Die Galionsfigur der Klimabewegung und erklärte Palästina-Unterstützerin segelt über das Mittelmeer Richtung Gaza. Sie wolle den Menschen dort Solidarität und Liebe bringen. Tatsächlich inszeniert sie sich vor allem selbst.
Wer ist Greta Thunberg? Die Galionsfigur der Klimabewegung, das wissen alle. Aber auch eine «autistische, bipolare Menschenrechtsaktivistin», wie sie sich selbst in ihrem Instagram-Profil nennt. Jetzt segelt sie zusammen mit elf anderen, nicht weniger fanatisch dreinschauenden Palästina-Romantikern, die im Gegensatz zu Thunberg bisher noch keine medizinische Ausrede für ihre moralische Orientierungslosigkeit geliefert haben, von Sizilien aus nach Gaza.
Die Odyssee vor der effektvollen Kulisse Mittelmeer, vorbei an Frontex und Flüchtlingsbooten, wird auf Instagram genau dokumentiert, inklusive Live-Tracking. Denn etwas anderem als der medialen, symbolischen Selbstinszenierung dient diese Reise nicht. Daraus machen Thunberg und ihre United-Colors-of-Benetton-Segelcrew kein Geheimnis.
Thunbergs messianische Erlösungsphantasie
Die Freedom Flotilla Coalition sei nichts anderes als «revolutionäre Imagination», von der wir alle mehr brauchten, sagt eine magisch denkende Unterstützerin in einem der unzähligen Instagram-Werbeclips, in dem sie Israel aus Abscheu nur «izrl» nennt.
Die Coalition weiss also, dass sie politisch ohnmächtig ist, weshalb ihr nichts anderes übrig bleibt, als die Signature-Blockade der Gegenwart – den Krieg in Gaza, den sie als Genozid verstehen will, verübt vom in ihren Augen illegitimen Siedlerstaat Israel – und das angebliche Schweigen der Weltgemeinschaft imaginär zu durchbrechen.
Im Kern steckt hinter dieser verworren-abstrakten Mission eine tiefgehende messianische Erlösungsphantasie: Sobald die Blockade durchbrochen ist und Israel – erst symbolisch, dann real – verschwindet, was die meisten Coalition-Mitglieder ganz offen herbeisehnen, sollen sich auch alle anderen Übel der Welt, inklusive Klimawandel, angeblich in Luft auflösen. Guter Stoff fürs Antisemitismus-Hauptseminar.
Die «Madleen» wird wohl nie nach Gaza gelangen
Alle wissen also: Die Freedom Flotilla Coalition wird nie in Gaza ankommen, und selbst wenn, wären die in dem kleinen, angeblich nach der ersten Fischerin Gazas benannten Schiff «Madleen» transportierten Essensvorräte bis dahin vermutlich von der Crew selbst aufgebraucht.
Und dann ist da natürlich noch die Angst vor der israelischen Armee. Das «Tel-Aviv-Regime» mache ihn nervös, sagt ein ernst schauender Ire in Leinenoutfit in einem anderen Video – eine Formulierung, die wirklich alles andere als bedrohlich klingt. Es werde schon für den Fall des Flottenabfangs trainiert. Für das Scheitern also, das ohnehin eingeplant ist.
Zwischendrin wird an Deck Gitarre gespielt, Thiago aus Brasilien, der im Februar an Nasrallahs Beerdigung in Beirut teilgenommen hat, singt den Refrain. Er lautet «Break the Siege of the Silence», die anderen summen ergriffen mit. Zum Sonnenaufgang am nächsten Tag läuft folkloristische arabische Musik, ausgewählt von Yasemin, einer deutschen Aktivistin, die einem deshalb bekannt vorkommt, weil sie in Berlin bei jeder propalästinensischen Besetzung von Uni-Sälen oder Verhinderung von Veranstaltungen mit israelischen Teilnehmern am lautesten brüllt.
Thunberg gibt mit zitternder Stimme Interviews im Live-Stream, in denen sie stolz erklärt, dass sie gerade ihr Leben riskiere und so schnell hintereinander Genozid, ethnische Säuberung und Besatzung sagt, dass sie sich verschluckt.
Die anderen Crewmitglieder filmen sich währenddessen gegenseitig in «I Love Gaza»-T-Shirts und fangen immer wieder an zu weinen, wenn sie von ihrer unumgänglichen Mission erzählen, den Menschen in Gaza Solidarität und Liebe zu bringen. Ausserdem gibt es stündliche Updates zu bedrohlichen Situationen. In dicke Rettungswesten gehüllt erzählen die Guerillakämpfer, dass sie seit Dienstagabend immer wieder von furchteinflössenden Drohnen umsurrt werden, und fordern panisch mehr mediale Aufmerksamkeit, weil das ihr einziger Schutz vor den Israeli sei. Dabei wird ihr einziger Schutz am Ende vermutlich die sie sicher an Land begleitende israelische Küstenwache sein.
Auf der Route der «Exodus»
Das alles ist eher lustig als ernst zu nehmend, denkt sich vermutlich nicht nur der Mossad, sondern auch die Hamas. Es erinnert an die 1970er Jahre, an identitätslose Antiimperialisten aus Europa und Lateinamerika, die in den Nahen Osten reisten, um für die palästinensische Sache zu kämpfen. An nichtarabische, mittelalte Frauen und Männer in Arafat-Tüchern, die heute auf der Sonnenallee in Berlin-Neukölln von Arabern entweder angeflirtet oder ausgelacht werden.
Es erinnert ausserdem daran, dass Thunberg und ihre Segelkameraden seit dem 7. Oktober kaum ein Wort darüber verloren haben, dass palästinensische Berufsterroristen halbtote Israeli in Tunneln und Käfigen wie Tiere halten und offen zugeben, alle Juden der Welt umbringen zu wollen. Stattdessen eignen sie sich lieber, im Namen des palästinensischen Volkes, das Leid der einst durch die Nazis verfolgten Juden an.
Oder ist es etwa reiner Zufall, dass die Route der «Madleen» beinahe dieselbe Route ist, die vor fast 80 Jahren die «Exodus» zurücklegte? Das überfüllte, marode Flüchtlingsschiff war im Sommer 1947 in Frankreich ausgelaufen, um fast 5000 europäische Holocaust-Überlebende über das Mittelmeer in das britische Mandatsgebiet Palästina zu bringen.
Ein paar Kilometer vor ihrem Ziel wurde sie von den britischen Kolonialhütern abgefangen und nach brutalen Gefechten an Bord des Schiffes gekapert. Die jüdischen Passagiere wurden ausgerechnet in deutsche Internierungslager deportiert, nach Pöppendorf und Am Stau bei Lübeck, was die Kälte und Empathielosigkeit der eben erst im Krieg siegreichen englischen Alliierten demonstrierte.
Die «Exodus» wurde zum Symbol für den jüdischen Überlebenswillen, und aus «revolutionärer Imagination» wurde knapp zehn Monate später ein moderner, demokratischer jüdischer Staat – das Paradebeispiel für einen erfolgreichen antikolonialen Befreiungskampf. Gut möglich also, dass Thunberg und ihre Crew insgeheim darauf hoffen, bald in Gefängnissen in Pöppendorf oder Am Stau zu sitzen.