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Der Technische Direktor Adrian Newey ist genervt vom Machtkampf in seinem Team Red Bull Racing. Ferrari, Aston Martin und Mercedes locken ihn. Was macht den begnadeten Konstrukteur so einzigartig?
Am liebsten hat Adrian Newey ein Brett vor dem Kopf, ein möglichst grosses. Damit seine Ideen von immer neuen, immer schnelleren Rennwagen auch den nötigen Raum bekommen. Wahlweise kann es auch ein Klemmbrett sein, mit dem er in der Startaufstellung vor einem Grand Prix durch die Reihen geht – begutachtend, was den Konkurrenten an aerodynamischen Lösungen eingefallen ist.
Meistens aber ist es umgekehrt, orientiert sich der Rest der Formel 1 doch am «Herrn der Lüfte»: Der Brite in Diensten von Red Bull Racing ist nicht nur die unprätentiöseste Führungskraft in diesem Schaustellergewerbe, sondern auch die mit Abstand erfolgreichste. Mittlerweile 13 Fahrer- und 12 Konstrukteurs-Weltmeisterschaften gehen massgeblich auf das Konto des Designers. Was kann der 65-Jährige, der mit einem langfristigen Vertrag von Red Bull Racing ausgestattet ist, noch wollen? Vor allem eins: seine Ruhe.
“It would be like walking out on your family.”
Adrian Newey explains why he didn’t leave Red Bull 🏎️
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— Formula For Success (@F1ForSuccess) December 21, 2023
Newey leidet unter Spannungen
Die findet er bei dem hinter den Kulissen tobenden Machtkampf zwischen Briten und Österreichern immer seltener. Die Geschehnisse um den Red-Bull-Teamchef Christian Horner, die Duldung des Motorsportberaters Helmut Marko, die Abwanderungsgedanken von Weltmeister Max Verstappen, all das stört ihn in seiner Konzentration aufs Wesentliche.
Gelegentlich dürfte er froh sein, dass in seinem Fachgebiet Gefühle keine grosse Rolle spielen, von Konflikten mit dem technischen Regelwerk einmal abgesehen. Sonst scheint dort alles berechenbar. Newey leidet, so ist es ihm jedenfalls anzusehen, körperlich unter den Spannungen. Da nützt ihm auch sein Gehalt im zweistelligen Millionenbereich nur wenig. Im Grübeln ist der stille Mann zwar brillant, aber es ist kein Dauerzustand für ihn, er hat Wichtigeres im Sinn.
So kommt es, dass er sich vor dem Grand Prix von China an diesem Wochenende auf dem ohnehin überkochenden Transfermarkt wiederfindet – als die wahre Königsfigur der Königsklasse des Motorsports. Dreimal hat er Angebote von Ferrari schon abgelehnt. Wie gut er sein Metier beherrscht, zeigt der Sachverhalt, dass die so stolzen Italiener gerade zum vierten Mal nachgefragt haben. Newey soll bereits am Flughafen in Bologna gesehen worden sein.
Eine zweite Offerte soll von Aston Martin vorliegen, der kanadische Milliardär Lawrence Stroll will zum grossen Reglementwechsel 2026 sein Top-Team komplett haben, er hat gerade eine gigantische Rennfabrik und den modernsten Windkanal der Formel 1 fertigstellen lassen. Der Vorteil des Aufsteigerrennstalls ist vor allem geografischer Natur, denn Newey ist stark mit Grossbritannien verbunden und möchte auf Dauer den gleichen Arbeits- wie Lebensmittelpunkt haben.
After rumours of Aston Martin being interested in Adrian Newey, Helmut Marko has weighed in on the matter.#F1 #RedBull #AstonMartin pic.twitter.com/Zrw3z1jyQ9
— PlanetF1 (@Planet_F1) April 13, 2024
So hat Newey die Qual der Wahl. Jüngst hatte er öffentlich voller Bedauern erklärt, wie gern er einmal mit Lewis Hamilton oder Fernando Alonso zusammengearbeitet hätte in seiner Karriere. Hamilton fährt im kommenden Jahr in Rot, Alonso weiterhin in Grün. Das ist gleich mehrfach eine Verlockung.
Raus aus einem Klima des Misstrauens, hin an einen Ort, in der seine Einzigartigkeit geschätzt würde. Adrian Neweys grosse Stärke liegt darin, dass er den Beruf als Renningenieur von der Pike auf gelernt hat. Er kombiniert mechanisches Wissen mit technischer Routine und Ideenreichtum im Aerodynamischen.
Hilfreich ist da auch, dass er oft in Teams mit weniger Budget gearbeitet hat und aus einem Minimum durch seine Innovationen das Maximum herausholen musste. Auf den Mann ist Verlass, er baut zwar immer radikal an der Grenze des Machbaren, aber das macht dann auf der Strecke den Unterschied.
Schnelle und leichte Rennwagen zu bauen, ist das eine, doch vor allem legt der Technische Direktor Wert darauf, dass seine Schöpfungen auch möglichst ästhetisch sind. Andernfalls würde er körperlich leiden. Er ist versessen aufs Detail, und hat er eine Idee erst einmal formuliert, weicht er in seiner Herangehensweise auch nicht mehr davon ab.
Anderen erklären kann Newey, der schon im Religionsunterricht lieber Rennwagen gemalt und, statt das Fussballtraining zu besuchen, lieber im Physiksaal experimentiert hat, sein Tun oft selbst nicht. Er muss eine hervorragende Intuition haben, dazu kommt eine gewisse Genialität. Die feinen Antennen dürften dem Freigeist gerade eine entscheidende Phase in seiner persönlichen Laufbahn signalisieren. Um nichts weniger als seinen vielleicht letzten grossen Vertrag geht es derzeit.
Verstappen und Newey dürften zusammenbleiben
Ins Buhlen um den Star-Designer hat sich nun auch Mercedes eingemischt. Wahrscheinlich ist, dass Newey seinem Schützling Verstappen folgen wird – und das dürfte auch umgekehrt gelten. Der Niederländer hat einen noch bis 2028 gültigen Vertrag mit einer Ausstiegsklausel, falls sich im Team-Management Entscheidendes verändert.
Kürzlich hat Verstappen behauptet, in der kommenden Saison auf jeden Fall noch für Red Bull zu fahren. Das würde dazu passen, dass Newey noch bis 2025 an seinen derzeitigen Arbeitgeber gebunden ist. Dabei geht es aber nicht nur um die Formel 1, sondern auch um einen spektakulären Supersportwagen, der im Herbst an die zahlungskräftige Kundschaft ausgeliefert werden soll. Der Hypercar RB17 mit 1100 PS zum Preis von rund sechs Millionen Franken wird unter Neweys Aufsicht bei Red Bull in Milton Keynes gebaut. Der Wagen ist eine Art Krönung seiner technischen Karriere.
Doch die Teamverantwortlichen von Red Bull Racing sind sich bewusst, dass Adrian Newey schon früher weg sein kann, wenn seine Unzufriedenheit zu gross wird. Das ist das Privileg der Exzentriker, sie lassen sich kaum zwingen. Neweys Ehefrau Amanda, die jeweils die Verhandlungen führt und die Vertragssummen hochpokert, soll schon länger sauer auf den Teamchef Horner sein. Dieser schätze ihren Gatten nicht genügend wert. Manchmal sind es tatsächlich solche persönlichen atmosphärischen Störungen, die ein Imperium zerbrechen lassen.
Red Bull’s first 1-2 in the drivers championship on their way to become their most successful pairing as well, the pair Newey and Waché love for their feedback and workplace chemistry and that Horner has called their best driver pairing with Max ✨ https://t.co/R5Xz8FjIIp pic.twitter.com/MswtKb21C7
— daisy 🦊 (@LlKECALLSTOLIKE) April 12, 2024