Der Thalwiler Chipdesigner steckt voll in der Konsolidierung. Die alte Garde zieht sich endgültig zurück und macht Platz für ein neues Kapitel. Zuerst muss U-Blox das magere Umfeld bewältigen.
Geschätzte Leserin, geschätzter Leser
U-Blox hat wieder einmal enttäuscht: Die vom Thalwiler Chipdesigner präsentierten Zahlen zum Geschäftsjahr 2023 haben die Erwartungen des Marktes und die eigenen Prognosen weitgehend verfehlt.
Der Umsatz ging gegenüber dem (Rekord-)Vorjahr um 7,5% auf 576,9 Mio. Fr. zurück. Der im Herbst nach unten angepasste Zielkorridor lag bei 585-625 Mio. Fr. Die adjustierte Ebitda-Marge reduzierte sich von 27,2 auf 19,5%, auf Stufe Ebit von 21,0 auf 12,1%. Auch die Margen lagen damit leicht unter dem mittelfristig vom Unternehmen in Aussicht gestellten Niveau.
In die roten Zahlen gerutscht
Dass unter dem Strich roten Zahlen ausgewiesen werden mussten, war absehbar. Der Ausstieg aus dem Geschäft mit eigenen Mobilfunkchips – die 2023 paradoxerweise besser liefen, als die Positionierungschips – erforderte Wertberichtigungen von 65,4 Mio. Fr., weil das Unternehmen die Ausgaben für Forschung und Entwicklung bisher aktiviert hat. In der Vergangenheit hat dieses Verfahren kurzfristig die Liquidität geschont, doch mit dem Risiko, dass später grössere Abschreiber drohen, wenn sich die über Jahre erstreckenden Forschungs- und Entwicklungsgelder im Markt nicht realisieren lassen. Schon 2020 musste das Unternehmen aktivierte Aufwendungen von 74 Mio. Fr. abschreiben.
Aufgeschreckt wurden die Investoren indes über das Ausmass der derzeit sehr schwachen Nachfrage. Damit wurde nicht gerechnet, entsprechend gross war anfänglich der Kursverlust am Mittwoch.
U-Bloxs Kunden leben derzeit von ihren Vorräten. Für das Startquartal 2024 stellt das U-Blox-Management deshalb einem kümmerlichen Umsatz von 50-60 Mio. Fr. – drei bis viermal weniger als üblich – sowie einen Betriebsverlust im zweistelligen Bereich in Aussicht (Ebit-Marge –40% bis –30%). Damit sei aber der Tiefpunkt erreicht, heisst es. Eine sequenzielle Verbesserung und ein deutlich robusteres zweites Semester sei zu erwarten.
Was dies für das Gesamtjahr bedeutet, wird nicht quantifiziert. Bestenfalls wird 2024 für U-Blox ein Übergangsjahr, das es unbeschadet übersteht.
Damit die Bilanz nicht in Schieflage gerät, wurde ein Sparprogramm in Angriff genommen, das schon im laufenden Jahr Einsparungen im zweistelligen Millionenbereich bringen soll. Ein Anstellungsstopp gilt für das gesamte Unternehmen. Mit eine Nettoliquidität von 86 Mio. Fr. sowie einem jüngst unterzeichneten Konsortialkredit über 140 Mio. Fr. für drei bis fünf Jahre scheinen immerhin ausreichend Mittel vorhanden zu sein, um das laufende Geschäft zu finanzieren.
Auch die Aktionäre müssen ihren Beitrag leisten. Sie sollen nur noch 1 Fr. je Aktie, sprich halb so viel wie im Vorjahr als Dividende erhalten.
Solch heftige Nachfrageschwankungen, wie es U-Blox derzeit erlebt, sind für Technologieunternehmen nichts Aussergewöhnliches. Auch U-Blox kam in den vergangenen Jahren damit meist gut zurecht. Das wenig kapitalintensive Geschäft – die Produktion wird an Auftragsfertiger ausgelagert – hilft dabei.
Mehr Mühe hatte U-Blox, die enormen Entwicklungsaufwendungen zu absorbieren. Um technologisch an der Spitze zu bleiben, muss das Unternehmen Jahr für Jahr einen grossen Teil der Einnahmen in die Forschung und Entwicklung stecken, ungeachtet der jeweiligen Marktsituation. 2023 wurden mit 117,4 Mio. Fr. sogar 10,5% mehr als im Vorjahr dafür ausgegeben oder 20,4% (i. V. 17,0) des Umsatzes.
Vertrauensvorschuss mehrmals verspielt
Wichtiger als der laufende Geschäftsgang ist bei U-Blox indes, was im Unternehmen intern passiert. Die jetzigen Probleme haben auch damit zu tun, dass es der Gründergeneration des aus einem Spin-off der ETH Zürich entstandenen Unternehmen nicht gelungen ist, sich rechtzeitig für die Zukunft aufzustellen. Mit der Zeit wurde das Geschäftsmodell immer unvorhersehbarer, was wiederholt zu überraschenden Anpassungen der Prognosen führte und die Investoren und Analysten auf dem falschen Fuss erwischte. Entsprechend stark schmolz der Vertrauensvorschuss, den das Management einst genoss.
Ende 2022 gab der «ewige» Konzernchef Thomas Seiler, der während zwei Dekaden die Führung inne hatte, sein Amt ab. Nun wird er an der kommenden Generalversammlung vom 18. April auch aus dem Verwaltungsrat ausscheiden. Von Bord geht ebenfalls der langjährige Finanzchef Roland Jud, der seit 2011 diese Position inne hatte. Im Juli wird er ersetzt von Camila Japur, die über zwanzig Jahre bei Ericsson gearbeitet hat. Zusammen mit dem Ex-Infineon-Chef Stephan Zizala wird sie die Neuorientierung begleiten.
Von Unter- direkt zur Überbewertung
Die schwächer als erwarteten Aussagen zum laufenden Geschäftsjahr haben zur Folge, dass die Gewinnschätzungen deutlich nach unten angepasst werden müssen. Die bisherige Unterbewertung der U-Blox-Aktien hat sich dadurch schlagartig gedreht. Basierend auf den jüngsten Gewinnprognosen sind sie jetzt überbewertet, was kurzfristig den Aktienkurs unter Druck halten dürfte.
U-Blox bleiben eine risikobehaftete Turnaround-Geschichte, die ein Happy End haben kann. Dafür sind jedoch noch einige Anstrengungen nötig und Hürden zu bewältigen. Die erst verspätet umgesetzte Transformation entpuppte sich als grosse Bürde und wird die Genesung verzögern.
Immerhin stimmen bald die grundlegenden Strukturen des Unternehmens, um die künftigen Herausforderungen zu meistern. Die Prognostizierbarkeit und der Einkauf werden unter der neuen Führung professionalisiert, die riesige Kundenbasis konsolidiert. Das Optimierungspotenzial war offenbar riesig.
Was alles möglich wäre, zeigt das Beispiel Arm Holdings. Aus der britischen Start-up-Firma ist der weltweit dominierende Chipdesigner geworden, dessen Produkte in jedem Smartphone stecken. So gross darf U-Blox zwar nicht denken, doch das Zeug zur Mini-Arm hätte sie eigentlich nach wie vor. Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Freundlich grüsst im Namen von Mr Market
Giorgio Müller