Im Finale der britischen Kultserie defilieren Lordschaft und Personal ein letztes Mal mit Contenance durch England. «Downton Abbey» endet, wie es begann – mit Haltung, Hierarchie und einem Hauch Nostalgie.
Wir schreiben das Jahr 1930, und in Downton Abbey jagt ein Abschied den nächsten: Der Butler Carson (Jim Carter) und die Köchin Miss Patmore (Lesley Nicol) wollen sich zur Ruhe setzen. Die Scheidung von Lady Mary (Michelle Dockery) wird amtlich, was sie zur Unperson in ihren Kreisen macht, wenigstens eine Zeitlang. Lord und Lady Grantham verlieren viel Geld, verkaufen ihr Haus in London, verlassen Downton Abbey. Das im Titel angekündigte «grosse Finale» ereignet sich in kleinen Dramen und gemächlichen Schritten.
Lord Granthams Welt geht nicht mit einem Knall unter, sondern mit einem Wimmern, wie er selbst bei der Besichtigung der neuen, für seine Verhältnisse bescheidenen künftigen Stadtwohnung bemerkt. Denn, oh, er wird eine Wohnung in einem Haus beziehen, in dem auch Fremde wohnen, die weder zur Familie noch zu seinem Personal gehören. Lange wägt er ab, ob ein solches Leben auszuhalten sei. Mit vollendeter Haltung schickt er sich in das Herabsinken in die neuen Verhältnisse.
Wie ein Gang durch ein imaginäres Downton-Museum
Demokratischere Zeiten werden vorsichtig eingeläutet – das Thema des Films wurde auch regelmässig in der Serie durchgenommen: Der ehemalige Chauffeur Tom Branson (Allen Leech) liest dem Lord die Leviten. Die Köchin Daisy (Sophie McShera) emanzipiert sich im örtlichen Komitee zum anstehenden Landfest. Lady Mary genehmigt sich eine Affäre, zeigt Führungsqualitäten und übernimmt das Anwesen in Yorkshire.
Vieles ändert sich, aber zum letzten Mal sind sie alle beisammen, die Lordschaften und ihr Personal. Noch einmal hechelt der blonde Labrador vor den Herrschaften über die Wiese, noch einmal knallen die Champagnerkorken im roten Salon, und das Geschirr klirrt diskret am Esstisch. Ein letzter Blick auf das Herrenhaus im Neorenaissancestil inmitten manikürter Rasenflächen. «Downton Abbey: The Grand Finale» erscheint wie eine nochmalige Besichtigung aller Sujets und Figuren der Fernsehserie, die dreimal auch den Sprung ins Kino schaffte. Der Film, der mutmasslich den Abschluss der Familien-Saga bilden soll, ist wie ein Gang durch ein imaginäres Downton-Museum.
Rein äusserlich hat die Zeit erstaunlicherweise kaum Spuren bei den Herrschaften und ihrem Personal hinterlassen. Fünfzehn Jahre nach der Erstausstrahlung der Serie auf ITV sehen alle so taufrisch aus – oder so alt – wie immer. Auch die Verstorbenen ziehen noch einmal an uns vorüber, darunter Lady Marys verunfallter Ehemann (Dan Stevens). Ein bemerkenswert scheussliches Porträt der scharfzüngigen Matriarchin Violet Crawley hängt in der Eingangshalle des Hauses. Ihrer 2024 gestorbenen Darstellerin Maggie Smith ist der Film gewidmet.
Lady Mary und die Countess of Grantham (Elizabeth McGovern) tragen, wie immer, die schönsten Kleider aus zartesten Stoffen, die sie aussehen lassen wie erlesene Flamingos. Sie lächeln unausgesetzt und neigen dabei so huldvoll die Köpfe, dass es an Selbstparodie grenzt. Der Butler Carson, der Übervater in der Unterwelt des Personals, manifestiert seine Unerschütterlichkeit mit gütiger Bassstimme. Ihm zur Seite steht Mrs. Hughes (Phyllis Logan), die zu gut ist, um wahr zu sein. Selbst der Spitzbube Gus Sambrook (Alessandro Nivola) hat so etwas wie ein Herz; wenn auch nur ein kleines. Der Film ist kein Herzinfarkt-Material, er trudelt einigermassen amüsant und selbstverliebt vor sich hin.
Seit 2010 bevölkern die Menschen von Downton Abbey unsere Fernsehschirme und Kinos. Doch es erscheint einem viel länger. Denn inzwischen gehört der Haushalt des Earl of Grantham auch über die Landesgrenzen hinaus zur englischen Folklore. Als die Serie erstmals ausgestrahlt wurde, entpuppte sie sich zum Überraschungserfolg. Sie gefiel nicht nur den Zuschauern, sondern stellte 2011 den Guinness-Weltrekord für die höchsten Kritikerbewertungen einer Fernsehserie auf.
«Downton Abbey» führte in eine Welt, in der zu Beginn – 1912 – noch einigermassen feste Regeln herrschen. Fasziniert betrachtete das Publikum auf der ganzen Welt den Alltag und die Schwierigkeiten der Mitglieder der britischen Aristokratie und ihrer Hausangestellten. Dabei ging es nicht nur um die Unterschiede zwischen der Herrschaft und ihren Dienern. Auch innerhalb der beiden Sphären bestanden feinste Hierarchie-Differenzen.
Und darum dreht es immer noch. Es herrscht eine Atmosphäre ständiger gegenseitiger Zurechtweisung und Ermahnung zur Einhaltung dieser oder jener (Klassen-)Gesetze. Jeder zappelt weiterhin an seinem Platz, auch wenn die Ebenen durchlässiger wurden. Aber selbst beim «Grand Finale» bleiben die Klassenunterschiede weitgehend intakt.
Die Imitation festigt den Status
Offenbar glaubt der Erfinder und Autor der Serie selbst nicht an ein vollständiges Ende des Klassensystems. Julian Fellowes, Baron Fellowes of West Stafford, ist ein Kenner britischer Adelsverhältnisse. Er entstammt ihnen selbst, schilderte sie immer wieder. Darunter in seinem mit dem Oscar ausgezeichneten Drehbuch von «Gosford Park» (2001), einem Robert-Altman-Film, der die wesentlichen Züge von «Downton» vorwegnimmt: das Eintauchen in den Mikrokosmos eines altenglischen Herrenhauses, hinter dessen Fassaden vollendete Zeremonie und ungeordnete Wirklichkeit oft nicht Hand in Hand gehen.
In «Downton: The Grand Finale» greift Fellowes noch eine andere Idee aus «Gosford Park» auf: Damals führte er die Figur des Schauspielers, Komponisten und Showstars Ivor Novello ein, der im Herrenhaus zu Gast ist. Im neuen Film ist es der ebenso vielseitig begabte Noël Coward (Arty Froushan), dessen prominente Anwesenheit in Downton den gesamten lokalen Adel davon überzeugt, Lady Marys Status als Geschiedene zu akzeptieren. Auch Noël Coward ist ein Aufsteiger, der sich durch alle Gesellschaftsklassen nach ganz oben arbeitete. Dabei imitierte und parodierte er in Leben und Werk den Stil der aristokratischen Elite, deren Anziehungskraft und Status er damit erst recht untermauerte. So, wie es «Downton Abbey» von Anfang bis zum grossen Finale ja auch tut.
«Downton Abbey: The Grand Finale»: Im Kino.