Seit Jahren hält Iran Touristen als Geiseln fest, um westliche Staaten zu erpressen. Wegen zweier inhaftierter Landsleute hat Frankreich die Islamische Republik nun vor dem Internationalen Gerichtshof verklagt.
Es ist nichts Neues, dass Iran westliche Ausländer und Doppelbürger unter fadenscheinigen Anschuldigungen verhaftet, um ihre Regierungen unter Druck zu setzen. Geiseldiplomatie nennt sich die unselige Praxis, die Teheran seit der Islamischen Revolution im Jahr 1979 betreibt. Radikale Studenten hatten damals die amerikanische Botschaft gestürmt und 52 Diplomaten 444 Tage lang als Faustpfand genommen.
Unzählige Geiselnahmen folgten – in den vergangenen Jahren waren Staatsbürger aus Deutschland, Frankreich, Grossbritannien, Schweden und Belgien betroffen. Touristen und Geschäftsleute landeten ohne rechtsstaatliches Verfahren hinter Gittern. Sie wurden zumeist erst freigelassen, nachdem es zu Gefangenenaustauschen, zur Freigabe eingefrorener iranischer Gelder oder zur Einstellung von Strafverfahren gegen iranische Agenten gekommen war.
Ungeduldig mit Teheran
Mitte März liess Iran den 34-jährigen Franzosen Olivier Grondeau und eine weitere französische Geisel, deren Identität nicht offengelegt wurde, frei. Grondeau hatte wegen Spionagevorwürfen 887 Tage im berüchtigten Evin-Gefängnis in Teheran eingesessen. Über die Bedingungen seiner Freilassung ist in Paris offiziell nichts bekannt. Laut dem französischen Aussenminister Jean-Noël Barrot soll Iran keine Gegenleistung erhalten haben. Beobachter vermuten gleichwohl eine stille diplomatische Übereinkunft, möglicherweise im Zuge der kürzlich wieder aufgenommenen Atomverhandlungen.
Seit Mitte April sitzen sowohl die Europäer wie auch die USA wieder mit der Islamischen Republik am Tisch, um die Mullahs von der weiteren Herstellung hochangereicherten Urans abzubringen. Im Gegenzug könnte Iran mit einer Aufhebung der Sanktionen rechnen. Allerdings wirft der Umgang des Regimes mit westlichen Geiseln einen Schatten auf die laufenden Verhandlungen. Noch immer sitzen zahlreiche westliche, unter ihnen auch mehrere französische Bürger in iranischer Haft.
Vor diesem Hintergrund reichte Barrot am Freitag beim Internationalen Gerichtshof in Den Haag am Freitag eine Klage gegen die Islamische Republik ein. Konkret wirft der französische Aussenminister dem iranischen Regime vor, im Fall zweier inhaftierter Franzosen gegen seine völkerrechtliche Verpflichtung zur konsularischen Betreuung von Gefangenen verstossen zu haben.
Verletzung der Menschenwürde
Bei den beiden Franzosen handelt es sich um die 40-jährige Lehrerin Cécile Kohler und ihren 70-jährigen Lebenspartner Jacques Paris. Sie wurden im Mai 2022, am letzten Tag einer Rundreise durch Iran, festgenommen und wegen angeblicher Spionage in das Evin-Gefängnis überführt. Ohne je von französischen Konsularbeamten besucht worden zu sein, sollen Kohler und Paris über Monate hinweg teilweise in Isolationshaft gehalten worden sein – ein klarer Verstoss gegen internationales Recht.
Angehörige begrüssten die Klage. Kohlers Schwester, die seit 2022 für die Freilassung des Paares kämpft, feierte den Schritt als grossen Wendepunkt. Tatsächlich handelt es sich um ein juristisches Novum: Noch nie zuvor hat ein Staat die Islamische Republik wegen ihrer Geiseldiplomatie verklagt. Auch wenn die Erfolgschancen fraglich sind, verschafft Frankreich dem Fall mit der Klage mehr Aufmerksamkeit. Von iranischer Seite gab es am Freitag zunächst keine Stellungnahme. Sollte der Haager Gerichtshof die Klage zur Hauptverhandlung zulassen, dürfte ein Urteil allerdings noch einige Jahre auf sich warten lassen.