Politisch unbedarft, selbstverliebt und überschätzt: eine Abrechnung mit den Filmdarstellern.
Die neusten Schlagzeilen aus Hollywood: «Emilia Pérez»-Star Zoe Saldaña (47) erklärt, ihre Oscar-Statue sei «trans» und trage die Pronomen «they/them». Dann eine Wortmeldung von Johnny Depp (62): Er blickt zurück auf die Schlammschlacht mit Amber Heard und bereut nichts. «Das Abendessen von vergangener Woche kann man auch nicht mehr ändern», sagt er.
Ausserdem erreichen uns Neuigkeiten von Al Pacino (85). Er war beim Papst. Der «Godfather» ist der erste Hollywoodstar, der eine Audienz beim Stellvertreter Christi bekommen hat. Pacino schenkte dem Pontifex einen Maserati, allerdings nur en miniature. Der Schauspieler dreht ein Biopic über die Maserati-Brüder, deshalb das Mitbringsel.
Mehr ist über den Besuch nicht bekannt. Eine gute Woche ist er ausserdem schon her. Kalter Kaffee, eigentlich. Aber es gibt sonst nichts zu vermelden. Es herrscht Flaute. Wieso ist es so ruhig um die Stars und Sternchen?
Gut, ein paar wenige waren demonstrieren. Dagegen, dass Trump seinen Geburtstag mit militärischen Ehren gefeiert hat. Die Stars mischten sich unters Volk bei der «No Kings»-Parade. Zumindest zwei, drei: Mark Ruffalo, Susan Sarandon, Bob the Drag Queen.
Gegen Israel
Mark Ruffalo ist beispielhaft für den Typ Hollywoodstar, der im Nebenberuf Aktivist ist. Auf Social Media kämpft der «Hulk»-Darsteller gegen Chemikalien, die in Alltagsprodukten verwendet werden. Wütender noch macht ihn einzig Israel: Wenn es etwas gegen Israel zu unterschreiben gibt, setzt er seinen Namen unter jeden Wisch.
Am Rande der «No Kings»-Veranstaltung identifizierte Ruffalo die Triebkräfte des Bösen: Neben Trump sind es Putin, Kim Jong-un und Netanyahu. Aber eigentlich war er wegen der Innenpolitik gekommen: Ruffalo trug eine Mütze mit der Aufschrift «Immigrant».
«Nicht Immigranten sind die Kriminellen», führte der Mann aus Wisconsin den Gedanken gegenüber den anwesenden Medien aus. Vielmehr hätten «Milliardäre, Spinner und die Brigaden von der Einwanderungsbehörde» die Macht übernommen und bereicherten sich nun auf Kosten des einfachen Mannes.
Stars gehen in Klausur
So weit die Expertise von Mark Ruffalo. Sie zeichnet sich nicht unbedingt durch analytische Schärfe aus. Bemerkenswert ist, wenn, dann die Ausdauer, mit der Ruffalo seine Anliegen vorbringt. Denn im Gegensatz zu ihm ist das Gros seiner Kollegen in Klausur gegangen.
Die Hollywoodgrössen müssen gemerkt haben, dass ihr Kampf gegen Trump nichts gebracht hat. Sie halten sich aber nicht nur aus der Politik raus. Bei Filmfestivals gab es zuletzt Protestschreiben von Journalisten, weil die Prominenten partout keine Interviews geben wollten. Immer öfter meiden Stars Begegnungen mit den Medien. Nicht, weil Journalisten gerne etwas schmuddelig sind. Oder vielleicht auch deshalb.
Doch eher ist es die Angst, beim Interview etwas Falsches zu sagen. Shitstorms sind schnell passiert. Keine Aussage verschwindet mehr aus dem Netz. Wenn sich Stars dennoch für Interviews hergeben, dann sind sie häufig undankbare Gesprächspartner. Denn weder trauen sie sich, etwas zu sagen, noch haben sie etwas zu sagen. Bitter, aber wahr: Stars wissen auch nicht besser Bescheid als alle andern. Wenn schon, lehrt die eigene Erfahrung aus ein paar hundert Interviews das Gegenteil: Filmschauspieler sind eher einfach gestrickt.
Man sollte es ihnen nicht vorhalten. Viele haben vergleichsweise kurze Bildungswege beschritten. Der Drang, die Leinwand zu erobern, verträgt sich schlecht mit akademischen Ambitionen. Wer sich darstellerisch verwirklichen möchte, studiert nicht Astrophysik oder griechische Philologie und auch nicht unbedingt die Zeitung. Zum guten Schauspieler taugt eher der Schulabbrecher, der seine überschüssige Energie umwandeln muss. Eine Strassenkatze wie Pacino, ein schräger Vogel wie Joaquin Phoenix.
Oder das verschüchterte Kind, das merkt, wie gut ihm die Aufmerksamkeit tut: «Im Schultheater konnte ich weinen, und die Leute haben geklatscht», sagt Emma Stone. Eine leichte Impulskontrollstörung ist nicht die schlechteste Voraussetzung für die Filmschauspielerei.
Narzissmus gehört dazu
Verhaltensauffälligkeiten machen aber noch keine interessante Persönlichkeit. Der Filmschauspieler ist tendenziell ein schlichtes Gemüt. Sein Streben ist allzu offensichtlich, egal wie sehr er es in Abrede stellt: Er möchte gesehen werden. Wer die Leinwand erobern will, sucht die Aufmerksamkeit – was denn sonst? Ein Star, der behauptet, dass ihm der Ruhm unangenehm sei, ist wie ein Bankräuber, der vorgibt, sich nicht fürs Geld zu interessieren.
Schauspieler stellen sich nicht hinten an. Sie produzieren sich ungeniert. Im Grunde sind sie «cringe», wie man heute sagt. Sie spüren sich nicht. Allerdings wäre das auch nur hinderlich: Vor dem Kameraauge darf einem nichts unangenehm sein. Kein Darsteller, der nicht auch ein Selbstdarsteller ist. Narzissmus und Exhibitionismus gehören gleichermassen zum Jobprofil.
Jetzt mag man einwenden, dass es sich mit Musikern oder Komikern kaum anders verhält. Die Besonderheit bei Filmdarstellern ist allerdings, dass sie keinen eigenständigen Output haben. Das Drehbuch gibt die Zeilen vor, die Regie regelt das Wesentliche. Der Schauspieler hat auszuführen, was der Stoff verlangt. Entsprechend durchlässig sollte er vom Typ her sein. Wandelbarkeit verträgt sich schlecht mit einer allzu dominanten Persönlichkeit. Windige Typen bringen die nötigen Voraussetzungen mit. Der beste Schauspieler ist ein Aal.
Andererseits macht genau dies die Filmschauspielerei attraktiv: Der Beruf setzt nicht viel voraus. Man muss nicht schnell rennen können oder gut sein im Rechnen. Und früh aufstehen auch nur, wenn die Maske etwas komplizierter ausfällt. Dass die rund 30 Drehtage, die es für einen Film braucht, allenfalls ausreichen für ein stattliches Jahreseinkommen, macht die Sache erst recht verlockend.
Und natürlich kann ein starker Schauspieler Akzente setzen. Geniale Schauspieler schreiben Kinogeschichte. Was wären die Filme mit Marlon Brando ohne Marlon Brando? Ein Daniel Day-Lewis hebt alles auf ein anderes Level, genauso DiCaprio, eine Frances McDormand, Jessica Chastain.
Aber je länger, je mehr machen selbst Ausnahmekönner keinen Unterschied mehr. Das gehört zur Tragik des Gegenwartsschauspielers. Denn die Menschen gehen immer weniger wegen der Stars ins Kino, und immer weniger gehen sie überhaupt ins Kino. Nehmen wir Wes Anderson: Ein Verkaufsargument für seine Filme war stets das sagenhafte Staraufgebot. Kein Regisseur bietet so üppig Berühmtheiten auf. Vor zehn Jahren verkaufte «The Grand Budapest Hotel» in der Schweiz 200 000 Tickets. Der neue Film, «Phoenician Scheme», verbuchte noch 17 000 Eintritte.
Als Zugpferde taugen die Stars kaum noch. Überraschend ist das nicht. Die einen trauen sich nichts mehr. Dadurch sind sie beliebig geworden. Andere steigern sich in einen plumpen Aktivismus hinein. Und schrecken das Publikum vielleicht sogar ab. Wer Mark Ruffalo als Wutbürger gesehen hat, mag ihn sich als «Hulk» schenken.
Kommt noch hinzu, dass die Stars von der darstellerischen Qualität her oft überschätzt sind. Gute Schauspielerinnen und Schauspieler erkennt man daran, dass sie selbst in katastrophalen Filmen noch passabel sind. Allerdings bestehen die wenigsten diesen Lackmustest. Handkehrum sind handwerklich eingeschränkte Schauspieler bei brillanten Regisseuren plötzlich toll. Tom Cruise bei Paul Thomas Anderson («Magnolia»), Matt Damon bei Gus Van Sant («Good Will Hunting»). Mit dem richtigen Regisseur wurde schon so mancher Blindgänger zum Charakterdarsteller.
Gleichzeitig bleibt der Durchbruch für die grosse Mehrheit ein unerfüllter Traum. Ob aus der Karriere etwas wird, ist unberechenbar. Die meisten Darsteller leben am Existenzminimum. Eigentlich müssten sie auf die Strasse gehen. Gegen die Hollywoodstars, die sich auf Kosten des einfachen Mannes bereichern.