Überschattet von der Eskalation im Nahen Osten feierte Präsident Joe Biden die erste Vorwahl der Demokraten in South Carolina mit einem überwältigenden Sieg. Die mehrheitlich schwarze Wählerschaft stand zu ihm. Trotzdem bleibt sein Weg zur Wiederwahl äusserst steinig.
Vorwahlen sind für amtierende Präsidenten in den USA gewöhnlich eine Formsache. Es ist ein ungeschriebenes Gebot, dass der eigene Mann im Weissen Haus nicht von ernsthaften Konkurrenten aus seiner Partei herausgefordert und dadurch geschwächt werden sollte. Dies ist auch in diesem Wahljahr der Fall: Neben Joe Biden standen in South Carolina am Samstag der bisher wenig bekannte Kongressabgeordnete Dean Phillips und die Buchautorin Marianne Williamson auf dem Wahlzettel.
Trotzdem blickten viele Beobachter am Samstag gespannt nach South Carolina. Auch wenn Biden kein politisches Schwergewicht herausforderte, ist er in seiner eigenen Partei nicht unumstritten. Seine abgrundtiefen Zustimmungswerte von derzeit 39 Prozent und sein hohes Alter beunruhigen auch viele Demokraten. Umfragen zeigen zudem, dass Biden besonders bei jugendlichen Wählern, Latinos und Afroamerikanern an Rückhalt verloren hat. Dabei spielt auch Bidens solidarische Unterstützung für Israel im Krieg mit der Hamas eine wichtige Rolle. Viele junge, progressive und nicht-weisse Demokraten sympathisieren mit den Palästinensern.
Entscheidender Rückhalt bei Afroamerikanern
In South Carolina war am Samstag von all diesen Bedenken jedoch kaum etwas zu spüren. Nach Auszählung von 95 Prozent der Stimmen, erhielt Biden über 96 Prozent von diesen. Phillips und Williamson lagen jeweils bei rund 2 Prozent. Die demokratische Wählerschaft in dem Südstaat ist mehrheitlich afroamerikanisch. Und sie scheint fast genauso geschlossen hinter Biden zu stehen wie vor vier Jahren. «Das Volk in South Carolina hat erneut gesprochen», erklärte der Präsident nach seinem Sieg am Samstagabend. «Und ich habe keine Zweifel, dass ihr uns den Weg bereitet habt, um die Präsidentschaft wieder zu gewinnen – und um Donald Trump erneut zu einem Verlierer zu machen.»
South Carolina brachte Biden bereits vor vier Jahren Glück. Damals sah er in den Vorwahlen der Demokratischen Partei bereits wie der sichere Verlierer aus. In Iowa, New Hampshire und Nevada erlitt er bittere Niederlagen. Doch dann trugen ihn vor allem die afroamerikanischen Wähler zu einem deutlichen Sieg. Nach diesem Wendepunkt ging es bis zum Wahlsieg im November 2020 praktisch nur noch aufwärts für Biden.
Der Präsident drängte die Demokraten deshalb dazu, ihren seit Jahren geltenden Kalender für die Vorwahlen umzustellen. Nicht Iowa und New Hampshire mit ihren überwiegend weissen Bevölkerungen sollten zuerst wählen, sondern das demografisch gemischtere South Carolina. Diese Rechnung scheint nun aufgegangen zu sein. Der Südstaat hat Biden auch in diesem Jahr nicht enttäuscht.
Die Nomination seiner Partei für die Präsidentschaftswahl ist Biden nicht mehr zu nehmen. Trotz der vielen Diskussionen um seine Person wagte es kein einflussreicher Demokrat, gegen ihn anzutreten. Das allein ist ein Erfolg. Allerdings darf die spannungsarme Vorwahl in South Carolina auch nicht überbewertet werden. Nur die treusten Wähler nahmen daran teil – insgesamt nur etwa 140 000 in einem Gliedstaat mit rund 5 Millionen Einwohnern.
In Rückstand gegenüber Trump
Bei der Präsidentschaftswahl im Herbst wird Biden wesentlich stärkere Widerstände überwinden müssen. Sein voraussichtlicher Gegner Donald Trump ist zwar ebenfalls bei einer Mehrheit der Amerikaner wenig beliebt. Aber im Gegensatz zur Wahl vor vier Jahren muss Biden als Amtsinhaber nun für alles die Verantwortung tragen, das nicht gut läuft. In erster Linie kämpft der Präsident momentan mit mehreren Krisenherden in der Welt und gleichzeitig kriegt Biden den rekordhohen Zustrom von Migranten an der Südgrenze zu Mexiko nicht in den Griff.
Die amerikanischen Vergeltungsschläge vom Freitag und Samstag gegen proiranische Milizen und militärische Einrichtungen der iranischen Revolutionswächter in Syrien, Irak und Jemen, verdeutlichen, dass diese Eskalation – ausgelöst durch den Krieg zwischen Israel und der Hamas – noch lange nicht eingedämmt ist. Weil die Sympathien in der Demokratischen Partei für Israel auf der einen und die Palästinenser auf der anderen Seite zunehmend gespalten sind, treibt der Konflikt tiefe Risse durch Bidens Wählerschaft.
Viele dieser enttäuschten Biden-Wähler werden zwar kaum für Trump stimmen. Aber sie könnten sich entscheiden, entweder zu Hause zu bleiben oder für einen möglichen unabhängigen Präsidentschaftskandidaten zu stimmen. Auch dies dürfte vor allem Trumps Wahlchancen erhöhen, der in den meisten Umfragen zuletzt vor Biden lag. Selbst in wichtigen Swing States wie Arizona oder Georgia, die Biden vor vier Jahren gewonnen hatte, rennt der amtierende Präsident einem Rückstand hinterher.
Bidens erneuter Sieg in South Carolina vom Samstag heisst deshalb noch lange nicht, dass sich die Geschichte bei den Präsidentschaftswahlen im November wiederholt.