Für die Ukraine-Partner war das Gespräch zwischen den Präsidenten der USA und Russlands ernüchternd. Dennoch betonen sie weiterhin die Einheit von Europa und den USA.
Zuweilen sagt die Mimik mehr aus als manches Wort. «Sind Sie besorgt, dass der amerikanische Präsident Donald Trump gegenüber Russland zu sanft auftritt?», fragt ein Reporter die EU-Aussenbeauftragte Kaja Kallas vor dem Aussenministertreffen vom Dienstag. Die Estin holt tief Luft, räuspert sich und schaut zum Himmel. Erst nach fünf Sekunden beginnt sie mit ihrer – letztlich diplomatischen – Antwort und sagt zuerst einmal «well».
Hintergrund der Frage sind die jüngsten Entwicklungen rund um den Ukraine-Krieg. Trump hatte sich am Montag zwei Stunden lang telefonisch mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin unterhalten, der seit über drei Jahren einen erbarmungslosen Angriffskrieg gegen sein Nachbarland führt. Herausgekommen ist dabei wenig: Putin erklärte sich zwar bereit, über «ein Memorandum zu einem möglichen künftigen Friedensvertrag» zu verhandeln – aber zu seinen eigenen, unverrückten Bedingungen. Zugeständnisse machte er keine, von einem Waffenstillstand will er nichts wissen.
Trump liess sich von Putin also erneut hinhalten. Der Republikaner, der im Wahlkampf ein Kriegsende innert 24 Stunden versprochen hatte, teilte in den vergangenen Wochen zwar wiederholt mit, dass er über die Verzögerungstaktik wenig erfreut sei. Den Instrumentenkoffer, der ihm als Reaktion darauf zur Verfügung stünde – notabene harte Sanktionen gegenüber Russland und neue Waffenlieferungen an die Ukraine –, scheint er aber weiterhin nicht anrühren zu wollen.
Ohne die USA geht nichts
Für die Europäer ist diese Situation ungemütlich – und in dieser Hinsicht ist die Szene mit der Chefdiplomatin Kallas symptomatisch: Man will dem Kreml einerseits glaubhaft darlegen, dass eine Fortführung des Feldzuges der russischen Wirtschaft und Gesellschaft einen noch höheren Preis abverlangen würde als bis anhin schon. Gleichzeitig ist man sich bewusst, dass ein Ende der Kampfhandlungen ohne amerikanische Mitwirkung kaum zu erreichen ist. Entsprechend vorsichtig ist Europa gegenüber dem jahrzehntelangen Verbündeten ennet des Atlantiks, so wankelmütig er nunmehr auch sein mag.
Alleine aus den vergangenen zehn Tagen gibt es eine Vielzahl von Episoden, die diese Ambiguität unterstreichen. Bei ihrem Überraschungsbesuch in Kiew vom 10. Mai forderten der deutsche Kanzler Friedrich Merz, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der britische Premierminister Keir Starmer und Polens Regierungschef Donald Tusk von der russischen Regierung eine bedingungslose Waffenruhe innert drei Tagen und betonten ausdrücklich, sich dafür mit den USA abgestimmt zu haben. Wenn der Kreml nicht einlenke, werde es eine «massive Verschärfung der Sanktionen» geben, drohten die Europäer.
Das «unlimitierte Potenzial» Russlands
Doch das Ultimatum verstrich und passiert ist, ausser weiterhin harscher Rhetorik, nichts. Man wollte zuerst die «Friedensverhandlungen» von Istanbul sowie das direkte Gespräch zwischen Putin und Trump abwarten. Dass diese beiden Etappen abgesehen von einem Gefangenenaustausch nichts Zählbares hervorbrachten, ist nun aber spätestens seit Montagabend klar.
Trump scheint gar die Forderung nach einer Waffenruhe, die er noch unlängst selbst aufgestellt hatte, fallengelassen zu haben. Stattdessen schwärmte er auf seinem eigenen Netzwerk – in Grossbuchstaben – vom «unlimitierten Potenzial» Russlands und vom «umfangreichen Handel», der mit den USA möglich sei, wenn das Blutbad dereinst vorüber sei.
Die noch in Kiew beschworene Einheit zwischen den Amerikanern und den Europäern muss man mit der Lupe suchen, für Letztere steht also auch die eigene Glaubwürdigkeit auf dem Spiel. Doch zumindest vorderhand will diese «Koalition der Willigen» den Ton gegenüber Trump nicht verschärfen. Immerhin – das ist für sie die gute Nachricht der Woche – wird nicht (mehr) komplett über ihre Köpfe hinweg diskutiert.
«Gutes Gespräch» mit Trump
So informierte Trump nach dem Telefonat mit Putin auch eine Handvoll Vertreter der europäischen Führungsnationen. Diese hatten danach nur positive Töne übrig für den Konferenz-Call. EU-Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen sprach auf X von einem «guten Gespräch», der finnische Präsident Alexander Stubb von einem «produktiven Anruf», und für den deutschen Kanzler Merz sind «Europa und Amerika hier sehr geschlossen».
Offenbar will man sich das Wunschbild der transatlantischen Achse – auch aufgrund der eigenen Schwäche – so lange aufrechterhalten, wie es irgendwie geht. Wenn man von der Rhetorik absieht, steht Europa mit seiner Position zur Zukunft der Ukraine allerdings wieder ziemlich einsam da.
Kommen nun die Mega-Sanktionen?
In dieser schwierigen Gemengelage will immerhin die Europäische Union ein Bild der Einigkeit abgeben, wie sich am Treffen der Aussenminister zeigte. Sie haben das 17. Sanktionspaket gegen Russland formell verabschiedet. Dieses war allerdings schon seit Wochen in Verhandlung und keine Reaktion auf das abgelaufene Ultimatum. Darum arbeite man bereits am nächsten Sanktionspaket, versicherte die Aussenbeauftragte Kallas.
Kernstück davon soll ein neuer Preisdeckel für russisches Rohöl sein, der derzeit bei 60 Dollar pro Barrel liegt. Der ukrainische Aussenminister Andri Sibiha, der nach Brüssel gereist war, forderte eine Senkung auf 30 Dollar. Auch der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius plädierte dafür, dass «der Strom von Geld», der schon geringer geworden sei, «noch mehr zu einem Rinnsal» werden müsse.
Ob die EU-Staaten in dieser Frage geschlossen agieren, werden die Diskussionen der kommenden Wochen zeigen. Selbst wenn dem so wäre, wäre aber noch nichts gewonnen: Denn um eine tiefere Preisobergrenze auch wirklich umsetzen zu können, braucht es die Zustimmung der G-7-Staaten – und damit der USA.