Erstmals seit 31 Jahren zählt Österreich an einer WM zu den besten acht Teams. Mittlerweile kann das Land auf Topniveau mithalten – auch dank der gelungenen Aufbauarbeit des Ostschweizer Trainers Roger Bader.
Österreich ist eine Skination. Für Eishockey hat man beim östlichen Nachbarn bisher nur wenig übriggehabt. In der Schweiz weckte die Eishockey-Szene Österreichs erst ein gewisses Interesse, als sich der 2010 verstorbene Bündner Rudolf Killias in den 1980er Jahren dort als Nationaltrainer versuchte. Legendär ist eine Medienkonferenz von 1982, während der sich der damalige Schweizer Nationaltrainer Lasse Lilja öffentlich über die Kleidung von Killias lustig machte. Die Anekdote lässt erahnen, wie gering der Respekt damals vor dem österreichischen Nachbarn war. Er wurde verspottet.
Aber die Zeit der abgegriffenen Witze über die Österreicher ist vorbei. Auf Augenhöhe begegnet man sich im Eishockey zwar noch nicht. Und doch ist der Respekt vor den Österreichern hierzulande merklich gewachsen. Das hat auch mit Spielern wie Michael Raffl (Lausanne HC), Dominic Zwerger (Ambri) oder Benjamin Baumgartner (SC Bern) zu tun, die sich erfolgreich in der Schweizer National League behauptet haben und Stützen ihrer Klubteams sind. Und Vinzenz Rohrer ist vor wenigen Wochen zum zweiten Mal Meister mit den ZSC Lions geworden.
Insgesamt stehen im österreichischen Team, das am Donnerstag im WM-Viertelfinal von Herning (ab 16 Uhr 20) auf die Schweiz trifft, vier Spieler aus der National und einer (Oliver Achermann, La Chaux-de-Fonds) aus der Swiss League. Raffl, der auf die kommende Saison hin von Lausanne nach Salzburg zurückkehren wird, ist nach einer Spielzeit voller Verletzungen angeschlagen und steht dem Nationalteam deshalb nicht zur Verfügung.
Roger Bader – ein Mann wie Ralph Krueger
Doch der eigentliche Verbindungsmann bezüglich der Schweiz steht an der Bande: Roger Bader ist der Nationaltrainer der Österreicher. Seit mehr als zehn Jahren arbeitet er in verschiedenen Funktionen für den Verband. Der 60-jährige Uzwiler begann 2014 im österreichischen Nachwuchs und stieg Sprosse für Sprosse die Karriereleiter hoch. Seit 2018 ist er der Headcoach der A-Nationalmannschaft. Die Qualifikation für die WM-Viertelfinals ist sein bisher grösster Erfolg an der Bande der Österreicher.
Am Mittwochvormittag sagte er in einem Telefongespräch mit der NZZ vom Flughafen in Stockholm aus: «Als Nummer 13 in der Weltrangliste in die Top 8 an einer Weltmeisterschaft zu kommen, ist ungefähr gleich einzustufen, wie wenn die Schweiz Weltmeister würde. Das ist quasi unser Weltmeistertitel. Wir haben sieben gute Spiele gezeigt, haben von Tag zu Tag Kleinigkeiten verbessert, und am Dienstag hat alles zusammengepasst. Dann verdient man sich auch das Spielglück.»
Das 6:1 im entscheidenden Match gegen Lettland war eine Art Reifezeugnis und auch eine Warnung in Richtung der Schweizer. Dass Österreich und mit ihm Roger Bader im ersten Viertelfinal seit 31 Jahren nun ausgerechnet auf die Schweiz treffen, ist eine Fügung des Schicksals. Für Bader wird es zur grossen Gelegenheit, Werbung in eigener Sache zu betreiben. Er sagt: «Ich habe in meiner Zeit als Nachwuchscoach von Swiss Ice Hockey viel vom damaligen Nationalcoach Ralph Krueger gelernt. Wie er auf und neben dem Eis gearbeitet hat, hat mich sehr beeindruckt. Ich habe einiges von ihm übernommen.»
Für Bader wird der Viertelfinal gegen die Schweizer zum grossen Schaufenster – nachdem er in der Schweiz nicht immer ganz ernst genommen worden ist. Lange war er eine Art ewiger Assistent. In dieser Funktion wirkte er in den 1990er Jahren beim alten ZSC an der Seite von Arno Del Curto; später war er in Kloten die rechte Hand des legendären Russen Wladimir Jursinow. Doch als Headcoach erhielt Bader in der Schweiz nie eine Chance. Deshalb zog er nach Österreich weiter.
Er braucht keinen Mentor an der Bande mehr
Del Curto arbeitete an den vergangenen Weltmeisterschaften jeweils im Trainerstab der Österreicher mit. Er stand an der Bande und zog damit das Interesse der Medien auf sich. Als Bader an der WM 2022 mit seinem Aussenseiterteam den Klassenerhalt schaffte, schrieb eine Schweizer Zeitung: «Del Curto rettet Österreich.» Die Schlagzeile hat Bader tief getroffen. Unter anderem deshalb verzichtete Del Curto darauf, in diesem Frühjahr erneut bei den Österreichern zu assistieren.
Bader braucht mittlerweile ohnehin keinen Mentor an der Bande mehr. Sein Ansehen ist in Österreich massiv gestiegen. Stefan Grüneis, der Eishockey-Journalist der österreichischen Nachrichtenagentur APA, sagt: «Die Erfolge, die er mit dem Team feiert, sprechen für sich. Bereits vor einem Jahr in Prag hat das Team einen Riesensprung gemacht. Das ist den Menschen in Österreich nicht verborgen geblieben.»
Baders Erfolgsrezept bei der Arbeit mit den Österreichern ist nicht revolutionär: Von Anfang an sagte er, man müsse den Vergleich mit den Topnationen öfter suchen. Dabei geholfen haben ihm allerdings auch die Spieler, die in der National League Erfahrungen sammeln. Mittlerweile können die Österreicher die Grossen nicht nur reizen, sondern auch herausfordern. Bader sagt: «Ich bin glücklich für die Mannschaft, sie ist in Stockholm an jedem einzelnen Tag näher zusammengewachsen.»
2014, im olympischen Eishockeyturnier in Sotschi, hatten die Österreicher den sogenannten Vor-Viertelfinal erreicht. Die Equipe feierte den Erfolg damals im Haus der Österreicher derart ausgiebig, dass sie danach im Match gegen Slowenien unterging und 0:4 verlor. Die Kritik in der Heimat war niederschmetternd. Für viele war das ein weiterer Beweis dafür, dass die Österreicher noch immer nicht reif sind, um auf internationalem Topniveau mitzuhalten.
Doch das hat sich mittlerweile nachhaltig verändert. Auch dank Roger Bader und seiner Arbeit.