Scheidungen und Trennungen schmälern die Altersvorsorge oft erheblich. Wie das Geld in AHV, Pensionskasse und Säule 3a aufgeteilt wird und wie sich Vorsorgelücken verringern lassen.
«Wenn es um Geld geht, muss man eine Beziehung grundsätzlich vom Ende her denken», hat der Hamburger Paartherapeut und Buchautor Michael Mary in einem Interview mit dieser Zeitung empfohlen. Dies hört sich unromantisch an – doch die Realität zeigt, dass dieses Vorgehen seine Berechtigung hat. Laut dem Bundesamt für Statistik werden rund zwei von fünf Ehen in der Schweiz geschieden. Bei nichtverheirateten Paaren dürfte die Trennungsrate zumindest ähnlich hoch sein.
Scheidungen und Trennungen sind persönliche Einschnitte, sie kosten die Betroffenen viel Nerven und Energie. Viele Betroffene unterschätzen auch die finanziellen Folgen, die das ganze restliche Leben spürbar sein können. Scheidungen und Trennungen haben oft erhebliche Konsequenzen für die Altersvorsorge.
«Angesichts der demografischen Entwicklung ist es schon eine grosse Herausforderung, ausreichend für das Alter vorzusorgen», sagt Reto Spring, Präsident des Finanzplaner-Verbands Schweiz. Komme noch eine Trennung oder Scheidung hinzu, werde diese Aufgabe noch deutlich schwieriger. «Meiner Erfahrung nach geht es allen Betroffenen nach einer Scheidung oder Trennung finanziell schlechter», sagt Spring, der viele Privatkunden berät.
Höhere Kosten nach einer Trennung
Dies liegt zunächst einmal daran, dass die Lebenshaltungskosten durch eine Trennung oder eine Scheidung steigen. Schliesslich müssen Paare, die vorher zusammengelebt haben, danach zwei Haushalte unterhalten. Die höheren Ausgaben und oft auch die Kosten für Anwälte führen dazu, dass weniger Geld zur Verfügung steht und dass weniger für das Alter gespart werden kann. Hinzu kommen implizite Kosten. «Unter Scheidungen und Trennungen leidet oft auch die Performance bei der Arbeit, was negative Konsequenzen haben kann», sagt Spring. Auch sei es danach oft schwieriger, die Betreuung von Kindern zu organisieren.
«Eine Scheidung ist sowohl für Männer als auch für Frauen ein Vorsorgerisiko», sagt auch Andreas Christen, Senior Researcher Vorsorge beim Versicherer Swiss Life. Besonders hoch sei dieses für Frauen. Dies zeige sich alleine schon daran, dass 27 Prozent der geschiedenen Rentnerinnen in der Schweiz auf Ergänzungsleistungen aus der AHV angewiesen seien (Stand 2022).
Allerdings sei eine Scheidung auch für Männer ein Risiko, da es im Anschluss oft zu hohen Transferzahlungen an die Frau und – wenn vorhanden – Kinder komme. Auch von den geschiedenen Rentnern war 2022 jeder Fünfte auf Ergänzungsleistungen angewiesen.
Frauen häufiger in Teilzeit beschäftigt
Frauen sind deutlich häufiger in Teilzeitpensen beschäftigt als Männer. Dadurch entstehen nach einer Scheidung oft Lücken in der Altersvorsorge, die nicht ausreichend geschlossen werden. Christen hat in einer Studie im Jahr 2021 herausgefunden, dass Frauen, die während der Ehe in tiefen Pensen arbeiten, dies auch viele Jahre nach der Kindererziehungsphase tun. So kommt bei geschiedenen Frauen der sogenannte Gender-Pension-Gap oft besonders stark zum Tragen: Über alle Säulen hinweg erhalten geschiedene heutige Rentnerinnen durchschnittlich rund 15 Prozent weniger Altersleistungen als geschiedene Männer.
Zwar griff bei einem Teil der heutigen geschiedenen Rentnerinnen noch das alte Scheidungsrecht. Die Einführung des Vorsorgeausgleichs im Jahr 2000 sowie des Vorsorgeunterhalts sollte die finanzielle Situation von künftigen geschiedenen Rentnerinnen durchschnittlich etwas verbessern, sagt Christen. Der Vorsorgeausgleich sorgt dafür, dass das Pensionskassenguthaben, das während der Ehe angespart wurde, bei einer Scheidung aufgeteilt wird. Mit Vorsorgeunterhalt sind Unterhaltszahlungen nach der Scheidung gemeint. Diese sollen Vorsorgelücken ausgleichen.
Zwei Drittel der Scheidungen vor 50
«Es ist aber auch sehr wichtig, was nach der Scheidung passiert», sagt Christen. Wenn diese spät im Erwerbsleben erfolgt – beispielsweise kurz vor der Pensionierung –, ist der Vorsorgeausgleich zwischen den Ex-Eheleuten aufgrund der längeren Ehedauer tendenziell umfassender. Allerdings fänden zwei Drittel aller Scheidungen in der Schweiz vor dem 50. Lebensjahr statt, sagt Christen. Aus Sicht der Vorsorge ist dies relativ früh. Zu diesem Zeitpunkt ist in der Pensionskasse oft weniger als die Hälfte des Altersguthabens angespart.
Laut der Swiss-Life-Studie arbeiten viele Frauen auch nach der Scheidung in niedrigeren Pensen als Männer. Viele Frauen unterschätzen indessen die tiefgehenden Risiken für ihre Altersvorsorge: Laut der Studie hatte sich nur rund ein Fünftel der Frauen während der Scheidung damit ernsthaft auseinandergesetzt. «Während der Ehe sind potenzielle Vorsorgelücken oft nicht spürbar», sagt Christen. «Eine Scheidung macht sie dann konkret.»
Wenn sich ein Ehepaar in der Schweiz scheiden lässt: Was passiert mit AHV, Pensionskasse und Säule 3a?
Lässt sich ein Ehepaar scheiden, so wird grundsätzlich das während der Ehe angesparte Vermögen in allen drei Säulen der Altersvorsorge – also AHV, Pensionskasse und private Vorsorge – aufgeteilt. Wie Spring ausführt, wird dabei ab dem zivilrechtlichen Hochzeitsdatum bis zum Scheidungsurteil abgerechnet, sofern kein spezieller Güterstand vereinbart wurde und die sogenannte Errungenschaftsbeteiligung vorliegt. Dies sei zumeist der Fall.
In der ersten Säule (AHV) nimmt die Ausgleichskasse dabei ein sogenanntes Splitting vor. «Dabei kann vereinbart werden, ob Erziehungsgutschriften künftig einer Person zugerechnet werden oder 50:50 geteilt werden», sagt Spring.
In der zweiten Säule beziehungsweise der Pensionskasse haben beide Eheleute Anspruch auf die Hälfte der Beiträge, die während der Ehezeit eingezahlt wurden. «Ob die eigenen Pensionskassenbeiträge niedriger ausgefallen sind als diejenigen des Ehepartners, spielt dabei keine Rolle», sagt Elisabeth Beusch, Vorsorgeexpertin bei der Grossbank UBS. Dies sei auch dann der Fall, wenn ein Partner während der Ehezeit gar nichts einbezahlt hat.
Für den sogenannten Vorsorgeausgleich in der zweiten Säule werden alle Vorsorgeguthaben der beiden Ehegatten aufgelistet. «Dazu zählen auch Vorbezüge für den Kauf von selbstgenutztem Wohneigentum sowie Einkäufe in die Pensionskasse», sagt Beusch. Das Guthaben, das die Eheleute in die Ehe eingebracht haben, wird indessen beim Vorsorgeausgleich in der zweiten Säule nicht berücksichtigt. Wenn die Summe feststeht, erfolgt der Ausgleich laut Spring in der Regel gerichtlich angeordnet von einer Vorsorgeeinrichtung zur anderen und darf nicht bar ausbezahlt werden. Falls eine Person nicht mehr erwerbstätig ist, wird eine Freizügigkeitsleistung errichtet.
In der dritten Säule, der privaten Vorsorge, ist ebenfalls ein Ausgleich angeordnet. «Hier wird in der Regel nicht Vorsorgegeld der Säule 3a, sondern freies Vermögen für die Vergleichszahlung verwendet», sagt Spring. Dabei sei zu beachten, dass Vorsorgegelder mit einer latenten Steuerschuld belastet sind – schliesslich wird bei der Auszahlung von Säule-3a-Geldern eine Kapitalleistungssteuer fällig. Scheidungspartner könnten sich aber darauf verständigen, davon abzuweichen. «Das Gericht wird aber nur zustimmen, wenn die Vereinbarungen rechtskonform und fair sind», sagt der Finanzplaner.
Wenn sich ein unverheiratetes Paar trennt: Wie geht es mit der Vorsorge weiter?
Weniger klar geregelt sind die Bedingungen, wenn sich ein unverheiratetes Paar trennt. «Das Konkubinat ist kein vom Staat anerkannter Zivilstand, folglich ist die Aufteilung dann Privatsache», sagt Beusch. Im Konkubinat wäre ein Ausgleich der zweiten Säule nur möglich, wenn beide Pensionskassen dies freiwillig anbieten. Dies ist eher unwahrscheinlich – im Gegensatz zur Begünstigung des Partners im Todesfall.
«Theoretisch können Konkubinatspaare diverse Verträge für den Trennungsfall abschliessen, in der Praxis kommt das aber sehr selten vor», sagt Spring. Sofern keine gemeinsamen Kinder vorhanden sind, sind die Konkubinatspartner einander im Trennungsfall nichts schuldig. Laut Spring ist dies gerade für den schlechter verdienenden Partner ein grosser Nachteil, denn es bestehen keine Ansprüche auf Vorsorgeleistungen.
Ist die Vaterschaft anerkannt, sind Väter bei gemeinsamen Kindern verpflichtet, diesen Unterhalt zu leisten. Die Kindesmutter sei als Ex-Partnerin aber schlechter gestellt als eine geschiedene Mutter, sagt Spring.
Checkliste: Scheidung und Altersvorsorge
Ehe- und Konkubinatspaare haben gewisse Möglichkeiten, das Vorsorgerisiko einer Scheidung oder Trennung abzusichern – beziehungsweise so zu agieren, dass es etwas kleiner ausfällt. Dazu gehören die Punkte der folgenden Checkliste.
1. Scheidungs- und Trennungsrisiko nicht völlig ausschliessen: «Viele Paare unterschätzen das Risiko einer Trennung oder einer Scheidung», sagt Christen. Finanziell gesehen sei es aber wichtig, dieses einzukalkulieren. Kommen Kinder dazu und reduziert ein Partner sein Arbeitspensum, so müsse man das Trennungs- und Scheidungsrisiko und seine Folgen neu einschätzen.
2. Frühzeitig vorsorgen: «Man sollte früh damit beginnen, die eigene Vorsorge üppig zu äufnen», sagt Spring. Später werde es immer schwieriger: Konsumgewohnheiten und Verpflichtungen nehmen zu, die Gründung einer Familie vermindert das Einkommen und vergrössert die Ausgaben. «Wer genügend vorsorgt, muss nicht aus finanziellen Gründen beim Partner bleiben, sondern kann sein Leben unabhängig leben», sagt der Finanzplaner.
3. Privat vorsorgen mit der Säule 3a: Auch frühzeitige Einzahlungen in die Säule 3a sind in diesem Zusammenhang wichtig. Eine starke private Vorsorge schafft finanzielle Polster und hilft dabei, die Vorsorgelücken nach einer Scheidung oder Trennung nicht zu gross werden zu lassen.
4. Notgroschen bereithalten: Spring empfiehlt zudem, sich einen Notgroschen anzulegen, auf den man im Extremfall zurückgreifen kann. Dieser könne beispielsweise einen bis drei Monatslöhne betragen. Müsse man bei einer Scheidung oder Trennung beispielsweise aus der gemeinsamen Wohnung ausziehen, werde es oft sehr schnell teuer. «Nach fünf bis zehn Ehejahren wird am häufigsten geschieden – genügend Liquidität kann wenigstens die finanziellen Nöte etwas lindern», sagt er.
5. Arbeitspensum nicht zu stark reduzieren: Trotz der scheinbaren Sicherheit der Ehe sollten Frauen aus Vorsorgesicht mit einem möglichst hohen Pensum im Arbeitsmarkt bleiben, heisst es in der Swiss-Life-Studie. Der Ehemann solle seinen Beitrag dazu leisten, dass dies gelingen kann. Politik und Arbeitgeber seien ebenfalls gefordert, dies zu ermöglichen. Frauen sollten sich bewusst sein, dass «ein Ehemann keine Altersvorsorge ist», sagt Spring dazu.
6. Sich gemeinsam um die Finanzen kümmern: Beusch empfiehlt Ehe- und Konkubinatspartnern, sich gemeinsam um die Finanzen zu kümmern und dies nicht nur einem Partner zu überlassen. Letzteres kann Ungleichgewichte in der Beziehung schaffen.
7. Unverheiratete Paare: Konkubinatsvertrag abschliessen. Ein Konkubinatsvertrag ist besonders dann wichtig, wenn sich einer der beiden Partner beruflich stärker zurückzieht. «Konkubinatspartner sollten zusammensitzen und sich überlegen, wer in Haushalt und Kinderbetreuung wie viel leistet, und sich auf entsprechende Ausgleichszahlungen einigen», sagt Beusch. Ändert sich die Situation beispielsweise durch Kinder, müsse man dies neu evaluieren. In der Praxis sind Konkubinatsverträge bei unverheirateten Paaren indessen wenig verbreitet. «In der Praxis zeigt sich, dass nur vielleicht fünf Prozent der betroffenen Paare einen solchen Vertrag abschliessen», schätzt Spring.
8. Mit Pensionskasseneinkäufen gegen Vorsorgelücken: Ist es tatsächlich zu einer Scheidung oder Trennung gekommen, gilt es, die entsprechenden Vorsorgelücken anzugehen. «Wenn man das Arbeitspensum nach einer Scheidung wieder erhöht, gibt es unter Umständen Möglichkeiten für steuerlich begünstigte Einkäufe in die Pensionskasse», sagt Christen.
Beusch ist hier etwas skeptisch. «Nach einer Scheidung oder Trennung ist es oft sehr schwierig, Vorsorgelücken aufzufüllen, da die Partner alleine zumeist höhere Ausgaben haben und finanziell schlechter dastehen», sagt sie. Geschiedene haben bei Einkäufen in die Pensionskassen immerhin den Vorteil, dass für sie eine Sonderregelung gilt. Drei Jahre vor der Pensionierung dürfen normalerweise keine steuerlich geförderten Einkäufe mehr gemacht werden, wenn das Pensionskassenvermögen als Kapital bezogen werden soll. Für Geschiedene gilt diese Einschränkung nicht.