Sechs junge Personen wurden erwischt, als sie den 157 Meter hohen Nordturm des Doms runterkletterten. Nun ermittelt die Kriminalpolizei.
Witzigkeit kennt in Köln eigentlich keine Grenzen. Sechs junge Personen haben sie am vergangenen Wochenende aber überschritten. In der Nacht auf Sonntag waren sie in den Kölner Dom eingebrochen und auf dessen 157 Meter hohen Nordturm geklettert. Ob sie damit ihrer Kirche aufs Dach steigen wollten, ihrem Schöpfer noch näher kommen oder einfach nur spektakuläre Fotos und Videos für die sozialen Netzwerke produzieren wollten, weiss man noch nicht genau. Fest steht aber, dass die Kölner Kriminalpolizei nun wegen Hausfriedensbruchs und Sachbeschädigungen ermittelt.
Vielleicht braucht man etwas kölschen Kontext, um zu verstehen, warum die dazugehörige, an sich banal klingende Mitteilung der Kölner Polizei am Sonntag für Aufregung unter den rheinischen Frohnaturen gesorgt hat. «Sechs Domkletterer im Nordturm gestellt», teilte die Polizei mit. Und traf damit die Kölner in ihrer witzigen Grundhaltung.
Freiwillige löschten die Bombenbrände
Diese hat sich, gerade was den Kölner Dom betrifft, auch aus dem Kriegstrauma entwickelt. Als die Alliierten ab Ende Mai 1942 in vielen Angriffen Köln in Schutt und Asche bombten, verschonten sie weder die Bevölkerung noch deren Heiligtum. Die Bomben zerstörten die Stadt fast vollständig, Zehntausende kamen ums Leben – und der Kölner Dom wurde schwer beschädigt. Und doch ragte er am Kriegsende aus den Trümmern heraus.
Denn während die Kampfpiloten Spreng- und Brandbomben auf die Kathedrale warfen, sassen Mitarbeiter der Dombauhütte – freiwillige und anonyme Helfer – auf den Dächern des Doms. Sie löschten während mehrerer Nächte entstehende Brände sofort und trugen so dazu bei, dass der Dom stehenblieb. Auch die massive gotische Bauweise und seine enormen Fundamente bewahrten ihn vor der Zerstörung. Der Dom wurde zum Sinnbild für Hoffnung und Stärke.
Ständig bröckelt irgendwo etwas herunter
Heute verschont die Kölner Bevölkerung sich und ihren Dom gerne mit dem Ernst des Lebens. Wird der Dom eines Tages wirklich einmal fertig, dann geht die Welt unter, so scherzt man seit vermutlich Jahrhunderten in Köln. Denn genauso lang wird dieser schon gebaut, renoviert und restauriert. Ständig bröckelt irgendwo etwas herunter von den seit dem 13. Jahrhundert verbauten, verschiedenen Gesteinsarten.
Auch deswegen muss der Kölner nach dem Aufstehen immer erst einmal nachschauen, ob der Dom noch steht. Steht er noch, ist der Tag gerettet. Obwohl beim täglichen Nachschauen kaum jemand einmal das monumentale Gotteshaus ohne ein irgendwo hängendes oder stehendes Gerüst zu sehen bekommt. Niemand, der heute lebt, wird den Dom überhaupt jemals ohne Gerüst erblicken – so scherzen die Kölner, das vermuten aber auch Experten.
In der Nacht auf Sonntag stand der Dom nun unter besonderer Beobachtung. Polizisten, verstärkt durch Kräfte der Bereitschaftspolizei, hatten laut den Angaben die Kathedrale umstellt. Laut «Bild» waren sie sogar bewaffnet. Die Polizei setzte einen Helikopter ein, um zu verfolgen, wie Personen vom Nordturm herunterkletterten. Fünf junge Franzosen im Alter zwischen 18 und 27 Jahren sowie eine 26-jährige Belgierin seien dann in Gewahrsam genommen worden. Die Polizisten stellten «mehrere augenscheinlich aufgebrochene Türen» im Dom fest und beschlagnahmten eine Kamera und ein Smartphone.
Der Verdacht liegt nahe, dass es sich bei den Domkletterern um sogenannte Urban Climber handelt. Kletterer, die den öffentlichen Raum zu ihrem Spielplatz machen und erklimmen, was ihnen und ihren Instagram- und Youtube-Followern spektakulär erscheint. An Gebäuden finden die Urban Climber auf kleinstem Radius immer wieder andere Strukturen und anderes Gestein, müssen unterschiedliche Griffstrukturen und Techniken anwenden. Das ist für die Kletterer extremer, als an einer Felswand hochzuklettern.
Schon mehrfach gab es in der Vergangenheit ähnliche Aktionen am Kölner Dom. Erst Anfang Jahr waren drei Unbekannte hochgeklettert und hatten ihre Aktion mit einer Drohne und mehreren Kameras gefilmt. Ihr daraus entstandenes Video wurde seitdem millionenfach geklickt. Der «Express», Kölns Boulevard-Zeitung, schrieb vom «Kletter-Wahnsinn» und von den «Kletter-Idioten». Auch 2016, 2017 und 2024 hatte es Kletteraktionen mit vielbeachteten Videos und Fotos in sozialen Netzwerken gegeben. In Deutschland gibt es zwar kein Gesetz, das das Klettern an Gebäuden und Bauwerken verbietet. Doch Privatgebäude und denkmalgeschützte Bauwerke dürfen nicht erklommen werden. Schon gar nicht ein heiliges.
Robert Kleine, der als Domdechant für die Liturgie im Dom verantwortlich ist, sagte 2017 dem «Express»: «Die Fotos verärgern mich sehr.» Ihm bereite die Dom-Kletterei grosse Sorge: «Ich mag mir nicht vorstellen, es wäre zu einem Steinabbruch gekommen. Kurzum: unverantwortlich und kriminell!» An der Dompforte hört der Kölner Spass eben auf.