Der Verwaltungsrat des Schweizer Intralogistik-Spezialisten hat offenbar die Geduld verloren. CEO Ingo Steinkrüger muss gehen. Die Entlassung kommt nicht aus heiterem Himmel.
Interroll setzt ihren CEO vor die Tür. Nach vier Jahren muss Ingo Steinkrüger das Unternehmen verlassen, wie der Schweizer Spezialist für Intralogistik am Mittwochmorgen überraschend mitteilte. Bereits per 1. März übernimmt Markus Asch, seinerseits seit fünf Jahren im Verwaltungsrat des Tessiner Unternehmens. Er sei bestens qualifiziert, um Interroll zurück auf den Wachstumspfad zu führen, heisst es in der Ad-hoc-Meldung.
Zwar dankt Verwaltungsratspräsident Paul Zumbühl Steinkrüger für alles, «was er geleistet hat, um die Weichen für die Zukunft von Interroll weiterhin richtig zu stellen». Doch die Rückkehr zum Wachstum hat man ihm offensichtlich nicht mehr zugetraut. Ende Januar meldete Interroll das fünfte Halbjahr in Folge einen schrumpfenden Umsatz. 2024 befindet sich der Ertrag mit 527 Mio. Fr. unter dem Niveau von 2018. Auch der Auftragseingang enttäuscht weiterhin, das gegenwärtige Book-to-Bill-Verhältnis – das Verhältnis von Auftragseingang zu Umsatz – liegt knapp unter 1, was eine schrumpfende Nachfrage impliziert.
Interroll hat Covid-Boom noch immer nicht verdaut
Interroll leidet seit 2022 unter den Nachwehen der Sonderkonjunktur, die dem Unternehmen während der Covid-Krise vor allem im E-Commerce-Geschäft Auftrieb verliehen hatte. Bis heute scheint dieser Sondereffekt nicht verdaut zu sein. Vor allem bei den wichtigen Grossprojekten mit Kunden wie Nestlé, DHL, Amazon und Zalando stockt das Geschäft.
Völlig aus dem Nichts kommt der Rauswurf des CEO daher nicht. Ohnehin drängte sich zunehmend die Frage auf, wie lange Steinkrüger noch Zeit bleibt, Interroll zurück auf Wachstumskurs zu führen. Der Aktienkurs kommt seit Jahren nicht mehr auf Touren – während gleichzeitig die Titel der Konkurrentin Kardex florieren. Auch The Market hat in der Vergangenheit den Aktien von Kardex wiederholt den Vorzug gegeben.
Warum jetzt die Entlassung?
Fragen wirft jedoch der abrupte Zeitpunkt der Entlassung auf. Erst Ende Januar präsentierte Interroll die vorläufigen Zahlen für 2024, am 13. März folgt die Veröffentlichung des Geschäftsberichts. Warum zwischen diesen beiden Terminen der CEO gehen muss, darüber kann nur spekuliert werden. Doch es deutet darauf hin, dass der Verwaltungsrat, ganz zuvorderst Paul Zumbühl, die Geduld verloren hat mit Steinkrüger.
Auf Anfrage teilt Zumbühl mit, dass sich der Zeitpunkt des Führungswechsels zufällig mit den Terminen überschneide. «Das hat jedoch den Vorteil, dass sich Herr Asch bei der Pressekonferenz in Zürich persönlich vorstellen kann», sagt Zumbühl.
Allerdings: Die Situation soll schon länger angespannt gewesen sein. Das Produktportfolio von Interroll steht zunehmend durch neue Technologien wie den Autonomous Mobile Robots (AMRs) unter Druck. Darunter versteht man selbständig navigierende Roboter, die in der Intralogistik eingesetzt werden, um Waren oder Materialien innerhalb von Lagern, Produktionsstätten oder Distributionszentren zu transportieren. Weniger flexible, klassische Förderlösungen wie Förderstrecken, Rollenbahnen und Sortieranlagen, wie sie Interroll anbietet, drohen dadurch zunehmend ersetzt zu werden. Offenbar traut Zumbühl Markus Asch mehr zu, Antworten auf solche Herausforderungen zu finden.
Was ist die Rolle von Paul Zumbühl?
Eine zweite Frage, die sich stellt, ist die zukünftige Rolle von Paul Zumbühl. Gemäss Mitteilung soll er neben der Übernahme von bestimmten Aufgaben im Bereich Investor Relations ausserhalb seiner regulären Funktion den neuen CEO «in verschiedenen strategischen Bereichen unterstützen».
Doch was heisst das?
Gegenüber The Market stellt Zumbühl klar, dies bedeute nicht, dass er wieder eine aktivere operative Rolle übernehmen wolle. Für einen reibungslosen Übergang von Wissen über Märkte, Technologie und Kunden wolle er jedoch den CEO persönlich in gewissen IR-Aktivitäten und in strategischen Fragen unterstützen. Asch soll demnach auch keine Übergangslösung sein. «Markus Asch ist als langfristige CEO-Lösung vorgesehen», sagt Zumbühl.
Die Aktien von Interroll legen heute in einem leicht freundlichen Markt um über 2% zu. Es gibt vorsichtige Hoffnungen, dass der neue CEO Interroll wieder auf den Wachstumspfad zurückführen kann. Für eine abschliessende Beurteilung diesbezüglich ist es jedoch noch zu früh. Ob Asch bei der kommenden Präsentation der Jahreszahlen bereits konkrete Ideen skizzieren wird, wie er das Wachstum ankurbeln möchte, bleibt offen. Anleger sollten sich den 13. März jedoch vormerken.
Ende des Jahres empfahl The Market, bei Interroll weiter abzuwarten und stattdessen weiterhin Kardex als defensivere Wette auf die Intralogistik zu bevorzugen. Daran ändert sich vorerst nichts, solange keine weiteren Details zur Strategie des neuen CEO bekannt sind.