Börsenkotierte Konzerne lieben sie, auch Investoren-Legende Warren Buffett ist ein grosser Fan. Doch wie funktionieren Aktienrückkäufe, und weshalb spalten sie die Gemüter?
Unternehmen müssen ihre Aktionäre bei der Stange halten. Nur mit zufriedenen Eigentümern im Rücken lässt sich ein Geschäft erfolgreich betreiben. Das gilt in besonderem Masse für die UBS, die mit der Einverleibung der Credit Suisse beschäftigt ist.
So kündigte die Grossbank diese Woche an, inmitten der Integrationsarbeiten ein neues Aktienrückkaufprogramm in der Höhe von bis zu zwei Milliarden Dollar zu starten. Nach Ankündigung der CS-Übernahme hatte die UBS solche Rückkäufe ausgesetzt.
Auch die ABB hat dieses Jahr ein neues Rückkaufprogramm in Milliardenhöhe lanciert. Die Badener Industriegruppe hat seit 2020 eigene Aktien im Gesamtwert von mehr als 9 Milliarden Franken zurückgekauft, was den Anstieg des Aktienkurses seither unterstützt.
Die Idee hinter solchen Transaktionen: Erwirbt ein Unternehmen eigene Aktien, sind weniger im Umlauf. Dadurch verteilt sich der Unternehmensgewinn auf weniger Titel, er wird «verdichtet». Mehr Gewinn pro Aktie bedeutet theoretisch einen höheren Preis, der Aktienkurs muss also steigen.
Manipulierte Aktienkurse?
Die Praxis, Aktienkurse auf diese Weise zu frisieren, ist nicht nur in der Schweiz verbreitet. In den USA sind Aktienrückkäufe sogar beliebter als Dividenden, was sie zum Gegenstand hitziger Debatten macht.
Befürworter wie die Investoren-Legende Warren Buffett setzen viele Milliarden ein, um Aktien der eigenen Gesellschaft zurückzukaufen. So hat Berkshire Hathaway gemäss Eingabe bei der US-Wertschriftenbehörde SEC seit Anfang Jahr Aktien im Umfang von über 2 Milliarden Dollar zurückgekauft, im Vorjahr waren es über 9 Milliarden, im Jahr 2021 sogar 27.
Für die demokratische US-Senatorin Elizabeth Warren ist das reine «Marktmanipulation», die illegal sein sollte. Das Geld solle nicht dazu dienen, Kurse in die Höhe zu treiben und Aktionäre zu bereichern. Rückkäufe würden der Wirtschaft nichts nützen und kannibalisierten die Innovation. Die Firmen sollten ihren Mitarbeitern lieber bessere Löhne zahlen, so Warren.
Doch auch in der Finanzindustrie gibt es kritische Stimmen. So sieht der namhafte Investor Jeremy Grantham ebenfalls ein manipulatives Element: Firmenchefs sind Insider und stützen ihre Kaufentscheidungen auf Informationen, die nicht allen zugänglich sind. So können sie den Aktienkurs zu ihren Gunsten beeinflussen. In den USA war die Praxis aus diesem Grund bis 1982 mehrheitlich verboten.
Harry Goodacre, ein Stratege beim Vermögensverwalter Schroders, beschreibt ein weiteres Problem: «Wenn die Vergütung der Führungskräfte naiv an das Wachstum des Gewinns pro Aktie gekoppelt ist, kann dies zu einer Bereicherung der Geschäftsleitung führen, möglicherweise auf Kosten der Aktionäre.»
Warren Buffett nimmt solche Kritik wenig ernst. Wenn manche sagten, dass alle Rückkäufe den Aktionären oder dem Land schadeten und insbesondere den CEO nützten, dann seien das «wirtschaftliche Analphabeten und sprachgewandte Demagogen». Würden Rückkäufe zu einem «wertsteigernden» Preis getätigt, komme das allen Aktionären zugute, schrieb er in seinem jüngsten Aktionärsbrief.
Die Debatte ist politisch, zumal in den USA vor einigen Wochen eine neue Steuer auf Aktienrückkäufe in Kraft trat. Hierzulande ist die Diskussion weniger aufgeladen. Investoren sehen in Rückkäufen oft bloss ein weiteres Element neben den Dividenden, welches die Rendite ihres Investments verbessert.
Und nur darauf kommt es Aktionären an. Es gibt empirische Studien, die nahelegen, dass Aktienrückkäufe kurz- wie langfristig die Rendite verbessern, sofern eine Unterbewertung vorliegt und der Markt genügend liquid und effizient ist.
Steuerlich vorteilhafter als Dividenden
Doch wozu dienen Rückkäufe genau? Für Vontobel-Aktienanalytiker Manuel Lang stellen Aktienrückkäufe für Unternehmen zunächst eine flexible Methode zur Rückführung überschüssiger Barmittel an die Aktionäre dar. Es sei flexibel, weil die Unternehmen frei entscheiden können, wann und wie viel sie zurückkaufen oder nicht.
Das ist ein Vorteil gegenüber Dividenden. Diese müssen regelmässig gezahlt werden. Die Aktionäre erwarten, dass jedes Jahr eine Ausschüttung erfolgt, Überraschungen kommen nicht gut an. Zudem sollte die Dividende nach Möglichkeit erhöht oder zumindest gehalten werden – alles andere wird dahingehend interpretiert, dass bei der Firma etwas nicht rund läuft.
Aktienrückkäufe sind weniger verbindlich. Hinzu kommen steuerliche Vorteile. Bei Dividenden fallen doppelt Steuern an; einmal beim Unternehmen auf dem Gewinn, ein weiteres Mal bei den Aktionären, weil Dividenden dem Einkommen zugeschlagen und versteuert werden müssen. Auf Kapitalgewinne sind die Steuern meist niedriger.
Für eine Firma kann es zudem sinnvoll sein, eigene Titel zurückzukaufen, wenn das Management der Meinung ist, dass die Aktien fundamental mehr wert sind, als der Aktienpreis anzeigt. Werden aus diesem Grund Aktien zurückgekauft, entspricht das einer Investition in das eigene Unternehmen, mit einem Rabatt. Gemäss Lang neigen Unternehmen dazu, Aktien schneller zurückzukaufen, wenn sie diese als unterbewertet ansehen.
Warten auf tiefere Preise
So hat etwa Holcim Aktien im Wert von 2 Milliarden Franken innerhalb von nur sieben Monaten zu einem Durchschnittspreis von 54 Franken gekauft – heute stehen die Titel bei etwa 80 Franken. Das freut die Aktionäre, zumal der Zementkonzern dieses Jahr ein neues Rückkaufprogramm aufgelegt hat, um den Aktienkurs weiter zu «pflegen».
Obschon Rückkäufe populär sind, hat ihr Volumen in der Schweiz um rund ein Drittel abgenommen. Gemäss einer Auswertung der Bank Vontobel kauften Schweizer Unternehmen 2023 eigene Aktien im Wert von total 21 Milliarden Franken zurück. Zurzeit laufen Programme über 24 Milliarden. Auch in den USA gingen die Rückkäufe zurück.
Dass das Volumen von Jahr zu Jahr ändert, hat damit zu tun, dass grosse Rückkäufe wie das 20-Milliarden-Programm von Nestlé auslaufen. Es gibt aber auch zyklische Gründe. Viele Börsen notieren weiter nahe ihren Höchstständen, viele Aktien sind hoch bewertet. Unternehmen steht es frei, ihre Rückkäufe auszusetzen und bei attraktiveren, sprich tieferen Preisen wieder aufzunehmen.
In den USA mehr Schein-Rückkäufe
Doch nicht alle Rückkäufe erfüllen ihren ursprünglichen Zweck und führen zu einer Gewinn-Verdichtung. «In den USA werden nach Rückkäufen tendenziell weniger Aktien vernichtet», stellt Lang fest.
Das heisst, die gesamte Anzahl Aktien bleibt gleich; es handelt sich um Schein-Rückkäufe. Die so erworbenen Aktien können für Akquisitionen eingesetzt werden oder dienen der Vergütung des Managements. Die Aktionäre haben direkt nichts davon.
Solche Transaktionen kommen auch in der Schweiz vor. So haben Unternehmen wie Logitech, Partners Group oder Richemont eigene Aktien zurückgekauft und einbehalten, um diese dann ihren Managern als Aktien-basierte Vergütung zuzuteilen oder um sie als «Währung für Übernahmen» parat zu haben.
Auch die UBS hat jüngst Aktien als Akquisitions-Währung genutzt. Sie hat die Übernahme der CS für drei Milliarden Franken vollständig mit eigenen Aktien finanziert. So musste die Bank keinen einzigen Franken in Cash in die Hand nehmen.