Nvidias Dominanz bei der künstlichen Intelligenz bröckelt. Der Gründer Jensen Huang reagiert, indem er sein System für die Konkurrenz öffnet und den KI-Computer für zu Hause vorstellt.
Der Nvidia-Chef Jensen Huang verwandelt die taiwanische Computingmesse Computex in eine Strategieshow für künstliche Intelligenz. Es ist ein Heimspiel, Huang ist in Taiwan geboren. Als er auf die riesige Bühne in der Hauptstadt Taipeh trat, rief er: «Hallo, Taiwan, es ist grossartig, hier zu sein.» Seine Eltern seien im Publikum, sagte er, ebenso wie «viele unserer geschätzten Partner».
Das war keine Höflichkeitsfloskel. Ohne Taiwan gäbe es weder Nvidia noch die KI-Revolution – das ist schon lange Huangs Mantra. Mit dem Chiphersteller TSMC, Computerkonzernen wie Acer und Asus sowie einem Heer von Technikanbietern ist die Insel vor Chinas Küste «das Epizentrum, aus dem KI und Robotik kommen».
Vor einem Jahr kündigte Huang an der Messe an, ab sofort jedes Jahr eine neue Generation des KI-Superchips Blackwell auf den Markt zu bringen, um die KI-Revolution voranzutreiben. In diesem Jahr rief er eine Revolution für Nvidias Geschäft mit Rechenzentren aus. Es ist einer der grössten Wachstumsbereiche der Chipindustrie, und bis jetzt dominiert ihn Nvidia mit seinen Grafikprozessoren (GPU). Nun öffnet Huang Nvidias Rechenzentren auch für Chips der Konkurrenz.
Nvidias Vormacht bedroht
Rechenzentren sind für Huang die Fabriken der Zukunft. Er betrachtet sie als milliardenteure Chip-Cluster zur Produktion von Intelligenz. Bis jetzt beziehen die meisten Kunden das gesamte Rechenzentrum mit Nvidia-GPU. Das war lukrativ und hat Nvidia zu einem der wertvollsten Unternehmen der Welt gemacht. Am Montag stellte Huang nun eine neue Produktlinie namens NVLink Fusion vor, die es künftig anderen Spezialchips für KI erlaubt, mit Nvidias Grafikprozessoren zusammenzuarbeiten.
Damit will er in Zukunft noch mehr Geschäfte erschliessen. «Nichts macht mir mehr Freude, als wenn Sie alles von Nvidia kaufen», sagte Huang. «Aber es macht mir auch unheimlich viel Freude, wenn Sie einfach etwas von Nvidia kaufen.»
Der kleine Scherz verbirgt allerdings nicht, dass die Öffnung Teil eines breit angelegten Versuchs ist, Nvidias Wachstum gegen drei Entwicklungen abzusichern. Denn die Vormachtstellung des Konzerns bei den Rechenzentren ist bedroht.
Erstens wäre da die Entwicklung von ASIC (Application-Specific Integrated Circuits). Das sind spezielle Chips für verschiedene KI-Anwendungen, die von verschiedenen Technikkonzernen wie Microsoft, Google, Amazon oder auch Fujitsu aus Japan entwickelt werden, um unabhängiger von Nvidia zu werden.
Zweitens kündigte der Chef des amerikanischen Chipherstellers Qualcomm, Cristiano Amon, am Ende seines Computex-Auftritts ebenfalls an, das Rechenzentrumsgeschäft zu expandieren. Gross geworden ist das Unternehmen zwar mit der Produktion von Prozessoren für Smartphones. Allerdings hat es den Einstieg in die Produktion von PC-Chips geschafft. Amon ist daher optimistisch, dass auch der Einstieg in das Geschäft mit Rechenzentren gelingen kann.
Drittens wird KI immer mehr in die Endgeräte integriert. Dabei handelt es sich um sogenannte Edge-KI. Sie ist besonders für Firmen wichtig, die ihre Daten ungern in Rechenzentren teilen. Ausserdem verkürzt KI auf dem Gerät die Reaktionszeit, was bei vielen Anwendungen wichtig sein kann.
Im Jahr 2024 haben Qualcomm, Intel und AMD neue Prozessoren vorgestellt, die selbst Notebooks in KI-taugliche Geräte verwandeln sollen. Laut Amon wächst inzwischen die Zahl der Anwendungen rasant, die KI auf Endgeräten nutzen. Kurz nach seiner Rede kündigte Qualcomm gemeinsam mit dem taiwanischen Technikanbieter Advantech die Entwicklung von Edge-KI für das Internet der Dinge an, also für vernetzte Maschinen.
So viel KI kann man aus der heimischen Steckdose holen
Auch Nvidia folgt diesem Trend neben seinem Fokus auf Rechenzentren, allerdings nicht mit sparsamen Chips, sondern wie gewohnt mit hochgerüsteten Rechnern. Im Mittelpunkt stehen die nächsten Generationen von Nvidias 2016 vorgestellter Geräteklasse DGX. «Uns wurde bewusst, dass eine neue Computing-Methode aufgekommen ist», sagte Huang. Nicht mehr der Computer oder der Server sei demnach die Rechnereinheit, sondern das gesamte Datenzentrum. Das erste System habe er an eine gemeinnützige Firma namens Open AI gespendet, so Huang. Dies habe die jetzige KI-Revolution gestartet. Open AI ist einer der führenden Revolutionäre.
Das erste Modell, DGX One, habe noch 300 Pfund, also etwas unter 150 Kilogramm, gewogen, erinnerte sich Huang. In diesem Jahr wurde mit DGX Spark ein gleich starker kleiner KI-Rechner vorgestellt, der auf dem Schreibtisch stehend teilweise die Cloud-Dienste ersetzen kann.
Er sei bereits in Produktion und in Kürze verfügbar. «Und wenn der nicht gross genug für Sie ist, habe ich noch ein Gerät für den Platz neben dem Schreibtisch», sagte Huang und zeigte auf eine Art überdimensioniertes Motherboard. Auf diesem Gerät könne man problemlos ein KI-Modell mit einer Billion Parametern laufen lassen.
Nach Schätzungen von Experten wäre das für die meisten Modelle ausser einigen Exemplaren von Open AI genug – und laut Huang das Maximum für den Hausgebrauch. «Dieser Computer ist die grösste Leistung, die man aus einer heimischen Steckdose herausholen kann», so Huang. «Sie könnten ihn in Ihrer Küche aufstellen.» Aber eben nur gerade, ohne die Sicherung zu überlasten.