Die Vermieter des Saals sagen, der Anlass trage zur «persönlichen Meinungsbildung» bei.
Der Anti-Israel-Aktivist Ali Abunimah ist in der Schweiz nicht willkommen. Als der Amerikaner Ende Januar in der Stadt Zürich zwei Vorträge halten wollte, durfte er zwar zuerst einreisen. Kurz danach wurde er aber von der Polizei verhaftet, weil in der Zwischenzeit eine Einreisesperre gegen ihn ergangen war.
Diese hatte das Bundesamt für Polizei (Fedpol) auf Antrag des Kantons Zürich erlassen. Das Fedpol verweigert den Grenzübertritt, wenn eine Person die innere oder äussere Sicherheit der Schweiz gefährdet. Der Zürcher Sicherheitsdirektor Mario Fehr sagte im Januar gegenüber der NZZ: «Einen islamistischen Judenhasser, der zu Gewalt aufruft, wollen wir nicht in der Schweiz.»
Abunimah vertritt extreme Positionen. Unter anderem hat er Israel auf der Plattform X das Existenzrecht abgesprochen. Dessen jüdische Bevölkerung solle vertrieben werden. Annalena Baerbock hat er in Anlehnung an Hitlers Aussenminister als «Annalena von Ribbentrop» verunglimpft.
States don’t have an inherent «right to exist.» But if they did and if «Israel» ever had one (it doesn’t and never will), then it has completely forfeited it now. A «state» that perpetrates genocide should be dismantled.
— Ali Abunimah (@AliAbunimah) November 22, 2023
Nun kehrt Abunimah nach Zürich zurück – jedenfalls virtuell. Am 13. April soll er sich aus den USA zu einem Anlass der «Watermelon University» zuschalten. Die «Watermelon University» ist ein wenig bekanntes Kollektiv von Zürcher Palästina-Aktivisten, das schon Abunimahs Besuch im Januar organisiert hatte.
Am Anlass, der für vier Stunden angesetzt ist, soll Abunimah über den palästinensischen Widerstand seit 1948 sprechen, über den 7. Oktober und über ein «wiedervereinigtes Palästina».
Ausserdem soll es ein Update geben über den Rechtsstreit mit den Schweizer Behörden. Abunimah will sich rechtlich gegen seine Verhaftung und Abschiebung im Januar wehren.
Beim Sicherheitsdirektor Mario Fehr ist inzwischen eine Klageandrohung eingegangen: Abunimah lässt über seine Anwältin verlauten, dass er auf rechtliche Schritte verzichte, wenn Fehr sich öffentlich entschuldige. Und der Kanton Geld überweise.
In der Bonlieu-Genossenschaft willkommen
Ein Lokal zu finden, das Abunimah einen Auftritt zugesteht, ist nicht einfach. Als er im Januar nach Zürich kam, mussten die Veranstalter wiederholt kurzfristig den Veranstaltungsort ändern. Unter anderem lehnte es die Zentralwäscherei ab, ihm Gastrecht zu gewähren. Am Schluss blieb nur noch eine besetzte Liegenschaft – die alte Post in Wipkingen.
Für den Anlass vom April sind die Aktivisten nun fündig geworden, und zwar nicht in einem Hinterhof, sondern bei einer traditionsreichen Zürcher Institution: bei der Bonlieu-Genossenschaft. Ihr gehört im Kreis 4 eine grosse Liegenschaft, in deren Erdgeschoss das bekannte, aber derzeit geschlossene Café Boy untergebracht ist. Das Haus gilt als Keimzelle der Zürcher Linken. Die Genossenschaft Bonlieu ist die Nachfolgerin der 1917 gegründeten Proletarischen Jugend.
Im Gebäude gibt es Säle, die von Externen gemietet werden können. Genau dies hat die «Watermelon University» getan.
Dass in der Bonlieu-Liegenschaft jemand auftreten darf, wenn auch nur virtuell, der von der Schweiz als Sicherheitsrisiko eingestuft wird und der Israel das Existenzrecht abspricht, ist bemerkenswert. Denn die Genossenschaft hat für die Vermietung ihrer Säle klare Richtlinien erlassen.
Man vermiete keine Räume für Anlässe, «deren Ziele rassistisch, sexistisch, ausländerfeindlich oder in einer anderen Art ausgrenzend sind oder der demokratischen Grundordnung zuwiderlaufen», heisst es in den Regeln. Doch eine Veranstaltung mit einem Extremisten, der ein ganzes Land ausgrenzen will, ist offenbar kein Grund für eine Absage.
Thomas Kamber ist Vorstandsmitglied der Genossenschaft. Er sagt, der Vorstand beurteile die Äusserungen Abunimahs auf der Plattform X in Form und Inhalt als «eindeutig schädlich und kontraproduktiv für einen Dialog» im Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern.
Die Veranstaltung biete aber die Möglichkeit, Abunimah direkt mit seinen Äusserungen zu konfrontieren, schreibt Kamber. Ausserdem sei sie öffentlich und trage zur persönlichen Meinungsbildung bei.
Kamber sagt, die Genossenschaft habe Abklärungen vorgenommen und Gespräche mit der «Watermelon University» geführt. «Wir gehen davon aus, dass unser Vermietungsreglement eingehalten wird und in keiner Weise Raum geboten wird für antisemitische Haltungen und Propaganda.»
Im Haus der Bonlieu-Genossenschaft tragen alle Säle Namen bekannter linker Figuren. Der Raum, in welchem der Palästinenser-Freund auftritt, der Israel das Existenzrecht abspricht, ist nach Rosa Luxemburg benannt. Sie stammte aus einer jüdischen Familie.