Tieferer Referenzzins gleich tiefere Mieten? Das stimmt so nicht immer. Der Mieterverband rät den Mietern zur Zurückhaltung.
Mieterinnen und Mieter blicken gespannt auf den kommenden Montag. Sie hoffen auf eine Nachricht, die sie finanziell entlasten könnte. Nicht wenige haben bereits das Formular des Mieterverbands heruntergeladen und sind bereit, ihren Vermieter aufzufordern, die Miete zu senken.
Der Grund: Der hypothekarische Referenzzinssatz, der die Gestaltung der Mietzinse in der Schweiz beeinflusst, wird am 3. März neu publiziert. Er dürfte wegen der Zinssenkungen der Nationalbank von 1,75 auf 1,5 Prozent sinken.
Eine Referenzzinssenkung gibt Mietern das Recht, eine Reduktion zu verlangen. Ein um 0,25 Prozentpunkte tieferer Referenzzins ergibt einen Senkungsanspruch bei der Miete von 2,91 Prozent. Bei einer Wohnungsmiete von 2500 Franken im Monat entspricht dies einer Reduktion um 73 Franken.
Nicht jeder Mietzins muss gesenkt werden
Ganz so einfach ist es jedoch nicht. Eine Mietreduktion ist nicht garantiert, selbst wenn der Mietvertrag auf dem bisherigen Referenzzins von 1,75 Prozent oder einem noch höheren Wert aus früheren Zeiten basiert.
Ein wichtiger Faktor ist, dass Vermieter 40 Prozent der aufgelaufenen Teuerung gegenrechnen können. Bei vergangenen Senkungen des Referenzzinses (die letzte fand im März 2020 statt) war das kaum relevant, da die Inflation niedrig war. In den Jahren 2022 und 2023 hingegen lag sie vergleichsweise hoch. Laut Larissa Steiner vom Mieterverband Zürich werden deshalb trotz dem sinkenden Referenzzins viele Mieter am Ende keinen Anspruch auf eine Reduktion haben, «da die Teuerung den Senkungsanspruch kompensiert».
Ob ein Anspruch auf eine Mietzinssenkung besteht, hängt laut Mieterverband vor allem vom Zeitpunkt des Vertragsabschlusses oder der letzten Mietzinserhöhung ab. Mieter, die ihren Vertrag zwischen dem 1. Mai 2012 und dem 1. Dezember 2023 abgeschlossen haben, gehen möglicherweise leer aus.
Dagegen haben Mieter, deren Mietzins seit Mai 2012 unverändert blieb oder deren Verträge nach Dezember 2023 abgeschlossen wurden, laut Steiner mit hoher Wahrscheinlichkeit Anspruch auf eine Senkung. Das gilt auch für jene, deren Mietzins nach der letzten Referenzzinserhöhung vom Dezember 2023 nach oben angepasst wurde.
Senkungsanspruch nur bei missbräuchlich hohen Mieten
Sicher ist eine Reduktion aber selbst dann nicht. Eine Änderung des Referenzzinses gibt Mietern zwar das Recht, eine Mietzinssenkung zu verlangen. Laut Gesetz muss der Vermieter dem jedoch nur nachkommen, wenn er eine zu hohe Rendite erzielt oder die Miete über dem ortsüblichen Niveau liegt. Sei der Ertrag nicht zu hoch, bestehe kein Anspruch, bestätigt der Mietrechtsexperte Urs Hausmann.
Das dürfte vielen nicht klar sein. Vor allem Mieter, die nach den beiden Referenzzinserhöhungen im Jahr 2023 mehr bezahlen mussten, gehen oft fälschlicherweise davon aus, dass diese Anpassungen nun rückgängig gemacht werden müssen, wenn sie dies beantragen.
Ob eine Miete als missbräuchlich gilt, hängt je nach Alter der Liegenschaft von unterschiedlichen Kriterien ab. Fachleute unterscheiden zwischen Neubauten, älteren Renditeobjekten und sogenannten Altbauten.
- Neubauten (jünger als zehn Jahre): Hier darf die Bruttorendite maximal 3,5 Prozentpunkte über dem Referenzzins liegen. Mit der bevorstehenden Senkung beträgt die zulässige Rendite neu 5,0 statt bisher 5,25 Prozent.
- Mittelalte Liegenschaften (älter als zehn Jahre, aber nach 1996 gekauft oder gebaut): Hier gilt die Nettorendite, die maximal 2 Prozentpunkte über dem Referenzzins liegen darf. Sie sinkt nun von 3,75 auf 3,5 Prozent.
- Altbauten (älter als dreissig Jahre und seitdem nicht verkauft): Bei ihnen entscheidet nicht die Rendite, sondern die sogenannt Orts- und Quartierüblichkeit der Mietzinsen.
Wo Mietreduktionen am wahrscheinlichsten sind
Bei Neubauten ist es unwahrscheinlich, dass die Renditen das zulässige Maximum überschreiten. Es mag Ausreisser geben, aber laut Ralph Bauert vom Hauseigentümerverband Winterthur liegen die Bruttorenditen neuer Mehrfamilienhäuser (Jahresbruttomietzins im Verhältnis zu den Anlagekosten) derzeit bei rund 3,5 Prozent – also deutlich unter dem zulässigen Maximum. Auch bei vermieteten Einfamilienhäusern und Eigentumswohnungen seien die Renditen oft tiefer, weshalb Mieter sich hier keine grossen Hoffnungen auf eine Mietzinssenkung machen sollten, wie Bauert in einem Artikel schreibt.
Anders sieht es bei älteren Liegenschaften aus. Dort sind die Chancen für eine Reduktion höher, da die relevante Nettorendite stark variieren kann. Die besten Aussichten haben jedoch Mieter von Altbauten, die seit mehr als dreissig Jahren im Besitz desselben Vermieters sind. Hier liegt der Fokus nicht auf der Rendite, sondern auf der Vergleichsmiete im Quartier. Um eine Senkung abzulehnen, müsste der Vermieter nachweisen, dass die verlangte Miete nicht über dem ortsüblichen Niveau liegt. Das ist in der Praxis fast nicht möglich.
Keine Lust auf mietrechtliche Auseinandersetzungen
Die Frage ist jedoch auch, ob Vermieter überhaupt bereit sind, über ihre Rendite zu diskutieren. Bei grossen Immobilienfirmen, Versicherungen oder Pensionskassen ist das meist nicht der Fall. Sie haben feste Regeln, wie sie auf Änderungen des Referenzzinses reagieren, unabhängig von Rendite und Teuerung.
Manche passen die Mieten automatisch an, egal ob der Referenzzins steigt oder fällt. Andere erhöhen sofort, wenn der Referenzzins steigt, warten bei Senkungen aber ab, ob Mieter aktiv werden. Oft profitieren nur diejenigen, die eine Reduktion ausdrücklich einfordern. Falls sich jedoch zu viele Mieter melden, gewähren manche Vermieter die Senkung schliesslich allen.
Was also tun als Mieter?
Wer in einer Wohnung lebt, die einer Versicherung oder Pensionskasse gehört, sollte nicht zögern, eine Mietreduktion zu verlangen. Man kann damit nichts falsch machen. Diese Vermieter haben klare Regeln und akzeptieren typischerweise Senkungsbegehren.
Bei privaten oder kleineren Vermietern ist die Lage weniger klar. Der Mieterverband rät hier zur Vorsicht, da derzeit die Inflation eine entscheidende Rolle spielt. Bevor man eine Senkung fordere, sollte man mit dem Mietzinsrechner des Verbands prüfen, ob tatsächlich ein Anspruch bestehe, sagt Larissa Steiner.
Der Grund für diese Zurückhaltung: Kein Vermieter wird von sich aus eine Mieterhöhung wegen der Teuerung vornehmen, wenn der Referenzzins sinkt. Doch wer eine Reduktion beantragt, könnte den Vermieter auf die teuerungsbedingt gestiegenen Kosten aufmerksam machen – und am Ende statt einer Senkung sogar eine Erhöhung erhalten.