Europa kauft Waffen zu teuer und ist von den USA stark abhängig. Diesen Mangel will die EU zumindest teilweise mit einem neuen Programm beheben. Die Schweiz ist ebenfalls eingeladen, daran teilzunehmen.
Armeen und Verteidigungsministerien sind berüchtigt für Verschwendung. Finanziell sind schon viele Einkäufe aus dem Ruder gelaufen, auch in der Schweiz. Aber mittlerweile können sich die Staaten eine solche Nachlässigkeit nicht mehr leisten. Denn ihre finanzielle Lage ist dramatisch: Einerseits müssen sie ihre teilweise maroden Armeen aufrüsten, andererseits machen viele Länder so hohe Defizite, dass Sparen angezeigt ist.
Weil das den Regierungen naturgemäss schwerfällt, ist bei der Finanzierung der Rüstungsausgaben Kreativität vonnöten. Sinnvoll ist es etwa, wenn die Staaten beim Einkauf vermehrt kooperieren und so bei den Lieferanten Mengenrabatte herausholen.
Die EU sucht auch die Schweiz als Verbündeten
In Brüssel haben sich die Botschafter der EU-Länder soeben auf ein Programm geeinigt, das genau das vorsieht und unter dem Titel SAFE läuft. So wird die Kommission am Kapitalmarkt 150 Milliarden Euro aufnehmen und dieses Geld als Darlehen an Mitgliedsländer weiterleiten, die gemeinsam Rüstungsgüter erwerben wollen. Im Fokus stehen dabei Erzeugnisse, bei denen gemäss den Erfahrungen des Ukraine-Krieges in Europa ein besonders grosser Mangel herrscht: Raketen, Drohnen, Artilleriegeschosse und Abwehrsysteme.
Deren Bestände sind nicht nur niedrig, bei der Anschaffung hängen die Europäer auch stark von den Amerikanern ab, deren Haltung zur transatlantischen Partnerschaft unter Präsident Donald Trump zumindest schwankend ist. Mit SAFE verfolgt die EU daher zwei Ziele: die Rüstungsindustrie des Kontinents fördern und europäische Verbündete an sich binden.
So dürfen an Beschaffungen ebenfalls die Ukraine sowie die Länder des EWR und der Efta teilnehmen, zu der auch die Schweiz gehört. Diese kann sich also mit EU-Mitgliedern zusammenschliessen, um Rüstungsgüter zu kaufen, und diese Aufträge können auch an Schweizer Firmen gehen.
Die Schweiz wird von der EU allerdings kein Geld aus dem Darlehenstopf erhalten; sie benötigt dieses aber ohnehin nicht, da sie sich am Kapitalmarkt günstiger als der Staatenbund finanzieren kann. Die Lieferanten der Güter können auch aus den USA oder von anderswo stammen – vorausgesetzt, dass europäische Komponenten immer noch mindestens 65 Prozent des Produktewerts ausmachen.
Polen treibt Europas Verteidigung voran
SAFE ist von der EU-Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen im Februar initiiert worden. Darauf hat vor allem Polen das Projekt vorangetrieben. Das Land hat derzeit die EU-Präsidentschaft inne und die Rüstung zum Schwerpunktthema gemacht.
Polen hat 2024 über 4 Prozent der Wirtschaftsleistung (BIP) für Waffen ausgegeben, so viel wie kein anderer Staat in Europa. Spanien beispielsweise lag bei bloss 1,3 Prozent. In Europa gibt es also ein Trittbrettfahrerproblem: Länder nahe der russischen Grenze investieren viel, ferner gelegene Staaten wenig – wohl auch darauf vertrauend, dass die hochgerüsteten Polen auf Russland abschreckend wirken.
Wunder sollte man vom Programm aber nicht erwarten. So handelt es sich bei der Kreditsumme von 150 Milliarden Euro zwar um einen grossen, aber nicht um einen riesigen Betrag. Immerhin haben die EU-Länder 2024 über 320 Milliarden Euro für die Rüstung ausgegeben.
Zudem werden die Raketen oder Drohnen wohl nicht so rasch in den Kasernen bereitstehen. Einem Kauf geht eine anspruchsvolle Typenwahl voraus. Ferner haben Rüstungsfirmen so hohe Auftragsbestände, dass es zu Wartezeiten kommen dürfte. Die deutsche Firma Rheinmetall etwa hat 2024 einen Umsatz von 9,8 Milliarden Euro erzielt, die Bestellungen und die Rahmenverträge dafür türmen sich aber auf 54 Milliarden Euro.
SAFE könnte aber mindestens in Europa einen Mentalitätswandel auslösen, und zwar dergestalt, dass es zu kostspielig ist, wenn jedes Land bei der Verteidigung das eigene Süppchen kocht. Gedanken macht sich auch die Schweiz. «Wir prüfen Möglichkeiten für die Rüstungszusammenarbeit mit der EU und den Mitgliedsstaaten», sagt Kaj-Gunnar Sievert vom Bundesamt für Rüstung Armasuisse.