Die Schauspielerin Naomi Watts kam mit 36 in die Menopause. Zwanzig Jahre schwieg sie darüber, weil sie ihre Hollywood-Karriere nicht gefährden wollte. Nun profitiert sie: Die Menopause ist das neue heisse Ding.
Als Naomi Watts Mitte dreissig war, veränderte sie sich auf eine Weise, die sie ratlos machte. Gut fühlte sie sich nicht dabei. Sie schlief schlecht, der Schweiss brach ihr am Set und in Sitzungen aus, sie litt plötzlich unter Migräne. Als ihr ein Arzt eröffnete, dass dies Symptome einer frühzeitigen Menopause seien, dachte sie: Warum weiss ich nichts darüber? Wieso hat mich niemand darauf vorbereitet?
Bei ihr im Biologieunterricht war die Zäsur im Leben einer Frau, wenn ihre Fruchtbarkeit endet, kein Thema. Als sie heiratete, beriet sie niemand dazu. Nicht einmal ihre Mutter redete jemals über die sogenannte Abänderung.
Zwanzig Jahre später hat Watts das Buch geschrieben, das sie damals gerne gelesen hätte. Soeben ist «Jetzt schon?» auf Deutsch erschienen. Darin erzählt die britisch-australische Schauspielerin von ihren persönlichen Erfahrungen. So offen, furchtlos und stellenweise unverschämt intim, wie man es von einem Hollywood-Star selten erlebt.
Gnadenloses Hollywood
Das Unsagbare sagbar machen, darin liegt auch ihre Motivation. Der Druck, die Spuren des Alters zu bekämpfen, sei für Frauen in der Filmindustrie enorm. Entsprechend versetzte sie die Diagnose in Panik. Lange hielt sie sie geheim. Denn, so schreibt sie: «Hollywoods netter Begriff für solche Frauen lautet ‹unfickbar›.»
Bekannt geworden ist die heute 56-jährige Schauspielerin durch «Mulholland Drive» von David Lynch, später «King Kong» und «Mission Impossible». Nun fürchtete sie, nur noch Rollen als Mutter oder Grossmutter zu erhalten. Sie fühlte sich trotz allem zu jung, um fortan Frauen zu verkörpern, denen die Existenzberechtigung als begehrendes, sinnliches Wesen abgesprochen wird.
Watts merkte bald, dass das Bild der Frau, deren Leben angeblich nach vierzig zu Ende ist, nicht nur in Hollywood verbreitet ist. Als sie ihre damals noch kleinen Kinder fragte, was sie sich unter den Wechseljahren vorstellten, antwortete das eine Kind: «Ist das nicht, wenn man ins Bett macht?» Und das andere: «Das ist doch, wenn alte Frauen sterben.»
Sogar Mercedes feiert die Menopause
Heute muss sich keine Frau mehr schämen, wenn sich bei ihr die Wechseljahre ankündigen (wobei man die Übergangsphase bis zur letzten Periode Perimenopause nennt). In kurzer Zeit wurde das Thema enttabuisiert. Die Menopause ist das heisse Ding in der Pop-Kultur. Die Medien berichten, und auch die Werbung hat die kaufkräftige mittelalte Frau und ihre Bedürfnisse entdeckt. Watts springt gewissermassen auf den Zug auf – oder leistet einen Beitrag dazu.
Für die Wirtschaft eröffnet sich durch das plötzliche Interesse ein neuer Markt. Dies kündigt sich in seltsamen Initiativen an. So lädt Mercedes Schweiz Anfang Oktober 50-jährige potenzielle Autokäuferinnen zu einer Veranstaltung in Zürich ein, bei der es um «hormonelle Gesundheit, Denkweisen und die Kraft der Lebensmitte» geht – mit Referaten über die Menopause «als Chance».
Menopause-Influencerinnen preisen Gesundheitsprodukte gegen Beschwerden und Spuren des Älterwerdens an. Firmen müssen sich dann «Menowashing» vorwerfen lassen: Sie schlügen aus den Wechseljahren Kapital, da es wissenschaftlich nicht erwiesen sei, dass die Gesichtscrème gegen trockene Haut auch wirklich nütze.
Doch wichtiger scheint dabei sowieso der psychologische Effekt. Endlich wird etwas aufgewertet, was bislang als vernachlässigbar galt.
War sie auf der Bühne oder im Film ein Thema, so wurde die mittelalte Frau, die mit ihren Stimmungsschwankungen ihrer pubertierenden Tochter gleicht, als Witzfigur dargestellt. Die Damen in der Sitcom «Golden Girls» sind verhuschte, sexlose Wesen. In der Schweizer Musical-Komödie «Heisse Zeiten – Die Wechseljahre-Revue» machten sich die von Hitzewallungen geplagten Frauen über sich selber lustig.
Wie sehr sich das geändert hat, zeigt eine kurze Szene in der Netflix-Serie «Too Much» von Lena Dunham mit Naomi Watts. Watts spielt darin eine elegante, etwas überspannte Ehefrau in mittleren Jahren. Als sie bei einer Dinner-Party offenbart, dass sie gerade schwitze «wie ein Schwein», sagt Jessica, die junge Hauptfigur, anerkennend: «Super, dass du über die Menopause redest, als wäre sie ein Star.»
Es eilte mit dem Kinderwunsch
Watts beschreibt die Wechseljahre in «Jetzt schon?» keineswegs als etwas Glamouröses. Sondern mit der glamourösen Autorität des Hollywood-Stars will sie die Frauen ermutigen: Es geht weiter, und zwar gut.
Es traf sie hart, als sie den Befund der frühzeitigen Menopause erhielt, in die eine Frau durchschnittlich erst mit 51 kommt. Denn sie wollte unbedingt Kinder. Lange klappte es nicht, sie und ihr damaliger Mann, der Schauspieler Liev Schreiber, versuchten alles. Dann, mit 38, bekam Watts das erste und mit 40 das zweite Kind. Mutterschaft und der Beginn der Menopause fielen zusammen. «Ich wurde zugleich Mutter und alte Frau», schreibt sie.
Doch von der Selbstwahrnehmung als alte Frau distanziert sich Watts gerade. Das Ende der Menstruation, die sie als Identitätsmerkmal einer Frau bezeichnet, könne zwar Trauer auslösen. Man wird sich bewusst, dass der Horizont enger wird. Vielleicht trauert man um eine mögliche Zukunft mit Kindern, für die es zu spät ist. Oder die Kinder ziehen aus, man muss loslassen. Die eigenen Eltern werden alt, und vielfach gerät auch die Ehe in eine Krise und überdauert die mittleren Jahre nicht.
Mit der Menopause im Bett
Dennoch deutet Watts den Verlust der Fruchtbarkeit auch als Gewinn. Man sei auf der Strasse nicht mehr «Beute», wodurch die Selbstsicherheit wachse. Man nimmt ihr die Freude darüber nicht ab. Auch klingt es zu resignativ. Heute inszenieren sich Frauen ihres Alters als Sexobjekt, die Reife und Erfahrung erst recht begehrenswert macht.
Dass sie durchaus noch gefallen will, verrät Watts, wenn sie über Schönheitseingriffe nachdenkt und nicht ausschliesst, eines Tages selber etwas an sich machen zu lassen.
Auch das Recht auf erfüllenden Sex betont Watts in ihrem Buch, das manchmal etwas zu einem Ratgeber verkommt. Ihre erste Ehe mit Liev Schreiber zerbrach, was sie jener Zeit zuschreibt, in der ihr Kinderwunsch zur Obsession wurde. 2017 lernte sie auf dem Set der Netflix-Serie «Gypsy» den Schauspieler Billy Crudup kennen. Sie sei aus der Übung gewesen, was das Dating betroffen habe, schreibt Watts. Auch war ihre Libido «nicht mehr das, was sie mit Mitte zwanzig gewesen war».
Bevor sie mit Crudup das erste Mal Sex hatte, wollte sie im Bad schnell noch das Hormonpflaster am Arm entfernen. Ihr neuer Liebhaber sollte nicht erfahren, dass sie bereits in der Menopause war und eine Hormontherapie machte, um die Beschwerden zu mildern.
Doch er bemerkte ihre vom Pflaster wund gescheuerte Haut und reagierte gelassen. Er könne sie beruhigen, sagte er: «Ich habe auch schon graue Haare an den Eiern.» Das habe sie umgeworfen, schreibt Watts: «Bis heute bleiben es die romantischsten Worte, die ich je gehört habe.»
Nicht gerade das, was man sich unter Erotik vorstellt. Aber für Watts ist auch das eine Erkenntnis in den Wechseljahren: Humor hilft.
Naomi Watts: Jetzt schon? Wie ich früh in die Wechseljahre kam und was ich gerne darüber gewusst hätte. Aus dem Englischen von Petra Huber, Sara Riffel und Anne-Marie Wachs. Dumont-Verlag, Köln 2025. 270 S., Fr. 28.90.








