Ozzy Osbourne schuf im Laufe seiner Karriere mehrere neue Musikgenres. Den Heavy Metal hat er zusammen mit seiner Band Black Sabbath geprägt. Nun ist der an Parkinson erkrankte Sänger im Alter von 76 Jahren verstorben.
John Michael Osbourne konnte keinen längeren Satz lesen – und erst recht keinen schreiben. Er litt an ADS und Dyslexie. Um seine Minderwertigkeitskomplexe zu kaschieren, rettete er sich in eine Flucht nach vorn: Aus John Michael, am 3. Dezember 1948 in Birmingham geboren, wurde allmählich Ozzy, der Madman, der durchgeknallte, der unberechenbare, aber stets unterhaltsame Clown.
Sein Abschlusszeugnis bescheinigte ihm nicht mehr, als eine Schule besucht zu haben. Damit standen seine Chancen in der heruntergekommenen und kriegsversehrten Industriemetropole Birmingham schlecht. Er arbeitete zunächst als Klempner, in der metallverarbeitenden Industrie, dann zeitweise als Autohupen-Stimmer, schliesslich im Schlachthof. «Endlich etwas, das mir Spass machte», erinnert er sich in seiner Autobiografie.
«Ozzy Zig needs a gig»
Die Beatles sorgten für einen Erweckungsmoment. Auch sie stammten aus Arbeiterfamilien. Und hatten es rasch zu etwas gebracht. Das faszinierte Ozzy. Weil er kein Instrument spielte, wollte er singen. Und wenigsten aussehen wie ein Musiker. Er liess sich Tattoos stechen, lief barfuss herum und trug einen Wasserhahn um den Hals.
Sein Vater aber streckte ihm Geld für eine Gesangsanlage vor; er ahnte wohl, dass der Sohn es ernst meinte. Und irgendwann hängte der dann einen Zettel in ein lokales Musikaliengeschäft: «Ozzy Zig needs a gig!» Der Beiname war allein dem Reim geschuldet.
Der bereits überregional bekannte Gitarrist Tony Iommi versuchte es mit ihm – wenn auch widerwillig, als er erkannte, wer sich hinter dem Namen Ozzy Zig verbarg: der schräge Vogel von damals aus der Schule. Der Schlagzeuger Bill Ward konnte Iommi immerhin mit dem Hinweis darauf überzeugen, dass Ozzy eine Gesangsanlage beisteuerte. Das Zusammenspiel funktionierte, weil man sich rasch einig war, was man bestimmt nicht spielen wollte: «den süsslichen Hippie-Scheiss, der die ganze Zeit im Radio lief». Die Band einigte sich stattdessen auf harten, schweren Blues-Rock.
Ozzy kannte auch noch einen Bassisten, Geezer Butler. Damit war die Polka Tulk Blues Band komplett. Auf die Ochsentour durch die Heimatklubs folgten bald überregionale Engagements. Dann die erste Umbenennung. Als Earth reisten die Musiker auf den Kontinent und ergatterten 1969 ein Engagement im Hamburger «Star Club».
Gleich mehrere neue Genres
Nach diesem Trainingscamp mit mehreren Gigs am Tag war die Band routiniert und abgehärtet. Düstere Akkordfolgen um den als Teufelsintervall bekannten Tritonus verliehen ihrem Heavy-Blues eine unheimliche Aura.
Zurück in England, nannte sich die Band schliesslich Black Sabbath. Ihre Songs entsprachen der Okkultismus-Mode und der Desillusionierung in den ausgehenden sechziger Jahren so gut, dass die Plattenindustrie nicht länger an dieser Band vorbeikam.
Das Album «Black Sabbath» erschien im Februar 1970. Die Kritiker verrissen es fast einhellig wie auch alle Nachfolger. Das Publikum jedoch war hellhörig genug für die Originalität dieser Rocker, die mit ihrem Debüt sowie mit den folgenden drei Alben, «Paranoid», «Masters of Reality» und «Vol. 4», mehrere neue Genres schufen: Heavy Metal, Black Metal, Doom Metal, Stoner Rock. Und das machte sie reich.
Zeichen des Erfolgsdrucks
Es folgten die klassischen Stationen einer grossen Rocker-Karriere: Tour auf Album, Album auf Tour. Die Kreativität litt bald unter dem zermürbenden Zugriff der Plattenfirma sowie unter einem Manager, der die Band nahezu entmündigte und in die eigene Tasche wirtschaftete. Gleichzeitig blähten sich die Egos der Musiker in Rekordzeit in gigantische Dimensionen. Im Zeichen des Erfolgsdrucks nahmen sie immer mehr Drogen, es kam zu Zusammenbrüchen und schliesslich zu musikalischen Differenzen.
Ozzy verliess Black Sabbath. Er hatte dabei das kaum fassbare Glück, nach Iommi erneut auf einen genialischen Musiker zu treffen: auf Randy Rhoads. Mit ihm als musikalischem Direktor startete er seine Solokarriere fulminant. Die Kollaboration zeitigte mit «Blizzard of Ozz» und «Diary of a Madman» zwei weitere Genre-Klassiker. Dann aber starb Rhoads tragisch bei einem Flugzeugunglück. Diesen Tod sollte Ozzy nie richtig verwinden. Auch künstlerisch nicht.
Aber Ozzy machte weiter mit anderen Gitarristen und grossem kommerziellem Erfolg. Einen erheblichen Anteil daran hatte seine Frau, Sharon, als Managerin. Als Ozzy vom Lollapalooza-Festival verschmäht wurde, stellte sie ein eigenes Festival auf die Beine, das Ozzfest, das sich in der Szene sofort etablierte. Ihr grösster Coup war allerdings der Reality-Sitcom-Dauerbrenner «The Osbournes» auf MTV. Sie brachte den selbsternannten «Prince of Darkness» in die Wohnzimmer der Welt – und machte ihn weit über die Grenzen der Musikszene hinaus bekannt. Manchmal allerdings machte sie ihn auch zur Lachnummer.
Kröten fürs Geschäft
Trotz seiner jahrzehntelangen Drogen- und Alkoholsucht, deren Folgen im Fernsehen kaum zu übersehen waren und die psychisch wie physisch tiefe Spuren hinterliess, trotz einigen Seitensprüngen, Exzessen und einem Mordversuch im Delirium hielt Sharon die gemeinsame Firma auf Kurs. Vielen Fans galt sie als Ozzys Chefin, die ihn herumschubste und von Show zu Show hetzte. Aber man durfte Ozzys eigenen Ehrgeiz nicht unterschätzen. Wenn es dem Geschäft dienlich war, schluckte er Kröten.
Sogar mit seiner Stamm-Band versöhnte er sich wieder. Seit den späten neunziger Jahren kam es zu mehreren Reunions mit Black Sabbath, die vor allem das kanonische Frühwerk zelebrierten. Am Ende fanden sich Ozzy, Iommi und Butler (wenn auch ohne Bill Ward) noch einmal im Studio zusammen. Unter den treusorgenden Händen Rick Rubins entstand «13» – ein monumentaler, ein würdiger Schlussstein ihres gemeinsamen Lebenswerks.
Aber Ozzy gab auch danach keine Ruhe, rekrutierte bewährte Sidekicks und tourte als Solokünstler weiterhin unermüdlich durch die Welt, so seine nicht mehr ganz taufrische Konstitution es zuliess. 2019 musste er eine Europa-Tour absagen, weil eine verschleppte Bronchitis ihn ins Krankenhaus brachte. Nun ist der an Parkinson erkrankte Sänger 76-jährig verstorben.