Bundesrat Albert Rösti will die Post entlasten: Künftig müssen A-Post-Briefe weniger pünktlich ankommen. Doch braucht es mittelfristig radikalere Massnahmen.
Anfang Jahr provozierte Bundesrat Albert Rösti mit seinen Plänen für die Post einen Aufschrei. Von einem «Kahlschlag» sprachen die Gewerkschaften. Von einem «grotesken» und «völlig inakzeptablen» Vorhaben Vertreter seiner eigenen Partei, der SVP. Was war passiert? Rösti schlug vor, dass die Post nur noch zur Zustellung an drei Tagen verpflichtet werden soll statt wie heute an fünf. Auch sollten Briefe nicht wie heute am nächsten Tag ausgeliefert werden müssen, sondern innerhalb von zwei Werktagen.
Die breite Kritik zeigte Wirkung. Der Postminister begrub seine Pläne, noch bevor er sie überhaupt dem Bundesrat präsentierte. Stattdessen schlägt er nun eine abgespeckte Version seiner ursprünglichen Idee vor: Er will die Vorschrift lockern, wonach die Post 97 Prozent der Briefe und Pakete rechtzeitig zustellen muss. In Zukunft müssen nur noch 90 Prozent der A-Post-Sendungen am nächsten Tag ankommen. Ebenfalls soll die Post von der Pflicht befreit werden, auch entlegene Haushalte zu beliefern. Im Gegenzug soll künftig ein digitaler Brief zur Grundversorgung gehören.
Bereits brandet auch diesem Vorschlag Kritik entgegen. Moniert wird, dass die Kunden künftig nicht mehr sicher sein könnten, dass ihr Brief am nächsten Tag beim Empfänger ankommt – und dass der Bundesrat damit die Randregionen schwäche. Doch das Lamento ist unangebracht.
Die Post braucht mehr Spielraum, um auf die Erosion ihres Stammgeschäfts zu reagieren. Kommt das Unternehmen zum Schluss, dass es sich weiterhin lohnt, seine Briefe garantiert pünktlich auszuliefern, soll es das tun. So wie der Bundesbetrieb auch am Samstag A-Post-Briefe zustellt – obwohl er das gemäss Grundversorgungsauftrag nicht müsste.
Stellt die Post jedoch fest, dass dazu das Kundenbedürfnis fehlt, soll sie bei der Zustellung Abstriche machen dürfen. Allzu viel dürfte sich mit der Lockerung der Vorgaben ohnehin nicht ändern. Einzig in Ausnahmesituationen, etwa in der Zeit um den Black Friday oder vor Weihnachten, könnte die Zustellung von Briefen und Paketen etwas länger dauern.
Allerdings sollte man sich nichts vormachen: In den vergangenen zehn Jahren ist die Briefmenge bereits um ein Drittel zurückgegangen, im selben Zeitraum brach die Zahl der Bareinzahlungen gar um zwei Drittel ein. Weil unser Alltag mehr und mehr digitalisiert ist, wird sich dieser Abwärtstrend in den nächsten Jahren weiter beschleunigen. Man muss kein Prophet sein, um zu erkennen, dass die Rechnung für die Post früher oder später nicht mehr aufgehen wird.
Schon bald werden daher kleinere Retuschen wie die Änderung der Laufzeitvorgaben für Briefe und Pakete nicht mehr genügen, um eine finanzielle Schieflage der Post zu verhindern. Was es braucht, ist eine umfassende Neudefinition der Grundversorgung, die auch vor neuen Zustellformen und -rhythmen und Einschränkungen im Zahlungsverkehr nicht zurückschreckt. Im Gegenzug könnte das Monopol für Inlandbriefe mit einem Gewicht von unter 50 Gramm abgeschafft werden. Dieses Privileg der Post wird wegen der stark rückläufigen Briefmenge für die Finanzierung der Grundversorgung zunehmend vernachlässigbar.
Gewerkschaften und Politiker aus ländlichen Regionen werden sich gegen solche Einschnitte beim Service public mit Händen und Füssen wehren. Hält die Politik jedoch stur am Status quo fest, riskiert sie, der Post über kurz oder lang die Luft abzuschnüren. Noch finanziert die Post die Grundversorgung eigenwirtschaftlich. Doch wird der Service public nicht an die Realität angepasst, könnte die Post schon in naher Zukunft auf staatliche Unterstützung angewiesen sein. Es wäre dies das Letzte, was die Schweiz in der angespannten finanziellen Lage braucht.