«Jurassic World Rebirth» ist ein schön altmodischer Sommerfilm. Doch dafür, dass die Welt das grösste Artensterben seit dem Ende der Dinosaurierzeit verzeichnet, hat er erschreckend wenig zu sagen.
Kaum jemand interessiert sich noch für Dinosaurier. Zumindest nicht in der Welt von «Jurassic World Rebirth», dem jüngsten Ableger der inzwischen selbst vorzeitlich anmutenden Blockbuster-Reihe. Plastiksaurier werden im Müll entsorgt, Freizeitparkattraktionen werden abgebaut, Museen mit ausgestopften Urzeittieren müssen zusperren. Das Spektakel ist beendet.
Aufgrund der klimatischen Bedingungen, so die dramaturgische Begründung, haben sich die wenigen überlebenden Dinos auf verlassenen Inseln am Äquator versammelt. Die anderen siechen in Grossstädten dahin, und keinen kümmert es. Die Gesellschaft überlässt die Tiere sich selbst und verdrängt, dass es sie überhaupt gibt. In der echten Welt steht es freilich nicht so schlimm um das öffentliche Interesse am Dino-Ereignis.
Sämtliche Filme der jüngsten Trilogie haben weltweit mehr als eine Milliarde Dollar eingespielt. Kein Wunder also, dass es schon wieder einen Ableger gibt, den siebten inzwischen. Da schrecken Universal und Steven Spielbergs Amblin Entertainment nicht vor den üblichen ausbeuterischen Praktiken zurück, für die die Schergen in der Filmreihe gnadenlos bestraft würden. Ob der neueste Ableger nun ein Sequel oder ein Reboot ist, bleibt unklar. Er folgt jedenfalls auf jene Ereignisse, durch die sich die Dinosaurier auf der ganzen Welt ausgebreitet haben.
Lustlose Scarlett Johansson
Diesmal ist es eine raffgierige pharmazeutische Firma, die eine Möglichkeit entdeckt, aus dem genetischen Material überlebender Saurier eine Medizin herzustellen, mit der sich viel Geld verdienen lässt. Eine Gruppe soll auf eine Insel zum Äquator reisen, um Blutproben zu nehmen.
Dazu zählen die üblichen Typen, die in solchen Filmen ans Ende der Welt reisen, um sich selbst zu entdecken oder rasch zu sterben. Zora, eine abgezockte Söldnerin mit gutem Herzen, die lustlos von Scarlett Johansson gespielt wird. Der Mann mit dem Boot (Mahershala Ali). Der nerdige Wissenschafter (Jonathan Bailey). Der zwielichtige Geschäftsmann (Rupert Friend) und die ganz zufällig in die Geschehnisse verstrickte Familie.
Alle tragen ihre Traumata mit sich, und manche kennen sich von früher. Bei den Dialogen ist man wieder einmal froh, wenn die Taten sprechen. Es geht ohnehin um die Dinosaurier-Action, und als Survival-Horror für die ganze Familie amüsiert der Film durchaus, was vor allem am guten Raum- und Zeitgefühl des Regisseurs Gareth Edwards liegt.
Eine Sequenz, in der ein Schlauchboot ein paar Meter vor einem schlafenden Tyrannosaurus Rex aufgeblasen wird, beweist einmal mehr, wie stark sich Spannung im Kino an dem entzündet, was zugleich gesehen und nicht gesehen wird. Das gilt auch für die teilweise aufregend gestalteten Dinosaurier, die Edwards oft nur angeschnitten zeigt oder im Verborgenen andeutet, damit die Imagination den Rest erledigen kann. Handwerklich ist das gefällig und angenehm unaufgeregt.
Insbesondere die immer wieder mit den Söldnern in Berührung kommende Familie, die in den Segelferien auf Wassersaurier trifft und bald auf der Insel strandet, überzeugt mit einer überraschenden zwischenmenschlichen Dynamik. Das Rad wird hier nicht neu erfunden, aber Edwards setzt die Hunderte Millionen Dollar an Produktionskosten auch nicht in den Sand. «Jurassic World Rebirth» ist ein solider, ein bisschen altmodischer Sommerfilm. Er langweilt nicht. Aber ist das genug?
Das Aussterben ist greifbar
In einer Welt, die sich ihrer eigenen Endlichkeit bewusster ist als je zuvor, sollte sich ein Film über ausgestorbene Wesen anders gestalten als vor dreissig Jahren. Immerhin verzeichnet die Erde laut WWF das grösste Artensterben seit dem Ende der Dinosaurierzeit. Ein Viertel der Säugetierarten, jede achte Vogelart, ein Drittel der Haie und Rochen sowie fast die Hälfte aller Amphibienarten sind bedroht. Nie war das Aussterben so greifbar. Das wäre nur ein möglicher Anlass, um die Reihe in die heutige Zeit überzuführen.
Aber trotz der im Film verhandelten Frage nach der öffentlichen Zugänglichkeit wissenschaftlicher Daten und Erzeugnisse verbleibt das Drehbuch in altbewährten Mustern. Das liegt auch an David Koepp, der bereits die Adaption von Michael Crichtons Romanvorlage für den ursprünglichen Film übernahm und der sich hier mehr um selbstwichtige Nostalgie als um einen neuen Ansatz bemüht. Die Menschen leben noch immer so, als wäre die Zukunft unendlich.
Die Beziehung zu den Tieren kennt nur zwei Register in diesem Film: Die Menschen schützen oder bekriegen sie. Ihre dominante Rolle wird weiter nicht hinterfragt. Diskurse der letzten Jahrzehnte scheinen an den Machern von «Jurassic World» vorüberzugehen, obwohl sich ihr Film genau im Spannungsfeld zwischen menschlichem Erhaltungstrieb und dem ökologischen Bewusstsein für die Zukunft des Planeten bewegt.
Es gelingt dem Film bei aller Unterhaltung durchaus, die Gewalt eines Maschinengewehrs gegenüber einem hilflosen Lebewesen greifbar zu machen. Aber daraus wird letztlich nur wieder die Ruchlosigkeit eines Einzelnen. Das Gute im Menschen an sich darf gemäss den Blockbuster-Regeln nicht zur Disposition gestellt werden.
Auf Niedlichkeit getrimmt
Die ethische Frage des Films erschöpft sich im abgenutzten Balanceakt zwischen der Furcht vor dem Monströsen und dem Mitleid mit fremden Lebewesen. Am überzeugendsten stellt sie sich beim Anblick der mutierten Dinosaurier, Opfer von Gentests, die einst auf der Insel durchgeführt wurden. Sie sind gerade aufgrund des menschlichen Eingriffs in ihre DNA grausam anzusehen, und man weiss nie, ob der Ekel, den man bei ihrem Anblick verspürt, eigentlich Scham vor den menschlichen Untaten ist.
Mit Dolores, einem pflanzenfressenden Nachwuchs-Aquilops, entlarvt sich der Film dagegen so unbedarft wie nur denkbar als Werbespot für Spielzeug. Das Wesen, das eine Freundschaft mit einem Mädchen eingeht, ist derart auf Niedlichkeit getrimmt, dass man fast erwartet, ein Preisschild könnte eingeblendet werden, wenn es durchs Bild torkelt.
Überhaupt herrscht eine Hierarchie der Lebewesen, die mit deren Aussehen zu tun hat. Je monströser, so scheint es, desto leichter fällt das Töten. Vielleicht kann man nicht mehr erwarten von einer solchen Hollywoodproduktion. Es bleibt aber unklar, was die Macher der Reihe selbst erwarten.
Im Vergleich zu «Planet of the Apes» oder «The Hunger Games» wagt «Jurassic World» jedenfalls sehr wenig. Stattdessen diese eigentümliche Selbstbeweihräucherung mit Bildzitaten, etwa der Silhouette des T-Rex hinter einer von Scheinwerfern angestrahlten Nebelwand.
Man kommt nicht mehr ins Staunen
Dazu passt auch, dass der Film sein Bestes gibt, um die mit Spielberg verbundene kindliche Begeisterung in glänzenden Augen und mit aufgerissenen Mündern als überlebensgrosse Kinomagie auf die Leinwand zu holen. Insbesondere eine Sequenz mit riesigen sich paarenden Titanosauriern auf einer idyllischen Wiese schwingt sich etwas bemüht in die Sphären der Überwältigung.
Diese Rückeroberung des Staunens ist ein seltsames Anliegen des Films. Implizit wird so die Begeisterung für Dinos mit der Liebe zum Kino gleichgesetzt. Als wäre das Kino nur Spektakel, als liesse sich nur über das Unglaubliche staunen. Dabei ist die Frage doch, ob Kinozuschauer dieses Staunen wirklich verlernt haben oder ob es heute schlicht nicht möglich ist, beim Anblick von Computeranimationen in Ehrfurcht zu erstarren. Man kann letztlich immer nur die technische Brillanz bewundern, niemand vergleicht heutzutage das Gesehene mit der Wirklichkeit.
Die Geheimnisse des Unvorstellbaren sind mit Computereffekten beantwortet. Die Dinosaurier interessieren noch, wie sie animiert werden, weniger. Vielleicht ist es bezeichnend, dass gerade die Mutanten im Film den Schrecken verbreiten sollen. Der gewöhnliche Velociraptor reicht nicht mehr. Heute ist selbst die ausgestorbene Wirklichkeit zu unspektakulär für das Kino, in dem weiterhin die Regel gilt: Aussterben tut nur, wer nicht genug in die Kassen spült.
Im Kino.