Der Grossverteiler verlagerte den Verkehr vor zehn Jahren auf die Schiene, um die Ware klimafreundlich zu transportieren. Nun tut er dies mit dem selben Argument wieder auf der Strasse.
Die Migros und SBB Cargo kündigten den Ausbau des Bahntransports offensiv an. Der Grossverteiler habe den Verkehr mit tiefgekühlten Produkten ab dem Verteilbetrieb Neuendorf im Aargau nach Gossau (SG) auf die Schiene verlagert, teilten sie im Jahr 2014 mit. So würden jährlich rund 300 000 Lastwagen-Kilometer eingespart. «Die Bahn ist für lange Strecken unser bevorzugtes Transportmittel», liess sich ein Vertreter der Migros zitieren. «Denn wir möchten unser Waren klimafreundlich befördern.»
Nach gut zehn Jahren ist Schluss. Die Migros hat diese Transporte auf die Strasse zurückverlagert, wie der SBB-Sprecher Moritz Weisskopf auf Anfrage bestätigt. Der Schritt sei im Februar erfolgt. Dem Vernehmen nach waren die teilweise happigen Preiserhöhungen, die SBB Cargo gegenüber zahlreichen Kunden angekündigt hat, ein Grund.
Hoher Aufwand
Weisskopf sagt, die Migros und SBB Cargo hätten im Jahr 2014 als Pilotversuch einen Zug mit Tiefkühlwaren im kombinierten Verkehr lanciert. Das angestrebte Mengenwachstum sei in den vergangenen Jahren aber nicht erreicht worden. Das habe den Verkehr, der einen hohen Aufwand verursacht habe, unwirtschaftlich gemacht. Deshalb hätten beide Parteien im gegenseitigen Einverständnis die Transporte wieder eingestellt.
Die Migros bedient sich demselben Argument, mit dem sie die Tiefkühltransporte im Jahr 2014 auf die Strasse verlagert hat. Die Verlagerung von der Bahn auf der Strasse sei aus logistischen und ökologischen Gründen erfolgt, sagt die Mediensprecherin Prisca Huguenin-dit-Lenoir.
Die Kühlaggregate seien während des ganzen Bahntransports rund zehn Stunden lang gelaufen, weil die Züge während der Nacht unterwegs gewesen seien. Das sei vier Mal länger als beim Strassentransport. Der erhöhte CO2-Ausstoss durch den längeren Betrieb der Kühlaggregate sei mit Blick auf die Nachhaltigkeit unverhältnismässig. Zudem hätten sich Anwohner über den Lärm des nächtlichen Bahnverlads beschwert.
Der Transport erfolgte mit speziell konzipierten Container, die SBB Cargo und die Migros auf Lastwagen umluden. Zwar wurden die Container in Gossau (SG) elektrisch gekühlt. Während der Bahnfahrt geschah dies aber mit einem Dieselaggregat. Die Migros testete auch elektrische Akkus, die gegenwärtig noch nicht zielführend seien.
Pro Tag verliessen 170 Paletten das Tiefkühllager in Gossau (SG), mit fünf Bahnwaggons. Die Rückverlagerung auf die Strasse führt gemäss der Migros pro Tag zu sechs zusätzlichen Lastwagenfahrten.
Migros will weiter auf Bahn setzen
Die betroffenen Tiefkühltransporte seien im Verhältnis zum Gesamtvolumen der Migros-Verkehre marginal, sagt Huguenin-dit-Lenoir. Trotz dem Entscheid sei das Unternehmen weiterhin ökologisch und effizient unterwegs. Der Grossverteiler und SBB Cargo verhandeln über einen langfristigen Vertrag für den Gütertransport. Die Gespräche würden partnerschaftlich verlaufen, sagt Weisskopf. Im Februar schrieb SBB Cargo in einem Blogbeitrag, die Migros setze langfristig auf die klimafreundliche Schiene.
Die Migros betont, sei bleibe eine starke Fürsprecherin des Schienentransports. Jährlich verliessen 22 000 Güterwagen das Verteilzentrum in Neuendorf, das mit neun Kilometern Gesamtlänge die grösste private Anschluss-Gleisanlage der Schweiz sei. Der Grossverteiler testet gegenwärtig neue Technologien, um den Tiefkühltransport künftig «wieder nachhaltig auf die Schiene zu verlagern» – sobald diese Lösungen zufriedenstellend seien.
SBB Cargo schrieb im vergangenen Jahr ein Defizit 76 Millionen Franken. Das Unternehmen baut deshalb Stellen ab, verlangt aber auch von seinen Kunden höhere Preise. Zudem unterstützt der Bund die Modernisierung den nationalen Schienengüterverkehrs und sieht einen unbefristeten Verladebonus vor.