Grenzüberschreitende Zugfahrten sind umständlich. Dabei gäbe es wie im Fluggeschäft Portale, die Tickets verkaufen. Doch diese beklagen sich, sie würden von den Staatsbahnen gezielt behindert. Nun schalten sich Kartellbehörden ein.
Wer ein Flugticket bucht, erledigt das häufig auf einem der mächtigen Suchportale wie Ebookers, Skyscanner oder Expedia. Sie bieten einen Überblick, und die Bedienung ist simpel. Einzeln die Websites der Fluggesellschaften abzuklappern, erübrigt sich.
Wie kompliziert sind im Vergleich damit internationale Reisen mit Bahn und Bus! Spezialisierte Buchungsportale gibt es zwar auch dafür, etwa Omio und Trainline. Aber deren Angebot ist immer noch lückenhaft. Europas meist staatliche Eisenbahnen weigern sich teilweise hartnäckig, den Plattformen ausreichend Verkehrsdaten zur Verfügung zu stellen; noch mehr ärgert die Suchmaschinen aber, dass sie nur eingeschränkt Tickets der meist staatlichen Transportbetriebe verkaufen können.
Die EU-Kommission macht Druck
Doch der Markt gerät in Bewegung. Den Eisenbahnen sitzen nationale Kartellbehörden und die EU-Kommission im Nacken. Deren Verdacht lautet dahin, dass die mächtigen Bahnen ihre meist monopolähnliche Position missbrauchten, um sich beim Ticketverkauf die Konkurrenz der Portale vom Leib zu halten.
Spaniens Eisenbahngesellschaft Renfe hat im Januar allerdings angekündigt, den Plattformen ab Anfang März fast alle Verkehrsdaten in Echtzeit zur Verfügung zu stellen. Sie bekommen auch das Recht, Zugbilletts zu verkaufen. Ausnahmen gibt es nur wenige, etwa wenn die Gefahr besteht, dass viele Anfragen das IT-System von Renfe lahmlegen.
Das Unternehmen hat diese Zugeständnisse allerdings nicht freiwillig gemacht. Die EU-Kommission hatte gegen die Spanier ein Prüfverfahren eingeleitet, weil sie den Verdacht hegte, Renfe missbrauche die Marktmacht.
Offensichtlich hat das die Spanier aufgeschreckt. Sie reagierten, um Zwangsmassnahmen der EU zuvorzukommen. Die Auseinandersetzung ist nun zwar beigelegt, die Kommission hat aber weiterhin ein wachsames Auge auf Renfe. Ein Treuhänder wird in ihrem Auftrag während zehn Jahren überwachen, ob die Bahn das Versprochene einhält.
Die Bahnen wollen ihre Vertriebspartner selber wählen
Um einiges heftiger verläuft ein Konflikt, den das deutsche Bundeskartellamt und die Deutsche Bahn (DB) austragen. Auch hier lautet der Vorwurf dahin, dass die DB ihre Marktmacht ausnütze. Dagegen fährt das Kartellamt grobes Geschütz auf. Es fordert von der DB nicht nur die Öffnung der Verkaufskanäle, sondern auch das Zugeständnis, dass private Online-Plattformen eigene Rabattaktionen und Bonusprogramme einsetzen dürfen.
So wäre es etwa möglich, auf Trainline oder Omio ein Ticket günstiger zu kaufen als bei der DB. Diese gibt die Echtzeitdaten zwar an die Plattformen weiter, will sich aber nicht vorschreiben lassen, mit welchen Buchungsportalen man kooperiert.
Die DB setzt den Beschluss des Kartellamts zwar um, hat den Fall aber auch an ein Oberlandesgericht weitergezogen. «Der Beschluss des Bundeskartellamts würde dazu führen, dass wir Vertriebspartner einsetzen müssen, die wir nicht brauchen», sagt eine Sprecherin. «Wir entscheiden auf unternehmerischer Basis, mit wem wir kooperieren.»
Im Inland ist die DB dabei mit Kooperationen sehr zurückhaltend. Offenbar will das Unternehmen hier nicht mit der eigenen Buchungsplattform bahn.de konkurrieren. Im Auslandverkehr dagegen ist die DB bereit, mit den Suchmaschinen Geschäfte zu machen. Angeblich zahlt sie daher den Vermittlern von In- und Auslandtickets verschiedene Provisionen.
Bei Allrail, dem europäischen Verband der privaten Eisenbahnen in Brüssel, stösst diese selektive Haltung auf heftige Kritik. Mit ihrer Weigerung, den Ticketmarkt vollständig zu öffnen, würden die Bahnen nicht nur ihre Stellung im Billettverkauf verteidigen, sondern auch ihre Marktmacht im Transportbereich zementieren.
Nick Brooks, der Generalsekretär von Allrail, verweist zur Illustration auf die Nachtzüge. Die DB verkaufe zwar Tickets des ebenfalls staatlichen Kooperationspartners ÖBB, nicht aber solche des privaten Anbieters European Sleeper. Dessen Angebote werden im Fahrplan der DB lediglich angezeigt. «Der Buchungsprozess wird damit von den Bahnen vorsätzlich erschwert», sagt Brooks. Die Reisenden könnten nicht mit wenigen Klicks ein Ticket erwerben, wie sie sich das gewohnt seien, sondern müssten den Verkaufsprozess auf einer anderen Plattform neu starten.
Die SBB versprechen einfachere Buchungen
Eine Abschottungsstrategie verfolgen auch die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB). «Wir vertreiben über Drittkanäle ausschliesslich Fahrausweise für die Schweiz», sagt ein Sprecher. Man habe zwar ein grosses Interesse daran, dass der Ticketverkauf im internationalen Bahngeschäft noch einfacher werde, die Herausforderung sei aber gross. Das ist eine erstaunliche Aussage, sind doch einige der privaten Ticketverkäufer seit Jahren im Geschäft.
Offenbar wollen die SBB aber nicht schwergewichtig auf private Portale setzen. Stattdessen streben sie eine Kooperation mit anderen Staatsbahnen an. Will man unter seinesgleichen bleiben? Die SBB sind jedenfalls Teil einer Arbeitsgruppe, der Vertreter der staatlichen Bahnen aus Frankreich (SNCF), Deutschland, Österreich und den Niederlanden (NS) angehören. Laut Aussagen der SBB haben sich Europas Bahnen auf gemeinsame Vertriebsstandards geeinigt. Ab 2025 soll das den Verkauf von internationalen Zugbilletts schrittweise erleichtern.
Gerade solche Aussichten dürften die privaten Anbieter noch mehr erzürnen. Kommt darin doch ein Paradox der Liberalisierungsbemühungen der EU zum Ausdruck: Sie möchte das Bahngeschäft für private Anbieter zwar öffnen. Diese jedoch haben gegen die mächtigen Staatsbahnen fast keine Chance.
Letztlich hat die teilweise Liberalisierung des Bahngeschäfts in der EU nämlich dazu geführt, dass die Staatsbahnen ihre Geschäfte über die Landesgrenzen ausgeweitet haben. Somit werden sie noch mächtiger. Trenitalia etwa bietet Hochgeschwindigkeitsverbindungen in Frankreich an, und Renfe hat sich mit 50 Prozent an der tschechischen Privatbahn Leo Express beteiligt. Das ist ein strategischer Schachzug – Leo besitzt Betriebslizenzen in mehreren zentraleuropäischen Ländern.
Ryanair geht vor Gericht
Gleichzeitig ähnelt der Konflikt zwischen den Staatsbahnen und den Portalen dem Streit, den Airlines und Suchmaschinen jahrelang ausgefochten haben. Inzwischen koexistieren die Unternehmen zwar weitgehend, es kommt aber immer wieder zu juristischen Auseinandersetzungen.
Besonders konfliktfreudig ist Ryanair. Europas grösste Fluggesellschaft hat schon mehrere juristische Verfahren gegen die Online-Ticket-Verkäufer geführt und dabei einmal recht, dann wieder unrecht bekommen.
Dabei ging es stets um dieselbe juristische Güterabwägung: Haben Airlines das Recht, ihre Vertriebsstrategie selbst zu bestimmen, oder ist der Anspruch der Kunden, günstige Verbindungen rasch zu finden, höher zu gewichten? Der Flug- und der Bahnmarkt unterscheiden sich allerdings in einem wichtigen Punkt: Anders als die Staatsbahnen profitieren Fluggesellschaften selten von einem Monopol.
Selbstverständlich wollen aber auch diese, dass möglichst viele Reisende direkt bei ihnen buchen. Das eröffnet ihnen die Chance, mit den Passagieren Zusatzgeschäfte abzuschliessen, etwa Reisepakete mit Flug und Hotel zu verkaufen. Bahn und Bus hinken hier noch hinterher – doch das Geschäft nimmt Fahrt auf.