US-Präsident Donald Trump stellt Europas Sicherheitspolitik auf den Kopf. Japan, Südkorea und die Philippinen fragen sich, was ihre Allianzen mit Washington noch wert sind.
Anfang Februar sass der japanische Ministerpräsident Shigeru Ishiba auf demselben gelben Stuhl im Oval Office wie Wolodimir Selenski bei seinem wüsten Streit mit Donald Trump. Ishiba geizte nicht mit Schmeicheleien – und reiste mit der Zusicherung des amerikanischen Präsidenten nach Hause, die Verteidigungsallianz mit Japan auszubauen. In Tokio wurde Ishiba, der zwei Tage für das Treffen mit Trump trainiert hatte, wie ein Goldmedaillengewinner gefeiert.
Forderungen an die «Geldmaschine Südkorea»?
Doch nur einen Monat später scheuchte Trump die Japaner mit einer süffisanten Bemerkung auf: «Wir haben einen interessanten Deal mit Japan. Wir müssen sie beschützen, sie aber uns nicht.» Der US-Präsident spielte auf das Verteidigungsabkommen von 1960 an.
Tokio wies Trumps Darstellung irritiert zurück. Tatsächlich darf das japanische Militär trotz der pazifistischen Verfassung amerikanische Truppen unterstützen, wenn diese angegriffen werden. Derzeit sind in Japan 50 000 amerikanische Soldaten stationiert, deren Auftrag über die blosse Verteidigung Japans hinausgeht. Die siebte Flotte etwa deckt den ganzen Westpazifik ab.
Von existenzieller Bedeutung ist das Bündnis mit den Vereinigten Staaten auch für Südkorea. 30 000 amerikanische Soldaten garantierten die Sicherheit des Allianzpartners. Bleibt das auch in Zukunft so? Während Regierungsstellen demonstrativ Zuversicht verbreiten, sind Experten skeptischer. Trump könnte mit den Südkoreanern ähnlich rabiat verfahren wie mit der Ukraine, zitierte die «Korea Times» Lim Eul Chul, den Forschungsleiter des Institute for Far Eastern Studies in Seoul.
In seiner ersten Amtszeit hatte Trump damit gedroht, die amerikanischen Truppen aus Südkorea abzuziehen. Vor seiner Wiederwahl sagte Trump, die «Geldmaschine Südkorea» solle 10 Milliarden Dollar jährlich für das amerikanische Truppenkontingent bezahlen. Derzeit ist es bloss ein Zehntel davon.
Seoul muss sich also auf Verhandlungen über die Kostenbeteiligung einstellen. Auch befürchtet Südkorea, Trump könnte erneut versuchen, mit Nordkoreas Diktator Kim Jong Un ins Geschäft zu kommen, und dabei links liegen gelassen zu werden. Seit dem Putschversuch im Dezember amtiert lediglich eine Übergangsregierung.
Sollte sich Südkorea von Amerika schlecht behandelt fühlen, wird die Diskussion über eigene Atomwaffen an Fahrt gewinnen. Konservative Stimmen mahnen, nur der Besitz von Massenvernichtungswaffen schaffe eine wirksame Abschreckung. Sie zweifeln, ob das nukleare Beistandsversprechen der USA gilt, sollte Kim Jong Un mit Atomwaffen angreifen. Würde Washington sein Nukleararsenal für einen Vergeltungsschlag gegen Pjongjang einsetzen und damit Millionen von Menschen in den USA gefährden?
Trump scheiterte 2018 und 2019 daran, Nordkoreas Despoten zur Aufgabe des Atomprogramms zu bewegen. Angesichts von Trumps Selbstüberschätzung ist ein erneuter Versuch jedoch nicht ausgeschlossen. Dagegen spricht, dass der Machthaber in Pjongjang keine Bereitschaft mehr für eine Annäherung an die USA zeigt. Als Kriegspartner Russlands hat Kim Jong Un einen neuen Freund gefunden. China wird sich ebenfalls nicht vom kommunistischen Bruderstaat abwenden.
Mittel von Europa nach Asien verschieben
Sosehr man die Unsicherheiten der asiatischen Alliierten nachvollziehen kann: Sie befinden sich in einer vorteilhafteren Lage als die Europäer. Der amerikanische Verteidigungsminister Pete Hegseth kündigte an, Ressourcen von Europa nach Asien zu verschieben, um China abzuschrecken. Details nannte er nicht.
Washington wird seine asiatischen Alliierten drängen, selber mehr zu zahlen. Dies machte vor wenigen Tagen Elbridge Colby deutlich, der für Verteidigungspolitik nominierte Unterstaatssekretär im Pentagon. Er forderte Südkorea bei seiner Anhörung vor dem Streitkräfteausschuss des Senats auf, mehr gegen die nordkoreanische Bedrohung zu tun – sprich: mehr Geld für das Militär bereitzustellen.
Dieselbe Botschaft erging an Tokio. Japan hatte 2022 beschlossen, die Verteidigungsausgaben innerhalb von fünf Jahren von 1 auf 2 Prozent zu verdoppeln. Colby verlangt «mindestens 3 Prozent». Trumps jüngste Aussagen zum bilateralen Sicherheitsvertrag illustrieren, dass selbst ein warmer Empfang im Oval Office noch keine verlässlichen Beziehungen garantiert.
Manila sichert sich breiter ab
Für die Philippinen kommt die Bedrohung aus China. Die beiden Nachbarn liegen wegen territorialer Streitigkeiten über Kreuz, wobei die Chinesen ihre Machtansprüche im Südchinesischen Meer immer aggressiver durchsetzen. Ein internationales Schiedsgericht hat Pekings Forderungen als unhaltbar qualifiziert. Dass die Philippinen den Mut aufbringen, sich China und seinen Einschüchterungsversuchen zu widersetzen, liegt daran, dass die USA ihrem Alliierten die nötige Rückversicherung bieten. Die Grundlage bildet der Verteidigungspakt von 1951. Demnach wird eine Aggression gegen Schiffe einer Partei als Angriff auf beide gewertet.
Amerika und die Philippinen versichern sich zwar gegenseitig, die Allianz sei unerschütterlich. Das philippinische Militär sieht es nüchterner. «Letztlich verlassen wir uns auf uns selber», stellte General Mike Logico kürzlich fest. Er verantwortet auf der philippinischen Seite die Militärmanöver mit den Amerikanern.
Die Philippinen bemühen sich derweil, zusätzliche Partner zu finden. Im Vordergrund stehen Japan und Indien, die für die Machtbalance mit China in der Region zentral sind. Japan unterstützt seinen Nachbarn mit Radaranlagen und Patrouillenbooten für die Küstenwache. 2024 unterzeichneten die philippinische und die japanische Regierung ein Abkommen über den gegenseitigen militärischen Zugang. Es erleichtert gemeinsame Manöver und die Unterstützung im Krisenfall.
Insgesamt sieht es nicht danach aus, dass die USA ihren Verbündeten in Asien die Unterstützung entziehen. Aber Washington wird womöglich mehr dafür verlangen. Zudem werden immer wieder Zweifel an der Verlässlichkeit amerikanischer Zusagen aufkommen. Elbridge Colby, die künftige Nummer drei im Pentagon, liess vor dem Senatsausschuss mit einer Aussage zu Taiwan aufhorchen: Die Inselrepublik zu verlieren, wäre eine Katastrophe für Amerikas Interessen, meinte Colby zunächst. Dann relativierte der verteidigungspolitische Vordenker: «Taiwan ist nicht von existenziellem Interesse für die USA.»
Damit öffnet er Raum für Spekulationen, inwiefern Amerika bereit wäre, den Taiwanern im Falle eines chinesischen Angriffs militärisch beizustehen. Präsident Joe Biden hatte sich explizit dafür ausgesprochen. Das Weisse Haus ruderte danach allerdings wieder zurück.