25 Sommer lang grilliert Baba in der Pumpstation am Zürichsee Würste. Dann stoppt ihn ein Unfall.
Der Bus von Hüttikon nach Regensdorf Bahnhof fährt pünktlich um 5 Uhr 51. Am Steuer sitzt Baba, ein Zürcher Stadtoriginal. Bekannt wurde er als Grillmeister von Michel Péclards Restaurant Pumpstation an der Zürcher Seepromenade. Bald war er stadtbekannt als Gute-Laune-Mann, der jeden begrüsst, als wäre er ein Schulkollege.
Das Zürcher Unterland schläft noch an diesem Donnerstagmorgen. Nur das Licht des Busses leuchtet auf der Überlandstrasse. Drinnen reiben sich die einen noch den Schlaf aus den Augen, andere starren in ihr Handy oder schlecht gelaunt aus dem Fenster.
Nur er nicht. Baba krächzt übermütig bei jeder Haltestelle ins Mikrofon: «Schöne guetä Morge mitenander!» Und für einen Moment heitert sich die Stimmung im Bus auf.
Baba heisst eigentlich Abdul Qadir Godil, aber alle nennen ihn Baba. Und er nennt alle «Lovie», «My Love» oder «Schatz». 25 Sommer lang hat er «Pumpi-Spiessli» und Würste grilliert. Er riss Sprüche, umgarnte Stammgäste. Und wurde so zum «Pumpi-Maskottchen», samt eigener Facebook-Fanpage.
Ab 1999 stand er am Grill, dann verunfallte er.
Stammgäste gibt es auch im Bus
Vor zwei Jahren verlor Baba beim Fahren mit einem Microlino die Kontrolle. Das Mini-Auto prallte gegen eine Wand, Babas linkes Bein wurde eingeklemmt. Seither ist alles anders. Zwölf Stunden am Stück am Grill stehen, das geht nicht mehr. Die Ärzte hätten kurz nach dem Unfall gesagt, er könnte sein Bein verlieren. Zwei Jahre später hat er noch beide Beine. Gesundheitlich geht es ihm besser, aber den ganzen Tag am Grill stehen könne er noch nicht, sagt er. Deshalb fährt er Bus.
Zurück im Bus auf der Überlandstrasse. Zwei Teenager sind auf dem Weg zur Schule. Baba sei eine Legende, immer freundlich und aufgestellt, sagt die 13-jährige Patricia. Sie und ihre Freundin fahren täglich mit der Linie. Man kenne ihn, genauso wie jenen Busfahrer, der immer zu spät sei, und jene Fahrerin, die immer eine Prada-Sonnenbrille trage.
Schon früh am Morgen ist Baba aufgestellt und begeistert mit seiner heiteren Art die Passagiere.
Baba erreicht seine Endhaltestelle, Bahnhof Regensdorf. «Mein Name ist Baba. Ich wünsche euch einen ganz, ganz schönen Tag. Bleiben Sie happy! Und danke, durfte ich Sie fahren.» Alle steigen aus, Baba hat jetzt sechzehn Minuten Pause. Er sagt: «Ich wollte unbedingt etwas machen, was mit Menschen zu tun hat.»
Und wie in der Pumpstation hat Baba auch im Bus Stammkundschaft. Im Restaurant war er Gastgeber, im Bus ist er das immer noch.
Eine Frau steigt in den stehenden Bus ein. Er winkt, sie winkt zurück. Er geniesse das Busfahren, aber er vermisse sein altes Leben am See, seine «Familie». Er sagt: «Die ‹Pumpi› bleibt mein Zuhause. Ich bin dort aufgewachsen.»
Baba hat schon vor dem Unfall die Fahrprüfung für Grossfahrzeuge absolviert. Als Absicherung für ein Leben nach der «Pumpi» – oder für Schlechtwettertage. Die Fahrschule liegt neben dem Busdepot der Firma Eurobus Regensdorf, die im Auftrag der Verkehrsbetriebe Glatttal das Busnetz der Region betreibt. In einer Pause trifft der Fahrschüler Baba auf den «Pumpi»-Stammkunden Roger Hunziker. Eine Begegnung mit Folgen.
Der aufgestellte Baba
Roger Hunziker ist Betriebsleiter von Eurobus Regensdorf. Er kennt Baba seit zwanzig Jahren. Er engagierte ihn als Buschauffeur – schon vor dem Unfall. Seit er nicht mehr im Restaurant arbeiten kann, hilft er vier bis fünf Mal im Monat aus und fährt wenn immer möglich die Linie 491. Baba liebt diese Linie. Hunziker erzählt von Babas Art, die sei «aussergewöhnlich» und «auffällig». Und das sieht nicht nur er so.
Vor kurzem hat Hunziker einen handgeschriebenen Brief erhalten von einem gewissen «King Elvis». Dieser habe geschrieben: «Sehr geehrte Damen und Herren, ich benutze jeden Tag den Bus von Dällikon nach Regensdorf Bahnhof. Dabei habe ich am Morgen früh einen Ihrer Chauffeure mit Namen Baba kennengelernt. Einen aufgestellteren Typen habe ich noch nie gehört. Der hat vor der Haltestelle ‹Regensdorf-Watt Bahnhof› die Fahrgäste mit einem Spruch verabschiedet – das war absolut vom ‹Feinsten›. Ich bin selber auch ein aufgestellter Typ. Das hat mich dann den ganzen Tag noch mehr aufgestellt.»
Seit er Baba angestellt habe, erhalte er oft solche Rückmeldungen, sagt Hunziker. «Seine Lebenseinstellung ist eine Bereicherung für uns alle. Die Gäste lieben ihn.»
Babas Bus ist zurück am Bahnhof Regensdorf. Ein anderer VBG-Bus fährt an ihm vorbei. Baba öffnet sein Fenster und brüllt zum anderen Busfahrer hinaus: «Kevin, my love! Du bist die Nummer eins! Ich liebe dich, Mann!» Kevin ruft zurück: «Nein, du bist die Nummer eins!» und Baba sagt: «Schön, dass es dich gibt.» Doch es stellt sich auch die Frage, ob durch Babas aufgedrehte und heitere Art die Konzentration vernachlässigt wird.
Zwischenfälle habe Baba bis jetzt keine gehabt, versichert Roger Hunziker. Zu Beginn habe er Baba ermahnen müssen, nicht ständig mit den Busfahrerkollegen über Funk zu plaudern. Seither sei alles bestens. Er vertraue ihm. Baba sei bewusst, welche Verantwortung er als Busfahrer habe.
Die grösste Herausforderung sei für ihn, die Gäste zufriedenzustellen, sagt Baba. Das sei gleich wie in der Gastronomie. Am Anfang hätten ihm zudem die vielen Regeln Mühe bereitet. Deshalb habe er für die Theorieprüfung auch siebzehn Anläufe gebraucht.
Und das Grillieren, seine Passion? Bei der Pumpstation ist er nicht mehr angestellt. Deshalb grilliert Baba nun privat, nicht 500 Spiessli, wie in der «Pumpi», sondern für die Familie. Derzeit ist er noch 50 Prozent krankgeschrieben – bis am 1. Juni. Danach fängt für Baba, neben dem Job als Buschauffeur, ein neues Abenteuer an. Ab Sommer ist er auch im Badi-Kiosk des Freibads Auhof anzutreffen. Wo er neuer Stammkundschaft Glace, Schleckzeug und Snacks verkauft.
Nach seinem Unfall hat Baba die Schiebermütze gegen eine grüne VBG-Krawatte eingetauscht.