Analysen von Satellitenbildern lassen auf grosse Bauarbeiten im Norden Ägyptens schliessen – mutmasslich Betonmauern rund um einen Auffangbereich für Vertriebene des Krieges.
Ein Blick aus dem All auf die Nordgrenze von Ägypten sorgt zurzeit im Nahen Osten für Fragen. Auf Satellitenbildern ist zu sehen, dass in der vergangenen Woche in der Pufferzone zwischen Ägypten und dem Gazastreifen ein grosses Stück Land mit Bulldozern plattgewalzt wurde.
Das Grenzgebiet im Sinai, das die ägyptische Armee bereits vor Jahren geräumt und zu einer militärischen Sperrzone erklärt hatte, wird seit dem Ausbruch des Krieges in Gaza weiter aufgerüstet. Mit Stacheldrahtverhauen, Wachtürmen und Mauern wird die Grenze zum Gazastreifen bereits gesichert. Den Grenzübergang nach Rafah, der südlichsten Stadt des Gazastreifens, haben die Soldaten zudem mit einer Sperre aus Beton verstärkt. Für die in der Küstenenklave eingeschlossenen Bewohner wäre das Tor zu Rafah der einzige Weg aus dem Kriegsgebiet.
Die Arbeiten an einer besseren Befestigungsanlage führen vor Augen, was Ägyptens Generäle immer wieder betonen: Sie wollen keine Palästinenser aus dem Gazastreifen aufnehmen. Einerseits stellen sie sich damit gegen eine Massenvertreibung der Palästinenser aus dem Gazastreifen. Andererseits könnte das unter einer Wirtschaftskrise leidende Land eine Flüchtlingswelle an seiner Nordostgrenze kaum stemmen.
Nun zeigt eine Analyse der Satellitenbilder, dass seit dem 5. Februar grössere Bauarbeiten im Gang sind. Zusätzlich zu den plattgewalzten Flächen sind Industriefahrzeuge und Baumaterialien nahe der Grenze erkennbar.
Die ägyptische Regierung will sich nicht äussern
Fotos und Videos, die von der Sinai Foundation for Human Rights veröffentlicht wurden, zeigen Arbeiter, die Betonelemente aufrichten. Die ägyptische Regierung, die sämtliche Informationen zu Aktivitäten im Grenzgebiet strikt einschränkt, wollte sich bislang nicht zu den Bauarbeiten äussern.
حصلت مؤسسة سيناء على مواد مصورة جديدة تؤكد ما نشر أمس عن قيام السلطات المصرية ببناء منطقة أمنية عازلة محاطة بأسوار في مدينة رفح المصرية شرق سيناء.
وتظهر المواد الجديدة ما أكدته مصادر المؤسسة بالبدء في إنشاء منطقة معزولة محاطة بأسوار على الحدود مع قطاع غزة بهدف استقبال لاجئين حال… pic.twitter.com/EzeI4XDX34
— Sinai for Human Rights (@Sinaifhr) February 15, 2024
Gegenüber der «New York Times» sagten ein Bauarbeiter und ein Ingenieur, sie seien von der ägyptischen Armee beauftragt worden, eine fünf Meter hohe Betonmauer zu errichten, die ein mehrere Quadratkilometer grosses Grundstück umschliesse. Das «Wall Street Journal» berichtet, laut ägyptischen Beamten handle es sich um den Bau einer Anlage, in der mehr als 100 000 Menschen untergebracht werden könnten. Es seien bereits Zelte dorthin geliefert worden.
Auch die Sinai Foundation for Human Rights sprach auf Social Media davon, Ägypten plane ein von Mauern umgebenes Gebiet an der Grenze zum Gazastreifen, das im Falle eines Massenexodus Flüchtlinge aufnehmen soll.
Treffen die Berichte zum Bau zu, steht dieser womöglich im Zusammenhang mit der Ankündigung von Israels Armee, dass sie ihre Bodenoffensive im Gazastreifen bis nach Rafah ausweiten wolle, wo derzeit rund 1,4 Millionen Menschen ausharren. Die ägyptische Regierung befürchtet in diesem Fall offenbar einen Ansturm über die Grenze, worauf sie sich nun möglicherweise vorbereitet.
Schon lange zeigt sie sich besorgt über eine Flüchtlingswelle in Richtung des Sinai. Laut einem Bericht der «New York Times» drängt Israel auf diplomatischen Kanälen Ägypten dazu, für die Dauer des Krieges eine grosse Zahl von Palästinensern aufzunehmen. Der israelische Aussenminister Israel Katz sagte hingegen am Freitag auf der Münchner Sicherheitskonferenz, es gebe keine Pläne zur Abschiebung von Palästinensern aus dem Gazastreifen.
Obwohl viele Palästinenser die Küstenenklave auf der Suche nach Schutz verlassen möchten, lehnen sie die Flucht nach Ägypten ab. Sie befürchten, dass sie nach Kriegsende nicht in ihre Heimat zurückkehren dürften.