Die neue SP-Innenministerin Baume-Schneider muss von Amtes wegen gegen die Gewerkschaftsinitiative für eine 13. AHV-Rente antreten. Das Nein versüsst sie mit der Ankündigung, die Leistungen für Altersrentner mit tiefen Einkommen auszubauen.
Wenn die Schweiz in knapp sechs Wochen über die Volksinitiative für eine 13. AHV-Rente abstimmt, wird die zuständige Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider ein Ja einlegen. Dies zumindest suggerierte der Gewerkschaftspräsident Pierre-Yves Maillard kürzlich gegenüber der «NZZ am Sonntag»: «Ich habe keinen Zweifel, wie Frau Baume-Schneider abstimmen wird», sagte er. «Wir werden alles geben, damit sie in die Fussstapfen von Tschudi (dem ehemaligen SP-Bundesrat und «Vater der AHV», Anm. d. R.) treten kann, indem sie die 13. AHV-Rente einführt.» Und weiter: «Elisabeth hat die Chance, in die Geschichte einzugehen.»
Ob Maillard der SP-Bundesrätin mit seinen paternalistischen Anwandlungen und seiner Erwartungshaltung einen Gefallen getan hat, ist zweifelhaft. Man könnte fast den Eindruck erhalten, Maillard sei der starke Mann an «Elisabeths» Seite, der in den Sozialversicherungen den Ton angebe und die Dossiers führe. Dem ohnehin schon nicht übermässig guten Renommee von Bundesrätin Baume-Schneider ist das kaum zuträglich.
Nein zur Gewerkschaftsinitiative, aber . . .
Am Montag war es nun an der neuen Innenministerin, die ablehnende Position des Bundesrates zur Gewerkschaftsinitiative für eine 13. AHV-Rente vor den Medien zu präsentieren. Sie tat dies kurz und bündig. Auch wenn man schon überzeugendere bundesrätliche Abstimmungskämpfer gesehen hat – auch solche, die wie Baume-Schneider gegen ihre eigene Partei antreten mussten –, so fiel die Innenministerin mit ihrem Auftritt nicht aus dem Rahmen. Niemand hatte erwarten können, dass sie eine Kür hinlegen würde: Sie erledigte ihre Pflicht und spulte die Nein-Argumente ab. Sie werde ihre Aufgabe während des Abstimmungskampfes mit viel Verantwortung wahrnehmen, meinte sie auf eine entsprechende Journalistenfrage.
Die Gewerkschaftsinitiative will allen Pensionierten eine 13. AHV-Rente verschaffen, und dies bereits ab 2026. Im ersten Jahr würden sich die Kosten auf über 4 Milliarden Franken belaufen, ab 2031 wären es bereits 5 Milliarden. Wie die soziale Wohltat finanziert und die enormen Summen aufgebracht werden sollen, lässt die Initiative offen. Eine 13. AHV-Rente würde das Sozialwerk, «das sozialste und solidarischste der Schweiz», schwächen, sagte Baume-Schneider. Der Reformdruck nähme deutlich zu, was das Suchen nach kompromissfähigen Lösungen erschwerte. Darunter litten in erster Linie jene Personen, die nur eine geringe oder gar keine Rente aus der beruflichen Vorsorge erhielten und ganz wesentlich auf die AHV angewiesen seien.
Klar ist, dass der Bundesrat bei einer Annahme der Initiative unverzüglich handeln und dem Parlament eine Finanzierungsregelung vorlegen müsste. Welche Lösung dabei im Vordergrund stünde – eine Anhebung der Lohnbeiträge, der Mehrwertsteuer oder einer anderen Steuer –, dazu äusserte sich Baume-Schneider nicht. Hingegen attestierte sie der Gewerkschaftsinitiative, dass sie mit der Armut im Alter ein wichtiges Thema aufgreife. Es gebe pensionierte Personen, die nur knapp über die Runden kämen. Für diese Gruppe brauche es gezielte Massnahmen, sagte sie.
Mehr Geld für bedürftige Rentner
Baume-Schneider weiss bereits, wie sie dies tun und welche Vorschläge sie dem Bundesrat im Rahmen der nächsten AHV-Reform präsentieren will. Sie nannte zum einen die von ihrem Vorgänger Alain Berset aufgegleiste Reform zum betreuten Wohnen, die den älteren Menschen ermöglichen soll, länger im eigenen Zuhause zu bleiben. Dabei geht es um Dinge wie die Vergütung von Fahrdiensten oder einen Mietzuschlag für eine altersgerechte Wohnung. Zum anderen erwähnte sie zwei Motionen im Parlament, die Rentner mit kleinem AHV-Einkommen stärker begünstigen wollen und bei denen mit Zusatzkosten von rund 1 Milliarde Franken gerechnet wird. Der Nationalrat stimmte dem Vorstoss – gegen den Willen des Bundesrates – in der letzten Session zu, im Ständerat ist er noch hängig.
Auch hier würde Geld mit der Giesskanne verteilt, doch wäre der Streuverlust deutlich kleiner als bei der 13. AHV-Rente. Man sieht also, in welche Richtung es nach dem Wunsch der Innenministerin gehen soll. Auch wenn die 13. AHV-Rente abgelehnt wird, werden die Begehrlichkeiten gegenüber der Altersvorsorge bestehen bleiben.
Kurzen Prozess machte Baume-Schneider mit der Renteninitiative der Jungfreisinnigen, die ebenfalls am 3. März an die Urne kommt. Das Begehren möchte das Rentenalter bis 2033 schrittweise auf 66 Jahre erhöhen, was die AHV um 2 Milliarden entlasten würde. Danach soll das Rentenalter der durchschnittlichen Lebenserwartung folgen. Die Initiative sei zu rigid, «sie passt nicht zur politischen Kultur der Schweiz», sagte die Innenministerin. Die AHV sei «kein Labor». Das Nein des Bundesrates zur Renteninitiative und der Verzicht auf einen Gegenentwurf kann man nicht Baume-Schneider anlasten; als der entsprechende Beschluss gefasst wurde, sass sie noch im Parlament.
In welscher Umgebung
Nun ist sie seit drei Wochen an der Spitze des Innendepartements (EDI) und hat als dezidiert linke Politikerin die Sozialwerke in ihren Händen. Das Bundesratskollegium sah darin offenbar kein Problem (oder wollte es nicht sehen) und stellte sich dem Wunsch von Baume-Schneider, auf Anfang Jahr das EDI zu übernehmen, nicht entgegen. Mag sein, dass sich die französischsprachige Jurassierin in dem neuen Departement, das seit mehr als drei Jahrzehnten von welschen Bundesräten geführt wird, organisatorisch und mentalitätsmässig besser zurechtfinden wird, als ihr dies im traditionell deutschschweizerischen Justiz- und Polizeidepartement gelungen ist.