Die globale Verwahrungsstelle der AHV ist seit 2024 nicht mehr die UBS, sondern ein amerikanisches Institut. Die Wirtschaftskommission des Nationalrats wollte das ändern, doch im Plenum scheiterte das Anliegen knapp.
AHV-Vermögen in den USA? Das klingt im Zeitalter der Regierung Trump II gefährlich. Denn jene Regierung ist dem Anschein nach zu fast allen Bösartigkeiten fähig. Zum Beispiel zur Blockierung der in den USA liegenden AHV-Gelder zwecks Herauspressen von Schweizer Konzessionen in bester Mafia-Manier – wie etwa helvetische Zahlungen jährlicher Schutzgelder in beliebiger Höhe.
Die Wirtschaftskommission des Nationalrat war jedenfalls stark beunruhigt. So beschloss sie diesen Januar mit klarer Mehrheit gegen den Willen des Bundesrats eine Motion, die verlangt, dass die Verwalterin der AHV-Gelder eine Schweizer Depotbank beauftragt – und den laufenden Vertrag mit der amerikanischen State Street auflöst. Betroffen sind auch die Gelder der IV und der Erwerbsersatzordnung. Insgesamt geht es um Anlagevermögen von zurzeit etwa 43 Milliarden Franken, wovon rund 38 Milliarden auf die AHV entfallen. Die für die Verwaltung der Fonds dieser Sozialwerke zuständige Behörde ist die Compenswiss.
Compenswiss hatte das Mandat für die globale Depotbank (Verwahrungsstelle) per Juli 2024 an die State Street Bank International vergeben. Jene Einheit ist zwar im einigermassen unverdächtigen München stationiert, und sie hat auch eine Niederlassung in Zürich. Doch der globale Hauptsitz von State Street ist in den USA.
Anstoss der Finanzkontrolleure
Zuvor war die UBS mehr als 25 Jahre Depotbank der AHV. Aber als Folge einer von der Eidgenössischen Finanzkontrolle empfohlenen Neuausschreibung vergab Compenswiss den Auftrag an State Street –laut eigenen Angaben aufgrund eines besseren Preis-Leistungs-Verhältnisses sowie aufgrund des Rufs, der technischen Kompetenz, der Erfahrung und der Schweizer Präsenz des Anbieters. Die Rede war von Einsparungen über die fünfjährige Vertragslaufzeit von total 3 bis 5 Millionen Franken.
Die globale Depotbank ist gemäss Compenswiss zuständig unter anderem für die sichere Verwahrung der Vermögenswerte, die Renditeberechnungen, ein einheitliches Berichtswesen und die Ernennung von «Unter-Depotbanken» in praktisch jedem Land, in dem Vermögenswerte hinterlegt sind. Die Vermögenswerte liegen in jenen Ländern oder Regionen, in denen sie gehandelt werden – so sind also zum Beispiel amerikanische Papiere in den USA deponiert und europäische Papiere in Europa.
Der Wechsel der globalen Depotbank führte somit gemäss Compenswiss und dem Bundesrat zu keinen physischen Verschiebungen von Wertpapieren. Doch dies konnte die Kritiker in der nationalrätlichen Wirtschaftskommission nicht besänftigen. Ebenso wenig wie der Hinweis, dass eine erpressungswillige amerikanische Regierung vor einer schweizerischen Depotbank der AHV wohl noch weniger Respekt hätte als vor einer amerikanischen Depotbank. Für Kritiker klingt derzeit «amerikanische Firma» kaum besser als «chinesische Firma» oder «russische Firma» – alle erscheinen als (potenzielle) Handlanger ihres Staates.
Sicherheit vor Sparen
Im Nationalrat wurde es am Donnerstag knapp. Die AHV-Vermögen seien «systemrelevant» für das Land, betonte der Zürcher SVP-Nationalrat Thomas Matter im Namen der Mehrheit der Kommission: Deshalb sei in diesem Fall die sicherere Lösung besser als die etwas günstigere Variante. Das Risiko einer Blockierung von AHV-Geldern durch die USA sei zwar klein, aber State Street unterstehe amerikanischem Recht. Man könne nicht ausschliessen, dass die USA auf AHV-Gelder zugreifen könnten. Laut dem Waadtländer FDP-Nationalrat Olivier Feller liegt rund ein Drittel der AHV-Vermögen in amerikanischen Werten und damit in den USA.
Die Berner Grünliberale Kathrin Bertschy brachte im Namen der Minderheit der Kommission vor allem drei Argumente gegen die Motion vor: Der Vorstoss verletze mit seiner Forderung nach Vertragsauflösung die Rechtssicherheit, die Vergabe des Mandats für die Depotbank liege in der Kompetenz von Compenswiss, und die in den USA liegenden AHV-Vermögen seien bei der UBS New York nicht besser gegen allfällige amerikanische Sanktionswünsche geschützt als bei der State Street. Compenswiss war zum gleichen Schluss gekommen: «Die Auswirkungen eines allfälligen Einfrierens wurden für alle Bieter, ob mit Sitz in der Schweiz oder im Ausland, als ähnlich eingeschätzt.»
Nationalrat Matter bestritt indes, dass der Wechsel der AHV-Depotbank von der UBS zu State Street keinen Einfluss auf die Zugriffsmöglichkeiten der USA habe. So sei es möglich, dass die USA über die globale Verwahrungsstelle State Street eher Zugriff auf AHV-Vermögen in Drittländern wie etwa Deutschland bekomme als über die UBS. Matter relativierte als Sprecher der Wirtschaftskommission überdies den Vorstoss in einem Punkt.
Der Text des Vorstosses verlangt eine Auflösung des Vertrags mit State Street, doch laut Matter soll Compenswiss «zum nächstmöglichen Termin» wieder eine Schweizer Bank beauftragen. Laut Sozialministerin Eveline Baume-Schneider ist der laufende Fünfjahres-Vertrag nicht ohne bedeutende Kosten vorzeitig kündbar. Beim Ablauf des Vertrags (2029) ist in Washington eine andere Regierung am Ruder.
ZKB als Alternative?
Gemäss Compenswiss war am Ende des letzten Ausschreibungsverfahrens nebst State Street nur noch die UBS als valable Alternative im Rennen, doch State Street habe mehr überzeugt. Laut Nationalrat Feller kann in der Schweiz aber nicht nur die UBS die Rolle einer globalen Verwahrungsstelle übernehmen: So habe die Suva, die mehr Vermögen verwalte als die AHV, die Zürcher Kantonalbank als Depotbank.
Am Ende scheiterten die Befürworter der Anti-USA-Motion knapp. Der Nationalrat lehnte mit 98 Nein bei 89 Ja und acht Enthaltungen die Motion ab. Der Vorstoss ist damit versenkt. Geschlossen oder grossmehrheitlich dagegen stimmten die Linke, die Grünliberalen und die FDP. Dafür stimmten die SVP und die Mehrheit der Mitte. Bei einer grösseren Geschlossenheit der Mitte wäre das Ergebnis anders herausgekommen.
Sozialministerin Elisabeth Baume-Schneider erklärte auf eine entsprechende Frage im Rat, dass die Wahl der Depotbank Sache von Compenswiss bleibe. Aber sie deutete ihre Vermutung an, dass der zuständige Verwaltungsrat bei künftigen Ausschreibungen das politische Aufregerpotenzial des Themas berücksichtigen werde.