Der Teameigner Ernesto Bertarelli ist offenbar verärgert über das Regelwerk der nächsten Austragung. Der America’s Cup erlebt grad einige Turbulenzen.
Seit Tagen kursierte das Gerücht, nun ist es offiziell: Alinghi wird am nächsten America’s Cup nicht teilnehmen. In einem knappen Communiqué gab das Team am Samstagabend bekannt, dass Alinghi Red Bull Racing aufgelöst werde. Der zweifache Cup-Sieger begründet den Rückzug damit, dass trotz intensiver Bemühungen keine Einigung mit dem Titelverteidiger Team New Zealand über die Zukunft der Veranstaltung erzielt werden konnte.
«Wir hätten uns mehr Verantwortungsbewusstsein, mehr Transparenz und neue Möglichkeiten gewünscht – nicht mehr individuell, sondern als Gruppe zu agieren», heisst es in der Mitteilung. So hätte man gemeinsam eine kommerziell tragfähige Veranstaltung schaffen können, «die weltweit Fernsehübertragungen, Zuschauer und Sponsoren angezogen hätte».
Bereits der zweite Rückzug Alinghis
Für Alinghi ist es bereits der zweite Rückzug aus dem America’s Cup – nach 2010. Offenbar waren die Differenzen so gravierend, dass sich der Teameigner Ernesto Bertarelli zur Auflösung des Teams gezwungen sah. Noch bei der Ankündigung der Teilnahme am Cup 2024 in Barcelona hatte der Genfer Milliardär mehrfach angedeutet, er plane mindestens zwei Kampagnen – entsprechend gross war auch das finanzielle Engagement. Doch nun scheint ihn besonderes das Regelwerk für die 38. Austragung des Cups zu enttäuschen.
Ein möglicher Streitpunkt ist die Nationalitätenklausel: Nach dem enttäuschenden Abschneiden einer rein schweizerischen Crew in Barcelona wollte Alinghi offenbar wieder auf internationale Segler setzen. Ein weiterer Kritikpunkt könnte das Fehlen von Vorregatten sein – also von Vorbereitungsevents, die für die Sichtbarkeit bei Sponsoren entscheidend sind. Die Hinweise auf mangelnde Transparenz und fehlenden Einbezug der Herausforderer deuten darauf hin, dass Neuseeland als Titelverteidiger die Regeln einseitig und autoritär gestalten möchte. In Bertarellis Augen droht damit erneut ein Cup mit nur wenigen Teilnehmern.
Auch für Neuseeland selbst verlief die Vorbereitung auf den nächsten Cup alles andere als reibungslos. Die neuseeländische Regierung verweigerte die Finanzierung einer Verteidigung des Cups in Auckland – ein Heimspiel kam damit nicht infrage. Grant Dalton, CEO des America’s Cup, zeigte sich gelassen und kündigte an, den Cup erneut im Ausland auszutragen. Als europäische Destinationen stehen Athen und Neapel zur Diskussion, dazu Jidda in Saudiarabien.
Kurz darauf wurde bekannt, dass der Star-Steuermann Peter Burling, der dreimal den Sieg für Neuseeland eingefahren hatte, das Team verlässt. Zudem erklärte Ineos Britannia, Finalist in Barcelona, überraschend seinen Verzicht auf eine weitere Teilnahme. Der Teameigner Jim Ratcliffe konnte sich mit dem Skipper Ben Ainslie nicht auf eine Zusammenarbeit einigen – Ainslie möchte zwar weiter am Cup teilnehmen, steht jedoch nun vor einem Finanzierungsproblem.
Ob Bertarelli dem Segelsport erhalten bleibt, ist offen
Die Herausforderungen häufen sich also – und sie dürften Bertarelli in seiner Entscheidung bestärkt haben. Ob er dem Segelsport dennoch verbunden bleibt, ist offen. Mit der Sail GP hat sich längst eine ernstzunehmende Konkurrenz zum America’s Cup etabliert. Die Katamaran-Serie schreibt im fünften Jahr ihres Bestehens erstmals schwarze Zahlen. Zwölf Teams, darunter eines aus der Schweiz, sind dabei; im September findet erstmals eine Regatta auf dem Genfersee statt. Zwei aktuelle Alinghi-Segler – Psarofaghis und Mettraux – fahren im Team Schweiz bereits mit.
In den Fachmedien wird spekuliert, Ernesto Bertarelli könnte das Schweizer Sail-GP-Team übernehmen oder sogar die ganze Serie kaufen. Möglich ist aber auch, dass er den Segelsport verlässt: Im September wird er 60 Jahre alt, da könnten andere Prioritäten in den Vordergrund rücken.