Der Schweizer Personalvermittler Adecco steht vor Herausforderungen in einem schwierigen Geschäftsumfeld, was sich auch im rückläufigen Aktienkurs spiegelt. Zudem könnte die derzeit hohe Dividende in Gefahr geraten.
Geschätzte Leserin, geschätzter Leser
Wenn man die Dividende von 2.50 Fr. für das Geschäftsjahr 2023 als Ausgangslage nimmt, ergibt sich bei einem Investment in den Personalvermittler Adecco eine Ausschüttungsrendite von 11,5%. Gleichzeitig liegt die Bewertung, gemessen am Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) auf Basis der Schätzungen für die nächsten zwölf Monate, mit 9,2 unter dem Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre.
Dies ist auf den ersten Blick eine interessante Ausgangslage, wenn die Kursentwicklung ausblendet wird. Denn die Aktien befinden sich in einem anhaltenden Abwärtstrend. In den vergangenen zwölf Monaten hat der Kurs um 41% nachgegeben. Selbst unter Berücksichtigung der Dividende beträgt das Minus 34%.
«Die Schwäche an der Börse ist zum einen auf die schwache Konjunktur in Europa zurückführbar, die sich entsprechend auf die Arbeitsmärkte auswirkt, und zum anderen auf den rückläufigen Free Cashflow im dritten Quartal 2024, der zur Schuldentilgung benötigt wird», erklärt Michael Foeth, Analyst bei der Bank Vontobel.
Die Übernahme von Akka Technologies 2021 für 2 Mrd. € beschäftigt Adecco weiterhin. Die Integration in die Engineering-Sparte gestaltete sich aufgrund der Grösse und der Struktur als schwierig und kostspielig. Dies zeigte sich in einmaligen Integrationskosten von 126 Mio. € sowie weiteren Einmalkosten für Reorganisationsmassnahmen in den Geschäftsjahren 2022 und 2023, die die Profitabilität belasteten.
Diese Herausforderungen, die hohe Dividende und ein stark schwankender Free Cashflow haben die Verschuldung des Unternehmens steigen lassen, sagt Marc Strub, Fondsmanager bei der Privatbank Reichmuth & Co. Nach aktuellen Berechnungen würde Adecco mit dem derzeitigen Betriebsgewinn auf Stufe Ebitda etwa drei Jahre benötigen, um die Schulden zu tilgen.
Zumindest einmalige Dividendenkürzung wahrscheinlich
Marktbeobachter gehen mehrheitlich davon aus, dass sich die Verschuldungssituation in den kommenden zwei bis drei Jahren deutlich verbessern wird. Allerdings könnte die Reduktion der Verschuldung eine vorübergehende Dividendenkürzung mit sich bringen. Foeth erwartet für das Geschäftsjahr 2024 eine Reduktion der Dividende von bisher 2,5 auf 1 Fr.
Eine Kürzung ist für den Abbau der Verschuldung auch zwingend, da die Ausschüttungsquote für 2022 und 2023 bereits über 120% liegt. «In den letzten beiden Jahren wurde mehr Dividende ausgeschüttet, als durch den Free Cashflow erwirtschaftet wurde», so Strub.
Auch die Zürcher Kantonalbank rechnet damit, dass Adecco aufgrund eines instabilen und niedrigen Free Cashflows die Dividende für 2024 auf 1.80 Fr. senken wird. «Mangels Anzeichen eines makroökonomischen Rückenwinds erscheint uns eine Reduktion nun wahrscheinlicher», schreibt Analyst Gian Marco Werro in einem Bericht.
Ob Adecco tatsächlich eine Anpassung vornimmt, wird am 26. Februar bekanntgegeben, wenn das Unternehmen die Jahreszahlen präsentiert. Eine Dividendenkürzung kommt an der Börse in der Regel schlecht an und würde den Kurs von Adecco zumindest kurzfristig belasten.
Wie gross ist das KI-Risiko für Adecco?
Langfristig hängt die Höhe der Ausschüttungen von der Fähigkeit des Unternehmens ab, Free Cashflow zu generieren. Angesichts der technologischen Veränderungen erscheint dies jedoch zunehmend anspruchsvoll.
Es wird erwartet, dass Adecco hinter dem Branchenwachstum zurückbleibt, da der Vormarsch Künstlicher Intelligenz (KI) die Disintermediation traditioneller Personaldienstleister vorantreibt. Insbesondere auch, weil KI viele technische Berufe, die das Unternehmen vermittelt, verändert und die Zahl dieser Jobs durch KI reduziert werden könnte.
Das währungsbereinigte Umsatzwachstum, die Ebita-Marge und die Rendite auf das investierte Kapital des Schweizer Unternehmens haben sich seit 2013 im Vergleich zur Konkurrenz verschlechtert.
Das schwierige Marktumfeld und die hohe Abhängigkeit von der europäischen Konjunktur stellen Herausforderungen dar. Andererseits ist das Management bestrebt, die Kosten zu optimieren, was als positiver Aspekt gewertet werden kann, wie Stephan Sola, Manager des Plutos-Schweiz Fund, betont. Zudem scheint Adecco Marktanteile von Mitbewerbern zu gewinnen.
Diese Faktoren, kombiniert mit der Möglichkeit, dass sich der derzeitige Gewinnherabstufungszyklus dem Tiefpunkt nähert, könnten als Argumente für den Investment Case Adecco dienen. Allerdings dürfen Aktionäre angesichts eines rückläufigen Buchwerts je Aktie langfristig keine allzu hohen Renditen erwarten. In fünf der letzten zehn Jahren hat die Rendite auf das investierte Kapital gemäss Bloomberg die Kapitalkosten nicht gedeckt, womit das Unternehmen Aktionärswert vernichtet hat.
Adecco mit undankbarer Ausgangsposition
Zur Disruptions-Bedrohung durch KI gesellen sich weitere Abwärtsrisiken: ein BIP-Wachstum, das schwächer ist als erwartet, und sinkende Beschäftigungsquoten in den Industrieländern, Überinvestitionen in Erwartung von Wachstum, anhaltender Margendruck in Deutschland sowie ein geringerer operativer Hebel aufgrund der nachlassenden Wachstumsdynamik in den Kernmärkten von Adecco.
Adecco muss sicherstellen, dass sie ihren Kunden effiziente, KI-unterstützte Lösungen zur Verfügung stellt, um Rekrutierungsprozesse zu verbessern und zu beschleunigen. «Der Mensch sollte beim Rekrutieren weiterhin im Mittelpunkt stehen. Es ist wichtig, den Fokus auf Dienstleistungen zu legen, bei denen der persönliche Kontakt eine zentrale Rolle spielt», sagt Michael Foeth.
Bevor das Management von Adecco eine klare Strategie präsentiert, wie die Profitabilität erhöht, die Verschuldung gesenkt und nachhaltiges Wachstum erzielt wird, sollten Investoren die Aktien meiden – auch wenn die Dividendenrendite derzeit noch verlockend hoch ist.
Freundlich grüsst im Namen von Mr Market
Manuel Boeck