Eine Serie über amerikanische Kampfflieger, die wegen ihrer furchtbaren Verluste in die Geschichte eingingen: Ist das der Stoff für ein Heldenepos?
Alle Helden fangen irgendwo an. Manche verdanken ihre Legendenbildung glücklichen Fügungen. Andere müssen das Heldendasein erst noch lernen. Auf die harte Tour.
So wie die Piloten der legendären «Bloody Hundredth»: Für die Vorbereitung auf den Kampf gegen Hitlers Wehrmacht bleibt den Abgesandten der US-Luftwaffe im Juni 1943 keine Zeit. Kaum sind die Majore Gale «Buck» Cleven (Austin Butler) und John «Bucky» Egan (Callum Turner) mit ihren Kameraden auf dem neuen Heimatstützpunkt in Thorpe Abbotts in Norfolk, England, angekommen, erwartet sie die brutale Wirklichkeit.
Die erste Mission endet im Fiasko: Bereits im Anflug gegen Ziele in Bremen geraten die B-17-Bomber unter Beschuss. Drei Maschinen holt die Luftwaffe der Nazis vom Himmel, 30 Tote. Der Rest schafft es gerade so zurück zur Basis.
Kommerziell zurechtgebogen
Das sieht zunächst nicht nach einer Heldengeschichte aus. Aber «Masters of the Air», auf Apple-TV+, legt es darauf an, episch zu sein. Die Produzenten Steven Spielberg und Tom Hanks verstehen sich darauf, aus einem Stoff überlebensgrosse Figuren zu schnitzen. Sie wissen, wie man eine wahre Geschichte kommerziell zurechtbiegt.
Die neunteilige Staffel ist eine der teuersten Streaming-Produktionen überhaupt – darunter geht es anscheinend nicht. Schon die erste gemeinsam entwickelte HBO-Serie der beiden Hollywood-Grössen «Band of Brothers» (2001) suchte, was den finanziellen Aufwand anging, ihresgleichen. Damals ging es um eine Gruppe junger Fallschirmspringer im Zweiten Weltkrieg nach der Stürmung der Normandie. 2010 folgte «The Pacific», eine zehnteilige Geschichte über drei US-Marines im Pazifikkrieg gegen Japan.
Jetzt also die Piloten der «Bloody Hundredth». Es ist kein schöner Spitzname, mit dem die Kampfflieger in die amerikanische Kriegsgeschichte eingegangen sind: Nicht ein Hundertstel, sondern weniger als ein Viertel des Geschwaders überlebte die Einsätze. Ihre Vorgesetzten nahmen die Verluste nahezu kommentarlos in Kauf.
In der Serie klebt der Tod an den Fliegerjacken der Jungs wie die Air-Force-Kennzeichen, mit denen sie zu Hause die Frauen beeindrucken konnten. Im Kampf gegen die Nazis will den übermütigen Haudegen jedoch wenig gelingen. Das Drehbuch, das auf dem Bericht des Historikers Donald L. Miller basiert, versucht aus dem verlustreichen Scheitern der gesamten Einheit seine dramatische Kraft zu ziehen: Die permanente Anspannung im Cockpit unter gegnerischem Dauerbeschuss, technische Pannen und menschliche Fehler in der Abwehr – all das zeigt, wie unvorbereitet die Männer dem Ernstfall gegenüberstanden. Aber ihr Schicksal berührt nur bedingt.
Gefeierte junge Schauspieler
Es liegt nicht an der Besetzung. Mit Butler in seinem ersten grossen Auftritt nach «Elvis» und dem «Saltburn»-Star Barry Keoghan als Leutnant Curtis Biddick sind zwei gefeierte Nachwuchstalente mit im Spiel. Doch bei der Fülle an Personal, mit dem die Serie startet, verliert man leicht den Überblick.
Manche Figuren, auch Buck und Bucky, sind zu plump gezeichnet, andere kommen zu kurz. So wie der Navigator Harry Crosby (Anthony Boyle), aus dessen Perspektive die Handlung streckenweise erzählt wird. Seine spröden Kommentare und Ausrutscher im Dienst sorgen noch für den grössten Unterhaltungswert.
Ewig lange Flugsequenzen, jede Menge Machogehabe und Verliebtheit in historische Details: Dezidiert wird ein Publikum bedient, das die filmische Verpackung zu schätzen weiss. Und klar, die Ausstattung macht etwas her. Auch die Gefechte am Himmel sind oft spektakulär.
Die ersten vier der Folgen hat Cary Joji Fukunaga inszeniert, der schon James Bond aus der Bredouille geholfen hat, als Danny Boyle beim letzten Film das Handtuch geworfen hatte. Mit Anna Boden führte ausserdem bei zwei Folgen eine Frau Regie – eine willkommene Abwechslung in dem sonst in jeder Hinsicht allzu männerlastigen Genre.
Übercoole Hauptfiguren
Aber auch eine gute Regie kann einen mangelhaften Stoff nicht retten. Dass die Serie sich aktiv dagegen zu wehren scheint, an der übercoolen Fassade ihrer Hauptfiguren zu kratzen, ist das eine. Aber in ihrem Eifer, die Geschichte um schillernde Persönlichkeiten zu wickeln, bleiben ganze Handlungsbögen auf der Strecke. Mögliche Kritik an der amerikanischen Militärführung wird, wenn überhaupt, in einem Nebensatz abgetan.
Während «Masters of the Air» auf die letzten Tage des Krieges zusteuert, werden die verbliebenen Männer zwar in einem neuen Licht dargestellt. Das erlebte Grauen hat den Geist verhärtet. Und in Kriegsgefangenschaft sehen sich Buck und Bucky auch mit dem Leid in der deutschen Bevölkerung konfrontiert. Es ist der Punkt, an dem der Stoff Komplexität entwickeln könnte. Aber nicht nur die Figuren, auch die Serie kommt hier ins Straucheln. Ein millionenschweres Budget macht noch kein nuanciertes, einnehmendes Drama, allem Aufwand zum Trotz bleibt «Masters of the Air» zu flach.