Sotheby’s-CEO Charles F. Stewart hat einen hochsensiblen Job. Er muss die Kaufbereitschaft der Superreichen dieser Welt korrekt einschätzen können. Jetzt hat er sich einen gröberen Patzer geleistet.
An Auktionen für die teuersten Kunstwerke der Welt bieten meist nur Milliardäre mit. Solche hatte das internationale Auktionshaus Sotheby’s in New York am Dienstagabend eingeladen. Hauptattraktion war ein prestigeträchtiges Kunstwerk der allerobersten Preisklasse: Alberto Giacomettis Bronzebüste «Grande tête mince (Grande tête de Diego)» aus dem Jahr 1955, die den Bruder des Schweizer Malers und Bildhauers darstellt. Für die Büste hatte Sotheby’s ein Mindestgebot von 70 Millionen Dollar gesetzt.
Eigentlich kein Preis, der vermögende Sammler abschrecken sollte, sagen Kunstexperten. Doch dann kam es zum Eklat. Nachdem der «Superstar der Auktionatoren» Oliver Baker, dem die britische «Times» kürzlich einen Artikel gewidmet hatte, die Versteigerung mit 59 Millionen Dollar eröffnet hatte, hob sich kein einziger Finger.
Volle drei Minuten, für eine Auktion eine Ewigkeit, habe sich Baker «Nosferatu-ähnlich» tief über sein Tischchen gebeut und alles versucht, um potenzielle Käufer zu einem ersten Gebot zu verleiten, schreibt die «New York Times». Ohne Erfolg, Baker musste den Hammer fallen lassen, die Büste war durchgefallen.
Kauflust und Preisbereitschaft der elitären Klientel jederzeit richtig einzuschätzen, das ist der anspruchsvolle Job von Charles F. Stewart, CEO von Sotheby’s. Passieren hier Fehler, schlägt das in der Kunstwelt international hohe Wellen – möglicherweise gar mit Folgen auch für Stewart persönlich.
Laut dem «Art Market Report» der UBS haben es hochpreisige Transaktionen seit einiger Zeit schwerer. Grund dafür sind auch die politischen Unsicherheiten in Märkten wie den USA oder China. Für den Giacometti-Flop machen Kunstexperten allerdings den zu hohen Mindestpreis verantwortlich. Dafür ist Stewart nicht allein verantwortlich, doch fällt der Misserfolg direkt auf ihn zurück.
Der 55-jährige Amerikaner blickt bis jetzt auf eine steile Karriere zurück. Zuletzt amtete er als Finanzchef und Co-Präsident des amerikanischen Kabelfernsehunternehmens Altice. Allerdings: Im Misserfolg ist er nicht allein. Am Tag vorher konnte Andy Warhols «Big Electric Chair», gesetzt für ein Mindestgebot von 30 Millionen Dollar, beim Auktionshaus Christie’s mangels Angeboten nicht verkauft werden.