Der neue Flitzer hat einen illustren Vorfahren der Turiner Marke aus den 1960er Jahren. Wie legendäre italienische Wagen wird er nur in Kleinserie gefertigt. Das weckt Begehrlichkeiten und schafft ein Erfolgsrezept. Vielleicht.
Den Alfa Stradale 33 muss man erst einmal sacken lassen, so lange, wie er sehr flach auf den Boden gestreckt da so vor uns steht, beim ersten Blickkontakt im Centro Stile von Alfa Romeo. Man muss den Anblick sacken lassen, wie man einen Hefeteig für eine anständige italienische Focaccia liegen lässt, damit er schön aufgeht, geschmeidig gummig zum Weiterverarbeiten. Um darüber nachzudenken, wie viel Sinn so ein Auto macht.
Der Vergleich mit der italienischen Küche lässt uns im Zusammenhang mit diesem besonderen Auto aus der Feder von Alejandro Mesonero-Romanos, Chefdesigner bei Alfa Romeo, nicht mehr los, denn der Alfa Stradale 33 ist eine Macchina gewordene Minestrone. Aufgebaut auf der gleichen Basis, auf der auch der Maserati MC 20 entstanden ist, dieser von so vielen Autoliebhabern hochgelobte Sportwagen. Sein Herz ist ein 2,9-Liter-V6-Motor, aus dem Quadrifoglio-Regal, der zusätzlich etwas Leistung gewonnen hat.
Es kursieren wilde Gedankenspiele, wie viele Komponenten bei Ferrari, Alfa Romeo selbst oder gar vom Maserati MC 20 abgeschaut wurden. Wie bei diesem gibt es wahlweise auch einen Elektroantrieb. Das Design des Autos stammt nicht nur vom Spanier Alejandro Mesonero-Romanos, es haben noch zwei weitere, sehr junge Köche in der Suppe gerührt: César Barreau am Exterieur, Ivan Garcia am Interieur.
Ausgesuchte Anspielungen an die Historie
Die drei Gestalter haben einen Cocktail aus alt und neu zu mixen versucht. Die Inspiration zu diesem Auto hat ein seltenes historisches Stück alfistischer Renngeschichte geliefert, der Alfa Romeo Tipo 33 Stradale, der ab 1967 in sehr kleiner Stückzahl gebaut wurde, als Rennauto jedoch nicht sonderlich erfolgreich war. Schön war er allerdings – manche meinen, das schönste Rennauto von Alfa Romeo.
Zumindest erklärt dies, warum man dem neuen Stradale 33 diesen Namen gegeben hat. Eine Retro-Übung soll es dennoch nicht sein, beteuert das Dreiergestirn Mesonero-Barreau-Garcia. Eine Verwandtschaft ausser dem Familienstamm muss man optisch denn auch suchen, es gibt ein paar optische Anspielungen an den historischen Boliden. Und natürlich die Farbe Rot, in zwei Varianten übrigens, satt und glänzend. Wer das nicht mag, kann den 33 auch in «Alfa Romeo Blau» bestellen.
Die Marke folgt mit diesem Modell einem Trend, der in der Luxusgüterindustrie seit vielen Jahren Erfolg bringt: Verknappung. Den Stradale gibt es nur 33 Mal, er war praktisch bei Baubeginn ausverkauft, 33 Kunden konnten ihn sich nach einem Baukastensystem konfigurieren.
Wer sind diese Kunden, die bis Anfang 2026 nach und nach ihre individuellen Alfa Rome Stradale 33 bekommen? «Alfisti mit grossen Kollektionen zum Beispiel», umgeht Alejandro Mesonero-Romanos die Frage elegant, man spricht nicht über die betuchte Klientel. Und überhaupt: Der Preis bleibt ungenannt, eine Summe von 1,5 Millionen Euro hat die Runde gemacht. Sicher ist, dass drei Exemplare in die Schweiz geliefert werden.
Es sei das wichtigste Auto für Alfa Romeo, beteuert der Designchef, ein Auto, das die Balance zwischen Erbe und Zukunft darstellen soll. Und es würden weitere Fahrzeuge mit Reminiszenzen an historische Modelle in moderner Form kommen. Das erklärt auch, warum man für den Stradale 33 nur 16 Monate gebraucht hat: Wenn man sich bestehender Linien und Merkmale bedient, erspart man sich lange Findungsprozesse, es geht einfach schneller. Design als eine Übung in Vereinfachung, beeilt sich auch César Barreau zu erklären, man habe gelernt, sich von Designelementen zu verabschieden, die die Sache verkompliziert hätten.
Ein Konzept für mehrere Marken
Ist es ernüchternd oder visionär, dass sich nur ein Kunde für die vollelektrische Variante entschieden hat? Wird der einmal der Gewinner sein, weil er den einzigen elektrifizierten Stradale 33 in seinem Wohnzimmer/Museum/Schauraum stehen hat? Wir werden sehen. Auch, ob das Konzept wirklich tragfähig und vor allem multiplizierbar ist.
Vom Stradale 33 können maximal acht Exemplare zur selben Zeit gebaut werden. Das ist nicht gerade effizient, aber vielleicht ein Grund für den hohen Preis. Was also soll das ganze Unterfangen? Man betrachte es als eine Übung für den Konzern Stellantis, der in dieser handgefertigten Bauweise einen Vorteil sehen soll.
Zudem fabriziert Alfa Romeo auf diese Weise Modelle, die zeigen sollen, wie Stellantis sich auch mit anderen Marken Marktanteile im obersten Luxussegment sichern könnte. Opel, Peugeot, Dodge und andere Stellantis-Konzernmarken sollen nach exakt dem gleichen Muster ihr Ansehen aufwerten können, das alles unter dem Stichwort «Open Source Knowledge».
Als Beobachter von aussen hofft man für all diese Marken, dass genau dies nicht passiert. Weil 14 verschiedene Supersportwagen mit historischen Genen und moderner Technologie schon wieder Masse statt Klasse wäre – keines der Autos wäre eine Überraschung, vielleicht sogar nicht mal begehrenswert.
Vielleicht täuschen wir uns aber auch und es wächst heimlich eine neue Sorte Autos heran, eine neue Klasse für sich. Angeblich steht der nächste Coup von Alfa Romeo nach gleichem Schema schon in den Startlöchern.