Es ist eine Frage der Perspektive, wie man den Schweizer Auftritt beim 0:0 im Testspiel in Dänemark bewerten möchte. Im neuen System gefällt das Nationalteam defensiv – aber die Harmlosigkeit im Angriff ist bemerkenswert.
Testländerspiele – braucht man sie wirklich? Diese Frage drängte sich am Samstagabend beim 0:0 zwischen Dänemark und der Schweiz im kalten Parkenstadion in Kopenhagen erneut auf. Die Spieler befinden sich gerade in einer intensiven Phase bei ihren Vereinen, und ihr Hauptziel ist es, sich nicht zu verletzen.
Für die Nationaltrainer bieten solche Spiele die Möglichkeit, Experimente durchzuführen und sogar kleine taktische Revolutionen zu starten. Murat Yakin hat das versucht. Der Schweizer Coach präsentierte in Kopenhagen ein 3-5-2-System, das an der EM im Sommer die Grundformation sein könnte.
Nach dem 0:0 fällt die Bewertung von Yakins durchaus interessanten Überlegungen zwiespältig aus. Die Schweizer waren solid und solidarisch, sie trotzten dem EM-Halbfinalisten von 2021 und vermochten den Negativtrend zu stoppen. Aber in den letzten acht Spielen haben sie nur einmal gewonnen, 3:0 gegen den Fussballzwerg Andorra – wobei Dänemark der erste Gegner von gehobenem europäischem Niveau in dieser Zeit war.
Die gescholtenen Schär und Akanji stabilisieren sich
Es ist also positiv zu vermerken, dass die Schweizer diszipliniert und aufmerksam verteidigt haben. Manuel Akanji und Fabian Schär, die in der Premier League oft überzeugen, haben bewiesen, dass sie defensiv gut zusammenarbeiten können.
Schär gefiel mit präzisen Pässen in der Angriffsauslösung und zeigte sich nach dem Spiel erfreut über die Entwicklung der letzten Tage. Vor zwei Wochen hatte er in Newcastle Besuch von Yakin erhalten und wurde darüber informiert, dass er möglicherweise keinen Platz in der Startformation haben werde.
Murat Yakin hat sich entschieden, seine Rolle als risikofreudiger Trainer ohne Hemmungen zu spielen. Dazu gehört auch die gewagte Entscheidung, Dan Ndoye als linken Aussenspieler einzusetzen. Das verdient Anerkennung, weil Ndoye mit seiner Schnelligkeit gefährliche Aktionen kreieren kann. Aber auch hier ist das Urteil eine Frage der Perspektive – Ndoye hat in der Defensive viele (Stellungs-)Fehler gemacht.
Yakin und Xhaka lassen persönliche Befindlichkeiten ruhen
Yakin analysierte das Unentschieden wenig überraschend positiv, weil es den Schweizern gelungen sei, dem starken Gegner nur wenige Chancen zu ermöglichen. Auch Granit Xhaka hob die positiven Aspekte hervor, man habe das Spiel über weite Strecken im Griff gehabt.
Der Trainer und sein Captain scheinen sich darauf geeinigt zu haben, persönliche Befindlichkeiten im EM-Jahr ruhen zu lassen. Ob das funktioniert, bleibt abzuwarten. Xhaka war in Dänemark bei weitem nicht so dominant wie in dieser Saison oft bei Bayer Leverkusen, aber er trat auf seiner Lieblingsposition als defensiver Mittelfeldspieler abgeklärt auf – und blieb unverletzt.
Das galt nicht für den Goalie Yann Sommer, der sich am rechten Fuss verletzte, ausgewechselt werden musste und am Sonntag für medizinische Abklärungen zu seinem Klub Inter Mailand zurückreiste. Weil auch Gregor Kobel angeschlagen fehlt, durfte Yvon Mvogo in Dänemark zeigen, dass er ebenfalls ein zuverlässiger Torhüter ist. Die Erkenntnis ist nicht neu: Die Schweiz gehört zu den besten Nationen Europas, wenn es um Goalies geht.
Der Schweizer Angriff bleibt eine Baustelle
Das Nationalteam muss jedoch noch ein paar Ideen entwickeln, um offensiv durchschlagskräftiger zu werden. Es ist theoretisch möglich, mit drei 0:0 den EM-Achtelfinal zu erreichen; aber es wäre unklug, zu sehr auf diese Möglichkeit zu setzen.
In Dänemark blieb der Stürmer Noah Okafor blass. Ruben Vargas, der als Zulieferer agierte, war zwar fleissig, aber genauso harmlos. Auch der eingewechselte Zeki Amdouni verfügt nicht über aussergewöhnliche Wucht und Robustheit. Wobei zu erwähnen ist, dass die Schweizer zum ersten Mal in diesem System spielten.
Es fehlten noch die Automatismen in der Offensive. So bleiben zwei Erkenntnisse, die dieses Testländerspiel nicht unbedingt gebraucht hätte: Die Schweiz wartet sehnsüchtig auf den starken Angreifer Breel Embolo, der nach einem Kreuzbandriss bald sein Comeback für Monaco geben soll – und sie kann nicht auf Xherdan Shaqiri und dessen Klasse, Kreativität und Torgefahr verzichten.
Shaqiri wurde in seinem 120. Länderspiel erst in den letzten Minuten eingewechselt. Er vermied es erfolgreich, Verständnis für diese Entscheidung zu zeigen. Er sagte, dass Trainer in Testspielen Experimente wagen dürften. Aber: «Irgendwann wird man analysieren müssen, was gut war und was nicht.» Die gute – oder je nach Perspektive nicht so gute – Nachricht ist, dass die Schweizer bis zur EM noch drei Testspiele haben. Das nächste findet am Dienstag in Irland statt.