Die Stadt saniert den Bürkliplatz. Die Marktfahrer fühlen sich bedroht – und präsentieren jetzt einen Gegenvorschlag.
Samuel Traub fühlt sich vor den Kopf gestossen. Jeden Dienstag und jeden Freitag verkauft er auf dem Zürcher Bürkliplatz sein Bio-Gemüse. Seit Jahren schon. Sein Stand gehört zu den grössten auf dem Markt und ist für Traub ein zentrales Geschäft. Davon leben er und seine Familie.
Doch jetzt soll alles anders werden, weil die Stadt die Stadthausanlage und den Bürkliplatz sanieren will. Der alte Kiosk, das Pissoir und das Transformatorenhäuschen kommen weg. Entstehen soll ein neues Gebäude an der Stelle des bisherigen Kiosks, das den Kiosk, die Toiletten und die Trafostation unter ein Dach bringt. Zudem werden zusätzliche Bäume gepflanzt.
Diese Pläne seien für ihn und die anderen Marktfahrer «existenzbedrohend», sagt Samuel Traub am Freitagmorgen. Er ist Vorstandsmitglied der Vereinigung der Marktfahrer von Zürich (VMZ). Die hat im Musikpavillon auf dem Bürkliplatz zu einer Medienkonferenz geladen.
Seine wichtigste Botschaft lautet am Freitag: «Wenn die Stadt vorgeht wie geplant, müssen wir mit Umsatzeinbussen von 30 bis 50 Prozent rechnen. Das ist für uns nicht tragbar.»
Darum setzen sich die Marktfahrer nun gegen das Vorhaben der Stadt zur Wehr. Sie legen einen Gegenvorschlag zum Nutzungskonzept vor und sammeln Unterschriften für eine Petition. Politische Unterstützung bekommen sie dabei von den Gemeinderäten Flurin Capaul (FDP), Ivo Bieri (SP) und David Garcia (AL).
Die Parkplätze würden vorübergehend wegfallen
Samuel Traub und die Marktfahrer haben zwei Probleme. Das erste kommt schon in diesem Herbst auf sie zu. Ab dann will die Stadt auf dem Bürkliplatz während 15 Monaten bauen.
Der Lebensmittel- und der Flohmarkt sollen während der Bauphase in der Fraumünsterstrasse stattfinden – also genau dort, wo die Kunden der Märkte bisher parkiert hätten. Wenn sie nicht mit dem Auto kommen könnten, würden besonders die Grosskunden des Lebensmittelmarktes wegbleiben, befürchtet Traub. Ausserdem seien auch viele Private auf das Auto angewiesen.
Traub vergleicht die Idee der Stadt mit einer Konzerthalle: «Wenn Sie das Orchester auf der Tribüne platzieren, weil Sie die Bühne umbauen, dann haben Sie für das Publikum keinen Platz mehr.» Genau so verhalte es sich auch beim Gemüsemarkt auf dem Bürkliplatz.
Die Marktfahrer hätten es lieber, wenn sie ihren Markt zwei Mal pro Woche auf dem Münsterplatz durchführen könnten. Doch dafür habe die Stadt bisher «kein Musikgehör» gehabt, sagt die Obstbäuerin Petra Mörgeli. Sie ist die Präsidentin der VMZ.
Nur gerade anderthalb Meter zwischen den Ständen
Mit der Übergangslösung für die 15 Monate könne sie zwar noch leben, sagt Monika Luck von der Vereinigung Zürcher Flohmarkt. Aber mit dem, was danach kommen solle, habe sie Mühe. Und das ist das zweite Problem der Marktfahrer: die Zeit nach dem Umbau.
Ab 2026 sollen gemäss den Plänen der Stadt knapp hundert Bäume auf dem Bürkliplatz stehen, also dreissig mehr als heute. Sie sollen den Platz im Sommer beschatten und für ein angenehmes Mikroklima sorgen.
Bei Monika Luck und Samuel Traub sorgen sie derzeit vor allem für Fassungslosigkeit. Die Stadt sieht vor, dass die sechzig Marktstände näher zusammenrücken. In ihren Plänen sind für die Kunden sowie Auf- und Abbau nur rund anderthalb bis zwei Meter vorgesehen.
Für Samuel Traub ist das zu wenig. Es sei unmöglich, auf so wenig Raum gleichzeitig zwei Stände nebeneinander aufzubauen: «Da können knapp zwei Kinderwagen kreuzen. Für uns ist das ein logistisches Horrorszenario.»
Weniger Bäume, mehr Markt – oder umgekehrt?
Auch beim Flohmarkt seien viele Standbetreiber von ihren Einkünften abhängig, sagt Luck. Ausserdem verdiene man mit der Standmiete ja Geld – allein mit den Saisonständen seien es 250 000 Franken pro Saison, sagt Luck. «Das ist für die Stadt ja auch Geld», sagt er. Sie verstehe nicht, warum die Stadt auf der Zahl der neuen Bäume bestehe und damit bewusst den Flohmarkt schädige.
Im Gegenvorschlag der Marktfahrer wächst der Baumbestand auf dem Bürkliplatz deshalb nur um vierzehn Stück. So könnten die beiden Alleen beibehalten werden, die diagonal über den Platz verlaufen. Traub und Mörgeli sind sich einig, dass das die bessere Variante wäre als die von der Stadt vorgeschlagene.
Nächste Woche haben die Marktfahrer einen Termin im Tiefbaudepartement der Stadträtin Simone Brander (SP). Dann wird sich zeigen, ob die Stadt an ihrem Vorhaben festhält.