Der Unternehmer soll als Quereinsteiger eine Mitte-rechts-Allianz zum Erfolg in den Stadtratswahlen führen – so zumindest lautet ein tollkühner Plan.
Die FDP macht es spannend. Während die Suche nach Kandidaten für die Stadtratswahl im Frühjahr 2026 bei allen anderen Stadtzürcher Parteien weit fortgeschritten ist, hält sie sich bedeckt.
Knapp neun Monate vor den Erneuerungswahlen hat die Partei am Donnerstagabend ihr Wahlprogramm vorgestellt. Die FDP gab sich kämpferisch. «Wir sind bereit, eine Alternative zum linken Stillstand zu sein», sagte der Präsident der FDP Stadt Zürich, Përparim Avdili, vor rund 120 Parteimitgliedern und Delegierten.
Die Partei sprach über Werte, Ziele. Aber nicht über Namen. Die entscheidende Frage blieb an diesem Abend damit unbeantwortet: Wie geht die FDP mit der Chance um, dass das Präsidium nach 17 Jahren mit Corine Mauch an der Spitze der Stadt frei wird?
Viele finden, es brauche eine Figur, die das Mitte-rechts-Lager, inklusive GLP, eint. Wer dies sein könnte, war bisher unbekannt. Die NZZ hat nun erfahren: Eine Option, die ernsthaft geprüft wird, ist Zürichs Böögg-Bauer Lukas Meier. Dies bestätigten mehrere Personen im Umfeld der Partei.
Meier soll über die Parteigrenzen hinweg wählbar sein – so die Idee. Dem Vernehmen nach weibelt die FDP im Hintergrund bei anderen Parteien für eine breite Allianz, für einen gemeinsamen Kandidaten von Mitte-rechts, der die SP beim Kampf ums Stadtpräsidium herausfordern könnte.
Der FDP-Parteipräsident Përparim Avdili will die Personalie Meier auf Anfrage der NZZ nicht kommentieren. Es sei noch nichts entschieden. «Die Parteileitung hat dem Vorstand noch keinen Antrag gestellt.» Dies geschehe erst in Hinblick auf die Delegiertenversammlung vom 4. September.
Lukas Meier bestätigt im Gespräch mit der NZZ, dass eine Kandidatur seinerseits tatsächlich Thema sei. «Die Idee ehrt mich. Für eine Kandidatur muss ich mich aber noch entscheiden.» Und er betont: Die Parteileitung mache nun eine Auslegeordnung.
Böögg-Bauer und Tausendsassa
Lukas Meier, Unternehmer und Inhaber der Event-Agentur «Aroma», baut seit 2016 Zürichs bekanntesten Schneemann. Es ist nicht sein einziger Bezug zum Sechseläuten: Er ist Mitglied der Zunft Schwamendingen.
Er selbst bezeichnete sich 2021 in einem «Nebelspalter»-Interview mit Reto Brennwald als Autodidakt. Er sei ein «Macher», jemand, der gerne Menschen zusammenbringe. In den 1990er Jahren organisierte er illegale Partys, bei denen man «in feuchten Kellern warmes Bier bekam». Diese Passion professionalisierte der gelernte Dekorationsgestalter in den nuller Jahren. Als Teilhaber der Klubs Plaza und Mascotte ist er auch in weniger bürgerlich-traditionellen Kreisen gut vernetzt.
Politisch war der 53-jährige Tausendsassa Meier bisher nicht aktiv – ihm fehle es an Zeit und Geduld, sagte er im Gespräch mit Brennwald: «Ich würde wohl durchdrehen.» Diesen Standpunkt hat er offensichtlich revidiert.
Seit vier Jahren ist Meier im Vorstand der Stadtpartei. Dem FDP-Kantonsratspräsidenten Beat Habegger brachte er einen Mini-Böögg an dessen Feier vergangene Woche. Das Fest zu Ehren des neuen Gemeinderatspräsidenten Christian Huser – ebenfalls letzte Woche – wurde von Meier mitorganisiert.
Er sei in Zürich aufgewachsen und verwurzelt, sagt Meier. Auch mit der FDP verbinde ihn viel, sein Vater sei 19 Jahre für die Freisinnigen im Gemeinderat gewesen. Politik mache ihm Freude. Zudem schätze er es, als Mitglied ohne Mandat eine gewisse Distanz zu haben. Diese Aussenperspektive könnte dabei helfen, die Zürcher Politik wieder in sach- und vor allem lösungsorientiertere Bahnen zu lenken.
Ein Unternehmer ohne Berührungsängste also. Aber auch ohne politische Erfahrung. Offen ist, ob der Böögg-Bauer genügend bekannt ist, um echte Erfolgschancen zu haben.
Konventionelles Ticket oder Sprengkandidat?
Klar ist: Die FDP prüft mehrere Szenarien, der Angriff auf das Präsidium mit einem überparteilichen Kandidaten ist eines davon.
Laut diesem Plan soll es eine breite Allianz von SVP bis GLP sein. Die Grünliberalen dürften von den Parteien am schwierigsten zu überzeugen sein. Sie sind aber entscheidend: Ohne die GLP sinken die Erfolgschancen gegenüber der SP drastisch. Die SP wird entweder mit dem Stadtrat Raphael Golta oder der Kantonsrätin Mandy Abou Shoak antreten. Letztere wird unter anderem von der städtischen Juso unterstützt, wie die Jungpartei am Freitag mitteilte.
Die GLP hält sich alle Optionen offen und schliesst auch eine Kandidatur des GLP-Stadtrats Andreas Hauri nicht aus. Die Partei hat jüngst betont, die Entscheidung hänge «stark vom Profil des Kandidierenden ab». Die Personalie Meier will die GLP-Co-Präsidentin Selina Frey gegenüber der NZZ nicht kommentieren – dafür sei diese zu wenig konkret. Es bleibe dabei: «Wir warten ab, bis ein konkreter Vorschlag der FDP vorliegt.»
FDP-intern ist die Strategie mit der breiten Allianz umstritten. Es gibt gewichtige Stimmen, die wenig davon halten. Die Alternative ist die konventionellere Kandidatenkür, mit Kandidatinnen und Kandidaten aus den Parteirängen.
In diesem Szenario dürfte der Stadtparteipräsident Avdili der aussichtsreichste Kandidat sein.
Der Stadtrat Michael Baumer ist als Bisheriger gesetzt. Er hat auch Ambitionen auf das Stadtpräsidium angemeldet. Der Fokus wäre mit diesem Plan dennoch mehr auf die Stadtratssitze gerichtet.
Auch da steht die FDP vor der grossen Herausforderung, zwei Sitze zu halten – neben Baumers auch den frei werdenden von Filippo Leutenegger. Bestenfalls gelingt es der Partei, einen dritten Sitz dazuzugewinnen. Interesse bekundet haben auch Marita Verbali und Flurin Capaul aus dem Gemeinderat sowie die Kantonsrätin Sonja Rueff-Frenkel.
Den Sprung in die Stadtregierung wollen auch die Jungfreisinnigen schaffen. Das kündigte deren Vize-Präsident Mikhail Shalaev an der Delegiertenversammlung am Donnerstag an. Die Zeit sei gekommen, den Stadtrat zu verjüngen.
Vor-Wahlkampf mit Inhalten statt Personalien
Punkten will die FDP mit Inhalten, wie sie an der Delegiertenversammlung vom Donnerstag verdeutlicht hat. Ihre Ziele für Zürich hat die Partei in ihrem «Plan für Zürich» festgehalten.
Darin sind zehn Themenbereiche aufgeführt, darunter etwa Bildung, Sozial- und Familienpolitik, Mobilität und Wohnen, aber auch Umwelt und Kulturpolitik. Zürich, so der FDP-Tenor, müsse vom politischen Einheitsbrei befreit werden. Der Staat solle Rahmenbedingungen setzen, die allen Bürgerinnen und Bürgern einen frei gewählten, gleichberechtigten Lebensentwurf ermöglichten.
Ganz im Sinne des Liberalismus nimmt die Eigenverantwortung im Wahlprogramm eine zentrale Rolle ein. Dazu gehörten unter anderem freiwillige Tagesschulen oder ein «friedliches Miteinander» verschiedener Verkehrsmittel. In vielen Bereichen – seien es Kitas, Wohnbauten oder Umweltthemen – will die FDP regulatorische Hürden abbauen. Zudem will sie die Steuern langfristig um 10 Prozent reduzieren und den Stadtrat um zwei Mitglieder auf sieben verkleinern.
Die Partei will mit diesen Themen im Sommer einen Vor-Wahlkampf führen. Dies sei ein bewusster Entscheid, sagt Präsident Avdili: Es soll nicht um Personalien, sondern um Inhalte gehen – vorerst.
Denn irgendwann muss sich die FDP entscheiden, mit welchem Personal sie den Wahlkampf in Angriff nimmt.