Alinghi hat in der Ausscheidungsregatta für den America’s Cup alle bisherigen Duelle verloren. Wenn die Schweizer Segler den französischen Gegner Orient Express nicht stoppen können, werden sie frühzeitig die Heimreise antreten müssen.
Eigentlich wäre die Aufgabe für Alinghi einfach: In der ersten Phase der Ausscheidungsregatta für den 37. America’s Cup müssen die Schweizer Segler unter fünf Teams lediglich den vierten Rang erreichen. Für den zweifachen America’s-Cup-Sieger, der mit grossen Ambitionen und einem noch grösseren Budget in Barcelona am Start ist, sollte diese erste Hürde zu meistern sein.
Doch nach vier Renntagen haben die Schweizer gegen alle vier Challenger und gegen den Defender Neuseeland (dessen Ergebnisse nicht in die Wertung kommen) das jeweils erste von zwei Duellen verloren. Alinghi liegt punktlos auf dem letzten Platz. Die Enttäuschung im Schweizer Lager ist spürbar.
Schaden am Mast und Disqualifikation gegen Defender Neuseeland
Die schwachen Winde, die in Barcelona an den letzten Augusttagen herrschten, sorgten für einen aussergewöhnlichen Cup-Auftakt. Zu sehen waren nicht alltägliche Bilder: Die millionenteuren Racer hatten bei Windgeschwindigkeiten von sechs bis acht Knoten bereits am Start Mühe, auf ihre Foils zu kommen, oder sie fielen während der Fahrt von ihren Tragflächen.
Das passierte Alinghi im zweiten und im dritten Rennen, aber auch andere Teams waren betroffen. Bei Alinghi kam erschwerend hinzu, dass die Crew um den Skipper Arnaud Psarofaghis jeweils am Start schlecht aussah. Nach der dritten Niederlage zog deshalb Brad Butterworth, Vorstandsmitglied des Alinghi Red Bull Racing Team, eine triste Bilanz. Und sagte: «Wir haben es hier mit den besten Jungs als Gegner zu tun, also dürfen wir ihnen nichts schenken.»
Butterworth, seit dem Jahr 2000 bei Alinghi und Berater von Eigner Ernesto Bertarelli, dachte bei den «besten Jungs» wohl an Granden wie Ben Ainslie (für England im Einsatz), Jimmy Spithill (Italien) und Tom Slingsby (USA), alles hochdotierte Spitzensegler und erfahrene Cup-Steuerleute.
Das kurze Résumé von Alinghi-Skipper Psarofaghis nach der Niederlage im dritten Durchgang gegen England lautete: «Wir machen uns das Leben zu schwer und jenes unserer Gegner zu leicht. Wir müssen so segeln, wie wir es könnten.» Können sie es? Diese Frage drängt sich bei Halbzeit der Ausscheidungsregatta auf.
Bitter war insbesondere die Niederlage zum Auftakt gegen Frankreich. In der Vorregatta hatten die Schweizer die Segler aus dem Nachbarland noch dominiert. Am Eröffnungstag zum Louis-Vuitton-Cup, der Regatta für die Cup-Challenger, hatten sich die schwierigen Windbedingungen bereits abgezeichnet, die dann bis am Samstag anhielten. Der schwache Wind liess zwar ein Fliegen auf den Foils zu, doch es war klar, dass der Sieger der Startphase es jeweils leicht haben würde, die bessere Windseite der Regattabahn zu wählen, das Rennen zu diktieren und zu gewinnen.
Den Franzosen gelang es, die Schweizer am Start auf die schlechtere Seite zu drängen. Und die frühe Führung gab das Boot Orient Express, dessen Konstruktion auf dem Design-Basispaket des Cup-Siegers Neuseeland beruht, nicht mehr ab. Zwar holten die Schweizer auf dem Vorwindkurs auf, doch gefährden konnten sie die Franzosen nicht mehr.
Auch am Sonntag war der Auftritt der Schweizer wenig erfolgversprechend. Vor dem Start gegen Neuseeland trat ein Schaden am Mast auf, anschliessend überschritt die Crew deswegen die zeitliche Vorgabe für den Eintritt in die Startbox und wurde disqualifiziert.
Im folgenden Match gegen Luna Rossa konnte Alinghi lediglich auf der ersten Bahn mithalten, dann war bei acht bis zwölf Knoten das Boot und die Crew dem Gegner unterlegen. Immerhin gaben die Alinghi-Segler ein besseres Bild ab als an den Vortagen. Doch das zweite Duell mit Frankreich, das für den kommenden Dienstag geplant ist, dürfte bereits zu einer schicksalshaften Wettfahrt für die Schweizer werden.
Sie müssen den Vergleich mit dem vermeintlich schwächsten Gegner gewinnen, wenn sie nicht als Letzte vorzeitig die Heimreise antreten wollen. Kein leichtes Unterfangen; die Franzosen haben im Verlaufe der Rennserie die grössten Fortschritte gemacht. Gegen die Engländer konnte die Crew der Orient Express das Duell lange offen gestalten.
Was für Alinghi ebenfalls nicht allzu optimistisch stimmen könnte: Da die Wetterexperten auch für die nächsten Tage eher schwache Winde prognostizieren, könnte die zweite Round Robin ähnlich verlaufen wie die erste.
Die Italiener sind auf Kurs – ihr elegantes Boot scheint sehr schnell zu sein
Relativierend ist anzumerken, dass die schwierigen Windverhältnisse eine Beurteilung der Teams schwierig gemacht hat. Es zeichneten sich eher Konturen ab, die gewisse Schlüsse auf die Stärken und Schwächen der fünf Herausforderer zuliessen.
Basierend darauf haben die Italiener den besten Eindruck hinterlassen. Das ist nicht weiter erstaunlich; Luna Rossa war 2021 in Auckland im Final um den letzten America’s Cup den siegreichen Neuseeländern in der Anfangsphase ebenbürtig gewesen. Das Duell ging zwar mit 3:7 verloren, doch allem Anschein nach hat sich das Team um die beiden Steuerleute Jimmy Spithill und Francesco Bruni gut weiterentwickelt. Ihr elegantes Boot scheint sehr schnell zu sein.
Die Engländer und die Amerikaner haben Höhen und Tiefen hinter sich, doch sie konnten die Schweizer und Franzosen auf Distanz halten. So hat Alinghi eigentlich nur noch eine Hoffnung im Kampf um den Halbfinaleinzug: dass es das Team Orient Express stoppen kann.