Die Arbeitgeber haben mit dem Kita-Gesetz ein Eigengoal geschossen. Barbara Zimmermann vom Schweizerischen Arbeitgeberverband nimmt Stellung.
Frau Zimmermann, der Schweizerische Arbeitgeberverband (SAV) hat das Kita-Gesetz mitinitiiert. Er wollte den Bund verpflichten, die Eltern bei der externen Kinderbetreuung mit bis zu 800 Millionen Franken jährlich zu subventionieren. Das Parlament hat gesagt: Einverstanden, aber bezahlen muss nicht der Bund, sondern die Wirtschaft selber, über höhere Lohnbeiträge. Was sagen Sie nun?
Wir lehnen die neue Zulage für familienexterne Kinderbetreuung in dieser Form klar ab. Es geht nicht an, die Kosten allein den Arbeitgebern aufzuerlegen. Sie zahlen heute schon 6,7 Milliarden Franken jährlich für Familienzulagen, die Beträge pro Kind wurden gerade erst auf Anfang Jahr erhöht. Im Parlament ist zudem ein Vorstoss hängig, der eine weitere Anhebung der Kinder- und Ausbildungszulagen um fast 50 Franken pro Kind fordert, alles grösstenteils bezahlt durch die Arbeitgeber. Mit der neu geschaffenen Betreuungszulage würden nun mindestens weitere 600 Millionen Franken jährlich dazukommen. Das ist eine massive Belastung für die Wirtschaft.
Hätten Sie nicht voraussehen müssen, dass die Kita-Rechnung am Ende an den Arbeitgebern selber hängen bleiben würde?
Dass das Parlament die Kosten einseitig der Wirtschaft aufbürden würde, damit war nicht zu rechnen. Wir empfinden es als falsch und unverhältnismässig.
Warum ist der SAV überhaupt auf die Idee gekommen, auf Bundesebene einen derartigen Ausbau des Sozialstaats zu verlangen? Der Schweizerische Gewerbeverband war stets dagegen und hat auf die Verantwortung von Kantonen und Gemeinden verwiesen.
Die Vorlage wurde vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels gestartet. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist uns ein wichtiges Anliegen, wir wollen die Erwerbstätigkeit der Eltern, insbesondere der Mütter, fördern. Sie sind eines der grössten brachliegenden Arbeitskräftepotenziale. Wenn man die familienexterne Kinderbetreuung verbilligt, kann dies einen Beitrag leisten. Und wenn die Mütter die Erwerbstätigkeit steigern, gibt es auch mehr Steuereinnahmen, davon profitiert der Staat. Und deshalb soll auch die öffentliche Hand bezahlen.
Krippen-Subventionen sind aber keine Bundesaufgabe, im Parlament hat man das erkannt.
Wir wären einverstanden mit einer gemischten Finanzierung, bei der sowohl der Bund wie auch die Kantone und die Wirtschaft sowie die Arbeitnehmenden einen Teil übernähmen. Doch das Parlament hat anders entschieden und nimmt nun allein die Arbeitgeber in die Pflicht. Das ist inakzeptabel.
Wenn die Wirtschaft ein so grosses Interesse an Müttern hat: Kann sie nicht selber mehr dafür tun, dass Mütter in einem höheren Pensum arbeiten können bzw. wollen?
Die Arbeitgeber leisten schon jetzt sehr viel. Es gibt Firmen, die haben eigene Kitas eröffnet oder Plätze reserviert. Andere beteiligen sich an den Kosten oder helfen den Mitarbeitern mit familienfreundlichen Arbeitsbedingungen und flexiblen Arbeitszeiten. Wird die neue Betreuungszulage eingeführt, müssen zahlreiche Unternehmen sozusagen doppelt bezahlen. Wir haben vorgeschlagen, dass jene Arbeitgeber, die bereits jetzt in die Kinderbetreuung investieren, keine höheren Lohnbeiträge leisten müssen. Auch diese Forderung wurde im Parlament nicht aufgenommen.
Wird der SAV im Parlament nicht genügend gehört?
Diesen Eindruck haben wir nicht. Aber es stimmt, dass momentan die Zeichen auf Ausbau stehen, besonders im Bereich der Sozialpolitik – bis weit über die traditionellen Kreise hinaus. Sparen wollen ausser uns die wenigsten, und wenn, dann nur bei allen anderen. Ich vermisse in der Sozialpolitik teilweise das Verantwortungsbewusstsein für nachhaltige Lösungen und eine Gesamtsicht. Momentan wird laufend ausgebaut.
Unter Ökonomen ist man sich uneins, ob günstigere Krippen die Mütter tatsächlich dazu bringen, ihr Erwerbspensum zu erhöhen.
Ich habe Zweifel, ob die Kita-Vorlage dieses Ziel erreicht. Das Parlament hat es leider unterlassen, die Betreuungszulage an die Erwerbstätigkeit beider Elternteile zu knüpfen, ein Mindest-Erwerbspensum der Eltern ist nicht vorgesehen, was eine weitere Forderung von uns war. Die Unterstützung sollen alle erhalten, egal, ob sie es brauchen oder nicht, und egal, wie viel sie arbeiten. Das ist besonders stossend, denn es schmälert den Anreiz, mehr zu arbeiten. Es wird zu Mitnahmeeffekten kommen.
Das heisst, dass Eltern auch dann eine Zulage erhalten, wenn sie ihr Kind in die Krippe schicken, um freie Zeit für sich zu haben.
Genau. Man kann beispielsweise zwei Tage arbeiten, aber das Kind drei Tage in die Krippe schicken und entsprechend für drei Tage Betreuungsgelder beanspruchen. Das Mindeste wäre für uns nun, dass die Kita-Vorlage nach fünf Jahren evaluiert und der Beweis erbracht wird, dass die Mütter ihr Erwerbspensum wegen der Betreuungszulage tatsächlich erhöht haben und die Wirtschaft damit Arbeitskräftepotenzial gewonnen hat.
Der SAV lehnt die Kita-Vorlage jetzt also ab, der Gewerbeverband tut dies seit Beginn. Doch im Parlament scheint die Sache gelaufen. Was kann die Wirtschaft jetzt noch unternehmen?
Das Geschäft wird noch zwischen den Räten bereinigt. Wir werden versuchen, uns, wo möglich, trotzdem noch einzubringen.