmen und Kaufhausketten besteht. Bei den Kaufhäusern gibt es schon länger Probleme, so ist die deutsche Kaufhaustochter Galeria schon in den Jahren von 2020 bis 2022 zweimal durch ein Insolvenzverfahren gegangen.
Im Herbst 2023 sind aber auch die Immobilienunternehmen von Signa in eine Krise geraten. Der Hauptgrund dafür sind die stark gestiegenen Zinsen. Sie machten es für Signa teurer, die zahlreichen Bauprojekte zu finanzieren. Zudem mussten bei bestehenden Immobilien die Bewertungen nach unten korrigiert werden.
Ende Oktober 2023 wurde offenkundig, dass die Signa-Gruppe in akuten Geldnöten steckt. Wegen nicht bezahlter Rechnungen kamen die Arbeiten an verschiedenen Bauprojekten zum Stillstand.
Noch bis im Herbst 2023 hatte René Benko einen Investor für den dringendsten Kapitalbedarf gesucht. Weil jedoch niemand einspringen wollte, musste eine Signa-Gesellschaft nach der anderen Insolvenz anmelden. Ende November stellte die Signa Holding beim Handelsgericht Wien einen Antrag zur Eröffnung eines Sanierungsverfahrens. Ende 2023 folgten die zwei wichtigsten Immobiliengesellschaften, Signa Prime und Signa Development.
Alle drei Unternehmen strebten ein Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung an. Das heisst, dass das bisherige Management im Prinzip die Gesellschaft weiter leiten kann, der Insolvenzverwalter aber die Ausgaben prüft und das letzte Wort hat. Zudem braucht es einen Sanierungsplan, der von der Mehrheit der Gläubiger innert 90 Tagen genehmigt werden muss. Der Begriff «Sanierung» täuscht allerdings: Es geht nicht um eine Sanierung, sondern um eine Liquidation.
Mittlerweile gilt die Eigenverwaltung nur noch im Fall der Signa Development. Die Signa Holding ging bereits im April Konkurs, Ende Juli wurde das Verfahren abgeschlossen. Anfang November musste auch die Immobiliengesellschaft Signa Prime auf Anordnung des Obersten Gerichtshofs (OGH) in ein ordentliches Konkursverfahren wechseln. Der Oberste Gerichtshof war einem entsprechenden Einwand der österreichischen Finanzprokuratur gefolgt. Diese erhofft sich mit dem Wechsel ins Konkursverfahren mehr Transparenz.
Die Unternehmen haben mit dem Verkauf von Vermögenswerten begonnen. Signa Prime etwa verkauft ihr gesamtes Immobilienportfolio. Dazu gehören das Kaufhaus Tyrol in Innsbruck, aber auch die Liegenschaften der Luxuskaufhäuser von Globus, Selfridges und der KaDeWe-Gruppe. Die bisher getätigten Verkäufe haben allerdings wiederholt Fragen aufgeworfen, sowohl hinsichtlich der erzielten Preise als auch mit Blick auf die Käufer. Teilweise handelt es sich dabei um langjährige Weggefährten von René Benko.
Mit dem Untergang der Signa-Gruppe war auch die Zukunft von Globus gefährdet, denn Globus gehörte den Österreichern zur Hälfte. Mittlerweile ist die Zukunft jedoch gesichert. Ende September 2024 hat die thailändische Central Group bekanntgegeben, dass sie das operative Geschäft von Globus vollständig übernimmt. Die Central Group besass bereits zuvor je die Hälfte des Globus-Warenhausgeschäfts und der Immobilien. Schon Ende 2023 hatten die Thailänder ihre Unterstützung für das europäische Luxuswarenhausgeschäft bekräftigt.
Globus arbeitete während der ganzen Phase der Unsicherheit normal weiter. Auch an den Umbau- und Investitionsplänen änderte sich nichts, wie involvierte Personen betonten. Der Neubau in Basel sei durchgängig finanziert, die Bauarbeiten schritten wie vorgesehen voran, und die Eröffnung sei weiterhin für Herbst 2025 geplant.
Der auf Essen fokussierte Globus am Zürcher Bellevue ist wie vorgesehen seit November 2024 wieder offen, mit Gastrokonzepten im Erdgeschoss und einer Delicatessa-Abteilung im Untergeschoss. Globus hatte am Bellevue vorübergehend ausziehen müssen, weil die Liegenschaftenbesitzerin PSP Swiss Property das Gebäude sanieren wollte. Es war jedoch stets geplant, dass Globus an diese zentrale Lage zurückkehrt.
Noch unklar ist, wer die fünf Schweizer Liegenschaften von Globus übernimmt. Sie sind ebenfalls je hälftig im Besitz von Central und Signa.
Auch die Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof (GKK) ist gerettet. Im Juni 2024 wurde das Unternehmen an ein Konsortium aus zwei Investoren verkauft: der Investmentgesellschaft NRDC um den kanadischen Handelsunternehmer Richard Baker und der Beteiligungsfirma BB Kapital SA des Unternehmers Bernd Beetz, Ex-Vorstandschef des Kosmetikkonzerns Coty.
Zuvor hatte das Unternehmen im Januar 2024 beim Amtsgericht Essen erneut einen Insolvenzantrag stellen müssen. Die Insolvenzen der Signa-Gruppe schädigten Galeria massiv, behinderten das laufende Geschäft und schränkten durch hohe Mieten und teure Dienstleistungen die Entwicklungsmöglichkeit stark ein, teilte die Warenhauskette mit. Für Galeria war es die dritte Insolvenz innerhalb von weniger als vier Jahren.
Die neuen Eigentümer sind für Galeria alte Bekannte. Baker war bereits in den Jahren 2015 bis 2019 Eigentümer von Kaufhof, ohne das Unternehmen allerdings in eine wirtschaftlich stabile Zukunft führen zu können. Er war es, der Kaufhof schliesslich an die Signa-Gruppe des österreichischen Investors René Benko weiterverkaufte, dem bereits Karstadt gehörte. Der 73-jährige Beetz wiederum war in der Zeit der Fusion von Kaufhof und Karstadt in den Jahren 2018 und 2019 der Aufsichtsratsvorsitzende von Kaufhof.
Die Signa-Gruppe hatte vor den Insolvenzen versucht, an neue Mittel zu kommen. Bereits im März 2023 verkaufte Signa die Hälfte der KaDeWe-Immobilie in Berlin an die thailändischen Geschäftspartner der Central Group. Zudem hatte der Hamburger Milliardär Klaus-Michael Kühne, der nicht auf Holdingstufe, aber bei der Immobiliengesellschaft Signa Prime investiert ist, einen Bürokomplex namens Beam von Signa übernommen.
Zum andern trennte sich Signa von Beteiligungen im Detailhandel. Verkauft wurden der Bereich Signa Home & Lifestyle mit dem Möbelhaus Kika/Leiner in Österreich sowie der Bereich Signa Food & Restaurants mit den Karstadt-Restaurants, einem Joint Venture mit Eataly.
Bei der erst 2021 übernommenen britischen Luxuswarenhauskette Selfridges übernahm die thailändische Central Group die Mehrheit am operativen Geschäft.
Beim Sportartikelhändler Signa Sports United (SSU) zog Benko selber eine zugesagte Kapitalspritze von 150 Millionen Euro zurück – mit dem Resultat, dass das Unternehmen Insolvenz anmelden musste.
Nicht geklappt hatte der Abschluss eines Stillhalteabkommens. Mit einem solchen Schritt hätte der deutsche Sanierungsexperte Arndt Geiwitz versuchen sollen, Vertrauen bei allen involvierten Parteien zu schaffen – bei den Mitinvestoren wie auch bei den kreditgebenden Banken. Diese hätten darauf verzichten sollen, Kredite fällig zu stellen oder Geld zurückzufordern. Dieser Plan scheiterte an der fehlenden Zusage eines neuen Investors und daran, dass Geiwitz gar nie die nötigen Vollmachten dafür erhalten hatte.
René Benkos Signa-Gruppe im Überblick
Der Österreicher René Benko hat die Signa-Gruppe Anfang der 2010er Jahre gegründet, nachdem er zu Geld gekommen war und erste Grossprojekte wie das Kaufhaus Tyrol in der Innsbrucker Innenstadt realisiert hatte.
In den Folgejahren holte Benko gewichtige Geldgeber ins Boot. Zu ihnen gehören: der Lindt-&-Sprüngli-Verwaltungsratspräsident Ernst Tanner, der Thurgauer Kaffeemaschinen-Unternehmer Arthur Eugster, der deutsche Fressnapf-Gründer Torsten Toeller, der österreichische Bauunternehmer Hans Peter Haselsteiner (Strabag) und der brasilianisch-schweizerische Unternehmer Riccardo Arduini. An anderer Stelle im Signa-Konstrukt sind weitere prominente Personen wie der deutsche Unternehmer Klaus-Michael Kühne investiert.
Während der Verhandlungen, wie die Gruppe aussergerichtlich hätte saniert werden können, soll es zu Konflikten gekommen sein. Investoren und Manager hatten den Eindruck gewonnen, dass sich der Firmengründer Benko nicht ausreichend an einer Sanierung beteiligen wolle. Welche Rolle Benko heute noch spielt, ist nicht klar. Enge Vertraute von ihm sitzen immer noch an Schalthebeln der Signa-Gruppe, und auch er selber scheint nach wie vor aktiv zu sein.
René Benko ist am 23. Januar in Innsbruck festgenommen worden. Die österreichische Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) wirft ihm unter anderem vor, dass er nach seiner Privatinsolvenz Vermögen vor Behörden und Gläubigern versteckt haben soll.
In der Festnahmeanordnung finden sich Informationen aus abgehörten Telefonaten, SMS und Whatsapp-Nachrichten von Mitarbeitern und ehemaligen Investoren der Signa, welche Benko belasten. Die Behörden gehen von dringender Verdunkelungs- und Tatbegehungsgefahr aus. Es bestehe die Gefahr, dass der Signa-Gründer versuche, Zeugen und Mitbeschuldigte zu beeinflussen sowie Spuren zu verwischen. So habe er den Behörden etwa eine gefälschte Rechnung für eine teure Waffe vorgelegt.
Zudem habe er verheimlicht, dass er «faktischer Machthaber und wirtschaftlich Berechtigter» der Laura-Privatstiftung sei. Offiziell ist seine Familie Begünstigte dieser Stiftung, nicht René Benko selbst. Benko hat sich bei seiner Vernehmung durch den Richter nicht zu den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft geäussert.
Anfang April hat Benko seine Freilassung beantragt. Doch das Wiener Straflandesgericht verweigerte dies. Benko muss für mindestens zwei weitere Monate in Untersuchungshaft bleiben.