Angestellte im Staatsdienst haben Kündigungsschutz bis zur Pensionierung. An diesem Privileg rüttelt nun der zuständige Minister – die Gewerkschaften drohen mit Streiks.
Frankreich hat ein riesiges Heer von Beamten: 2,5 Millionen arbeiten für den Zentralstaat, 1,9 Millionen in den Gemeinden, Regionen und Departements, 1,2 Millionen im öffentlichen Gesundheitswesen. Jeder fünfte Angestellte im Land ist für den Staat tätig. In der Schweiz oder in Deutschland sind es nur halb so viele.
Die französischen Lehrerinnen, Feuerwehrleute oder Mitarbeiter in den Ministerien profitieren von attraktiven Bedingungen – und von einem De-facto-Kündigungsschutz bis zur Pensionierung. Doch damit soll nun Schluss sein, findet der Minister für den öffentlichen Dienst, Stanislas Guerini. Er möchte das «Tabu der Entlassung» aufheben, wie er der Zeitung «Le Parisien» sagte.
Zwar gibt es bereits heute die Möglichkeit, unfähigen oder faulen Beamte zu kündigen. Aber das ist eher theoretischer Natur. Von den 2,5 Millionen Angestellten des Zentralstaates verloren 2023 gerade einmal 13 den Job. «Wir können uns nicht von Leuten trennen, die ihre Arbeit nicht machen», hält Guerini fest. Das sei ungerecht gegenüber jenen Beamten, die sich engagierten und gute Leistungen erzielten.
Keine Entlassungen aus Geldnot
Guerini betont, es gehe ihm nicht darum, den Beamtenstatus ganz abzuschaffen. Ebenso wenig sei es sein Ziel, die Anzahl der Staatsangestellten massiv zu reduzieren – eine Idee, die angesichts des Milliardenlochs in der Staatskasse nicht völlig abwegig erschiene. Der Minister argumentiert vielmehr damit, dass es eine Modernisierung der Regeln brauche, die in den achtziger Jahren steckengeblieben seien.
Dennoch hat Guerini mit seiner Ankündigung in ein Wespennest gestochen. Die Gewerkschaften fühlen sich durch seine Wortmeldungen hintergangen. Denn sie sitzen derzeit mit der Regierung und auf deren Initiative hin am Verhandlungstisch, um den staatlichen Dienst zu reformieren und wieder attraktiver zu machen.
Das ist nötig geworden, weil sich die Behörden und Spitäler zunehmend schwertun, gut qualifiziertes Personal zu finden. Den Jungen fehlen dort die Perspektiven, anders als früher gehen sie lieber in die Privatwirtschaft. Zehntausende von staatlichen Stellen sind unbesetzt.
Gewerkschaften «schockiert»
Eine Aufweichung des Kündigungsschutzes ist nicht gerade das, was sich die Gewerkschaften unter einer Aufwertung der Arbeitsplätze vorstellen – und es sei bei den Gesprächen auch nie explizit ein Thema gewesen, beklagen sie sich. Mylène Jacquot, die Generalsekretärin der Gewerkschaft CFDT Fonction publique, bezeichnet die Vorschläge von Guerini als «schockierend» und «inakzeptabel» für die Beamten. Eine andere Gewerkschaftsfunktionärin erklärte, man könne höchstens darüber diskutieren, dass es für Beamte, die ihre Leistung nicht erbringen, künftig eine Form von Job-Coaching gäbe.
Im Januar hatte Staatspräsident Emmanuel Macron angekündigt, dass die Löhne der Beamten stärker von ihrer Leistung abhängen sollen – und weniger vom Dienstalter. Bereits damals reagierten die Gewerkschafter wütend. Es hiess, im öffentlichen Dienst, der ja nicht nach Rentabilitätskriterien funktioniere, gebe es gar keine Möglichkeit, die Leistung eines Angestellten genau zu messen.
Waffenstillstand aufgekündigt
Wegen der jüngst kommunizierten Reformpläne von Stanislas Guerini haben die Arbeitnehmerorganisationen nun den «olympischen Waffenstillstand» aufgekündigt, wie die Zeitung «Le Monde» schreibt. Am Mittwoch reagierte die grosse Gewerkschaft GCT mit einer Streikankündigung für alle Bereiche des öffentlichen Dienstes und für die ganze olympische Periode vom nächsten Montag bis Mitte September.
Das heisst nicht, dass dann wirklich Millionen von Beamten die Arbeit niederlegen – die formelle Streikankündigung ist für Staatsangestellte eine Voraussetzung dafür, dass sie zu einem späteren Zeitpunkt legal streiken dürfen. Oft bleibt es bei der Ankündigung. Aber es ist ein Zeichen des Unmuts und ein Warnsignal an Guerini im Sinne von: Wenn ihr mit der Reform Ernst macht, legen wir das Land lahm. Und zwar dann, wenn die ganze Welt nach Paris schaut.