Er hat das schwierigste Jahr seiner Karriere hinter sich, gegen Portner läuft immer noch ein Dopingverfahren. Am Mittwoch startet der 31-Jährige mit der Schweiz in Dänemark in die Weltmeisterschaft.
Im vergangenen April steht die Polizei vor der Haustür von Nikola Portner – ein Schock. Die Beamten durchsuchen die Wohnung in der Magdeburger Innenstadt; Portner, 31 Jahre alt, lebt dort mit seiner Familie. Er ist Handballgoalie beim SC Magdeburg, hat zweimal die Champions League gewonnen, dazu den deutschen Cup und die Meisterschaft. Portner ist der erfolgreichste Schweizer Handballer. Vor zweieinhalb Monaten ist er zum zweiten Mal Vater geworden.
Doch die Staatsanwaltschaft hat ein Verfahren wegen eines möglichen Drogenvergehens gegen ihn eingeleitet. In der Wohnung finden die Polizisten: nichts. Die Ermittlungen werden eingestellt, Portner strafrechtlich entlastet. Aber damit ist die Causa längst nicht ausgestanden.
Wenige Tage vor der Hausdurchsuchung wird Portner bei einer Dopingkontrolle nach einem Bundesliga-Match positiv auf Methamphetamin getestet. Die Substanz ist als Droge Crystal Meth bekannt. Portners Welt gerät aus den Fugen, die Handball-Bundesliga sperrt ihn vorsorglich, ihm drohen bis zu vier Jahre Sperre. Die Karriere hängt in der Schwebe.
Der plötzliche Tod des Vaters relativiert die Doping-Wirren
Mehr als acht Monate später sitzt Portner in einem Hotel in Stans. Mittlerweile ist er wieder spielberechtigt. Bald reist er mit der Schweizer Nationalmannschaft nach Dänemark an die Weltmeisterschaft. Dort trifft das Team am Mittwochabend ab 18 Uhr im ersten Gruppenspiel auf Tschechien. Über Details des Dopingfalls redet Portner nicht, noch läuft das Verfahren.
Portner erzählt aber, wie er gelernt habe, gelassen mit der Ungewissheit umzugehen. Nach der provisorischen Sperre ist er, der lieber ein zusätzliches Training einlegt, auf sich allein gestellt. Also geht Portner joggen, um die Fitness zu behalten, aber auch, um den Kopf zu lüften. Auf der Laufrunde in Magdeburg sieht er einen Obdachlosen. Portner sagt: «Da hat es im Kopf klick gemacht. Ich habe gemerkt, dass es mir gutgeht.» Als er nach Hause kommt, ist er dankbar, dass die Familie gesund ist.
Portner weiss aus Erfahrung, dass das alles andere als selbstverständlich ist. Vor viereinhalb Jahren verstarb sein Vater Zlatko plötzlich an einem Herzinfarkt. Zlatko Portner wurde 1986 mit Jugoslawien Handball-Weltmeister, er war eine enge Bezugsperson. Portner sagt: «Sein Verlust war viel schlimmer als alles andere.»
Der Nationaltrainer Schmid glaubt zuerst an Corona
Nach der positiven Dopingprobe überschlagen sich im Frühjahr 2024 in der deutschen Boulevardpresse die Schlagzeilen: Portner wird teilweise als Drogenkonsument hingestellt, Experten reden darüber, wie Crystal Meth einem Goalie weiterhelfen könnte. Völlig anders sind die Reaktionen in der Handballszene. Dort glaubt niemand, dass Portner ein Doper ist, weder gegnerische Trainer, Spieler noch Teamkollegen oder Funktionäre. Die Handballer werweissen, wie die Droge in seinen Körper gelangt ist. Portner gilt als Musterprofi, der weder Alkohol trinkt noch Nahrungsergänzungsmittel zu sich nimmt.
Nachdem sein Klub Magdeburg ohne ihn den deutschen Cup gewonnen hat, bringt der Trainer Portner noch am gleichen Abend eine Medaille vorbei. Auch die Reaktion des Schweizer Nationaltrainers Andy Schmid ist vielsagend. Als Portner ihn anruft und sagt: «Ich bin positiv getestet worden», glaubt Schmid an eine Corona-Erkrankung des Goalies.
Portner darf an der WM in Herning und auch in der Bundesliga spielen, weil er und seine Anwälte die deutsche Handball-Liga mit einem dicken Schriftstück davon überzeugt haben, dass er ohne Absicht und Wissen mit Methamphetamin in Kontakt gekommen sei; was genau in diesem Bericht steht, ist unklar, weil er unter Verschluss steht. Die Konzentration der Droge in Portners Körper soll aber so gering gewesen sein, dass die Schnelltests der deutschen Polizei negativ ausgefallen wären.
In Magdeburgs Tor ist er nicht die klare Nummer eins
Immer wieder wird Kritik laut, dass in Deutschland – anders als in der Schweiz – manche Sportligen selbst über Sperren oder Freisprüche von Dopingsündern urteilen. Die Nationale Anti-Doping-Agentur Deutschland (Nada) hat den Fall deshalb ans internationale Sportschiedsgericht (TAS) weitergezogen; Portner und seine Anwälte haben ihrerseits Klage gegen dieses Vorgehen der Nada erhoben.
Die Zwangspause hat auch sportliche Auswirkungen. In Magdeburg, wo Portner seit 2022 spielt, ist er nicht mehr die unumstrittene Nummer 1 im Tor. Er erhält weniger Einsatzzeit als früher, im Gespräch sagt er: «Ich wäre gerne müder vor dieser Weltmeisterschaft, hätte gerne mehr Spiele in den Beinen.» Daraufhin betet Portner seine Statistiken herunter, 36 Prozent gehaltene Bälle in der Bundesliga – ein Spitzenwert. «Das zeigt, dass ich noch immer bei den Leuten bin», sagt Portner.
Im Nationalteam ist die Causa in den Tagen vor der Weltmeisterschaft kaum mehr ein Thema. Nach der Verletzung des Spielmachers Manuel Zehnder ist Portner der Schlüsselspieler und Leader der jungen Equipe. Portner kennt noch die Zeiten, als die Schweizer Handballer notorisch erfolglos waren. Beim Debüt, 2011 mit 18 Jahren, war er erstaunt, dass manche Teamkollegen nach dem Training sogleich eine Zigarette rauchen gingen oder nach einer langen Partynacht bisweilen direkt an den Zusammenzug kamen.
Heute ist das anders, Portner ist der älteste und erfahrenste Spieler; er absolviert nach der WM 2021 sowie den EM 2020 und 2024 in Dänemark bereits die vierte Endrunde für die Schweiz. Er ist bekannt dafür, dass er Ziele offensiv benennt. Portner sagt Sätze wie: «Ich will irgendwann eine Medaille gewinnen. Das ist mein grosser Traum.» Und angesprochen auf das Vorrundenspiel am Freitag gegen den Favoriten Deutschland, gegen den die Schweizer im vergangenen Jahr zwei krachende Niederlagen kassiert hatten, sagt er: «Der Gegner hat sechzig Minuten Zeit, um mich davon zu überzeugen, dass er besser ist.» Es ist eine Aussage, die nur jemand macht, der vor Selbstvertrauen strotzt.
Sein Trainer in Magdeburg sagt nach dem Comeback einmal zu Portner, er sei beeindruckt, wie er die Ungewissheit einer noch immer möglichen Dopingsperre ausblenden könne. In Stans schnippt Portner mit den Fingern und sagt: «Zack. Ich habe das abgeschaltet.» Er wirkt glaubwürdig.