Als Second Lady steht sie im Zentrum des Trump-Universums. Aber in vielerlei Hinsicht passt die Westküsten-Anwältin indischer Herkunft nicht dorthin. Ihre Wandlung ist genauso erstaunlich wie diejenige ihres Ehemannes J. D. Vance.
Usha Vance verkörpert vieles, was Trump-Anhänger nicht zur Begeisterung hinreisst: Ihre Eltern sind aus Indien eingewandert, sie stammt aus dem demokratischen Kalifornien, ist Hindu und Vegetarierin, Absolventin einer Spitzenuniversität, arbeitete bei einer linken Anwaltskanzlei und ist nicht blondiert wie viele Frauen im Umfeld des Weissen Hauses, sondern schwarzhaarig, mit Silberfäden. Viel wird über ihre Persönlichkeit und ihre Ansichten spekuliert, aber sie lässt sich kaum in die Karten blicken.
Ihr angekündigter Besuch sorgte für Ärger in Grönland
Politisch hat sich die Frau von Vizepräsident J. D. Vance nie exponiert. Wohl deshalb dachte man im Weissen Haus, es wäre eine gute Idee, sie nach Grönland zu schicken: eine unverdächtige Möglichkeit, amerikanische Präsenz zu markieren.
Am 23. März erklärte sie in einem Video, sie wolle das nationale Schlittenhund-Rennen besuchen, über das sie mit ihren Kindern alles gelesen habe. Sie nannte Grönland beim einheimischen Namen, Kalaallit Nunaat, betonte ihr Interesse an der lokalen Kultur und sprach vom gegenseitigen Respekt zwischen Grönland und den USA. Dass Präsident Trump seit längerem Anspruch auf Grönland erhebt, erwähnte sie nicht.
Vertreter der amerikanischen Botschaft in Grönland gingen derweil von Tür zu Tür, um die Anwohner in der Hauptstadt Nuuk zu fragen, ob sie Usha Vance anlässlich ihres Besuchs persönlich treffen wollten. Niemand wollte. Im Gegenteil. Der angekündigte Besuch und ihr als heuchlerisch empfundenes Video lösten so viel Empörung aus, dass die Hundeschlitten-Visite abgesagt werden musste. Am 28. März besuchte sie stattdessen mit ihrem Mann den amerikanischen Militärstützpunkt Pituffik Space Base auf Grönland.
Die Rollenverteilung erinnerte an das Muster von «Good Cop – Bad Cop», das sich oft bei Staatschefs und First Ladies findet: Während er für die harte Realpolitik zuständig ist, kümmert sie sich um Soziales oder Humanitäres und gibt seinem Kurs ein menschliches Gesicht.
Beeindruckende akademische und juristische Karriere
Nun ist Usha Vance jedoch alles andere als ein liebes Heimchen am Herd. Die 39-Jährige hat einen Bachelor-Abschluss in Geschichte von der Eliteuniversität Yale, unterrichtete ein Jahr lang als Yale-China-Fellow an der Sun-Yat-sen-Universität in Guangzhou Englisch und amerikanische Geschichte, absolvierte ein Master-Studium in früher moderner Geschichte in Cambridge mit einer Arbeit zum Thema «Methoden zum Schutz der Druckrechte im England des 17. Jahrhunderts» und krönte ihre akademische Karriere 2013 mit einem Juris Doctor an der renommierten Law School Yale. Sie gilt als Expertin für Schadenersatzforderungen.
Nach ihrer Promotion wirkte sie für den späteren konservativen Supreme-Court-Richter Brett Kavanaugh und für den ebenfalls konservativen Chief Justice John Roberts. Schliesslich arbeitete sie bis Sommer 2024 in San Francisco in der Anwaltskanzlei Munger Tolles & Olson, die sich selbst als «radikal progressiv» bezeichnet.
Interessanterweise gibt es zahlreiche Parallelen zwischen der ehemaligen Vizepräsidentin Kamala Harris und Usha Vance: Beide kommen aus Kalifornien; auch Harris’ Mutter stammte aus Indien und war, als Biomedizinerin, eine renommierte Akademikerin. Beide wurden schliesslich Anwältin.
Aber wie bei J. D. Vance, der Trump früher scharf kritisierte, stellt sich bei Usha Vance die Frage, inwiefern sich ihre politischen Überzeugungen veränderten und warum. Auch wenn ein Blick in ihre Lebensgeschichte einige Anhaltspunkte liefert, so gibt es doch keinen Schlüsselmoment und keine eindeutige Antwort.
Disziplin, Ehrgeiz und minuziöse Planung
Die Eltern von Usha Bala Chilukuri, wie sie vor ihrer Heirat hiess, waren aus Indien nach Kalifornien eingewandert. Der Vater war Ingenieur, die Mutter Molekularbiologin. Beide arbeiteten an der Universität in San Diego. Unter ihren Vorfahren gibt es eine ganze Reihe von bekannten Akademikern. Laut ihren Mitschülern fiel Usha schon früh durch einen ausgeprägten Ordnungssinn und eine eiserne Disziplin auf. Ein Kommilitone aus Yale beschrieb, wie die Wände ihres Schlafzimmers mit Hunderten von Post-its in verschiedenen Farben bedeckt waren. Sie organisierte solcherart jede Viertelstunde ihrer Woche.
Ihre Bekannten aus jener Zeit berichten aber auch, dass sie bei allem Perfektionismus hilfsbereit war, was in dem kompetitiven Umfeld der Ivy-League-Universität eher eine Ausnahme darstellte. So stellte sie Mitschülern ihre Vorlesungsnotizen zur Verfügung, die ebenfalls nach einem ausgeklügelten System durch verschiedenfarbige Markierungen strukturiert waren. Ihre Kolleginnen stellten schon damals fest, dass sie selbst eher links war, aber ein Flair für konservative Männer hatte.
J. D. Vance, der ebenfalls in Yale studierte, lernte sie 2010 kennen, und zwar in einer Diskussionsgruppe zum Thema «Sozialer Niedergang im weissen Amerika». Die Gespräche lieferten ihm die Grundlage für sein späteres Buch «Hillbilly Elegy», in dem er sein Aufwachsen im Rust Belt mit einer suchtkranken Mutter beschrieb. Bezeichnenderweise bewegten sich beide im Umkreis der chinesisch-amerikanischen Professorin Amy Chua, die 2011 mit dem Buch «Battle Hymn of the Tiger Mother» («Die Mutter des Erfolgs») Furore machte und Vance zum Niederschreiben seiner eigenen Erinnerungen motivierte.
Chuas Buch ist ein Loblied auf strenge Erziehung, Selbstdisziplin, Leistungswillen und Ehrgeiz. Das sind zweifellos auch die roten Fäden in J. D. und Usha Vance’ Biografie. Beide waren Aussenseiter in Yale, gehörten nicht zur alteingesessenen Ostküsten-Elite, aber wollten es nach oben schaffen. Sie spornten sich gegenseitig an, sie ihn allerdings noch mehr als umgekehrt. Viele Wegbegleiter äussern, dass er ohne sie keine solche Karriere als Autor, Investmentbanker und Politiker gemacht hätte. In «Hillbilly Elegy» erwähnt er auch, dass sie ihm Tischsitten beigebracht habe.
Überraschende Wendungen
Die beiden heirateten 2014 in einer interreligiösen Zeremonie. Sie ist Hindu, er kommt aus einem evangelikalen Milieu, war atheistisch eingestellt, trat dann aber 2019 zum Katholizismus über. In einem Interview erklärte das Paar, dass Ushas Spiritualität eine wichtige Rolle gespielt habe bei der neuerlichen Hinwendung ihres Mannes zur Religion. 2014 ist auch eine politische Wegmarke. Bis zu diesem Jahr war Usha eine eingetragene Demokratin, seither nicht mehr. Allerdings bezeichnete sie noch 2021 den Sturm auf das Capitol und Trumps Rolle dabei als «äusserst verstörend».
Inzwischen hat das Paar drei Kinder, und J. D. Vance bezweifelt öffentlich die Rechtmässigkeit der Wahl von 2020.
Während Vance’ Buch «Hillbilly Elegy» auch in linken Kreisen rege rezipiert wurde, galt dies für die Verfilmung von 2020 nicht mehr. Die zum Teil scharfe, grundsätzliche Kritik war für das Paar eine herbe Enttäuschung und führte laut mehreren Weggefährten zu Vance’ endgültiger Abkehr vom linksliberalen Milieu. Im Jahr 2021 hielt er einen Vortrag mit dem Titel «Die Universitäten sind der Feind», in dem er die Ivy-League-Institutionen ins Visier nahm, denen Usha und er selbst den Aufstieg zu verdanken hatten. 2022 wurde er, vor allem dank der Unterstützung Trumps, republikanischer Senator von Ohio.
Anfeindungen von allen Seiten
Im Juli 2024, als J. D. Vance am Parteitag der Republikaner in Milwaukee offiziell zum «Running Mate» von Trump nominiert wurde, trat auch Usha vor die rund 10 000 Zuschauer. Es war ihr erster und vorerst letzter Auftritt an einem grossen politischen Anlass. Er dauerte nur fünf Minuten. Bemerkenswert war, was sie nicht sagte: Sie erwähnte weder Trump noch die Republikaner. Dafür erinnerte sie daran, wie sie Vance kennengelernt hatte: «Ein Typ aus der Arbeiterklasse, der Kindheitstraumata überwand, die ich mir gar nicht vorstellen kann, ein tougher Marine, der im Irak diente, der es schliesslich an die Yale Law School schaffte, der aber am liebsten mit Welpen spielte und Filme wie ‹Babe› schaute.» Sie erwähnte auch, dass J. D. eher ein «Kartoffel-und-Fleisch-Typ» sei, sich aber an ihre vegetarische Ernährung angepasst und von seiner Schwiegermutter sogar gelernt habe, indisches Essen zu kochen.
Nicht alle Trump-Fans waren von diesen Einblicken begeistert. Der Podcaster und Aktivist Nick Fuentes, der den Präsidenten 2022 in Mar-a-Lago besuchte und von der Überlegenheit der «weissen Rasse» überzeugt ist, schrieb: «Was für Werte hat ein Mann, der jemanden heiratet, der so weit von unserer Rasse entfernt und nicht einmal Christ ist, mit einem Sohn namens Vivek?»
Irritation kam allerdings auch vom andern Ende des politischen Spektrums. Alte Weggefährten äusserten Verwirrung über ihre Wandlung. So zitierte die «Washington Post» den Drehbuchautor Chad Callaghan, einen Studienfreund von Usha Vance: «Ich bin überrascht zu sehen, wie sie einen Mann unterstützt, dessen politische Macht auf Angriffen gegen Immigranten und andere Minderheiten basiert.»
«Ich habe gelernt, mir eine dicke Haut zuzulegen», sagt sie zu diesen Attacken lediglich.