Die exklusive Insel in Florida wurde dank ihrem prominenten Einwohner auf die Weltkarte katapultiert. Die Bewohner haben jedoch ein gespaltenes Verhältnis zu Mar-a-Lago und seinem Besitzer.
Palm Beach war schon berühmt, bevor Donald Trump hierherzog. Das Küstenstädtchen in Florida ist seit je eine der exklusivsten Adressen Amerikas – eine Insel in jedem Sinne. Um 1900 liess sich der Ölmagnat Henry Flagler hier nieder, legte die Sümpfe trocken, baute legendäre Luxushotels wie das «Breakers», schloss den Ort an das Eisenbahnnetz an und machte es zu einem Winterferienort für Reiche.
Das heute viel grössere West Palm Beach konzipierte er als Wohnstatt für die Angestellten und Arbeiter; mit Palm Beach ist es durch drei Brücken verbunden. Palm Beach hat lediglich etwa 9000 Einwohner, aber 58 Milliardäre leben hier. Damit hat es eines der höchsten Pro-Kopf-Einkommen der USA.
Nobelstädtchen im Toskana-Stil
Etwa in der Mitte der schmalen, langgezogenen Insel Palm Beach liegt der Ort gleichen Namens mit der Worth Avenue, einer der teuersten Einkaufsstrassen Amerikas. Das sieht man auf den ersten Blick. Tagein, tagaus fahren Rolls-Royce, Bentleys, Ferraris, Maseratis und Jaguars an den Boutiquen von Brioni, Chanel und Gucci, den Uhrenläden von Bucherer und IWC Schaffhausen, an Juwelieren wie Tiffany & Co. und Galerien mit Picassos und Warhols vorbei. Auch ein Geschäft für Superjachten gibt es, mehrere Kliniken für plastische Chirurgie, ein Tierspital und ein «Royal Luxury Spa» für Hündchen. Selbst die Kirchen sind chic: Bethesda-by-the-Sea verfügt über einen Koi-Teich.
Nach den Shopping-Strapazen kann man sich beispielsweise im Flagler Steakhouse einen Meeresfrüchteteller für 235 Dollar gönnen. Auf der Weinkarte findet man Flaschen für 4000 Dollar. In der Honor-Bar läuft zwar wie überall in Amerika der Fernseher, aber es wird nicht Foot- oder Basketball gezeigt, sondern Golf. Natürlich wimmelt es auch von Privatbanken, falls man zwischendurch eine Beratung braucht. Zwischen den Palmen erheben sich Fünfsternehotels, Golfplätze und Villen mit endlosen Gärten, meist im sogenannten Mediterranean-Revival-Stil gehalten, mit Säulen, Bögen, Stuckfassaden, roten Ziegeldächern und Bougainvillea entlang der Mauern. Nebengässchen tragen Namen wie Via Amore. Eine atlantische Pseudo-Toskana.
Und nun ist Palm Beach mit Donald Trumps Wiederwahl und seiner Privatklub-Residenz Mar-a-Lago, südlich des Städtchens gelegen, auch noch zum Mekka der Republikaner geworden.
Geldaristokratie contra Neureiche
Das Verhältnis zwischen Palm Beach und Trump ist allerdings kompliziert, und diese Spannung sagt viel aus über Amerikas alte und neue Elite. Frank Cerabino, der seit Jahrzehnten für die «Palm Beach Post» schreibt, drückt es im Gespräch so aus: «Wir Amerikaner beten das Geld an; es ist unsere Religion. Und niemanden interessiert es, wie du zum Geld gekommen bist. Deine Vergangenheit ist Privatsache, die Gegenwart zählt. Aber in Palm Beach war und ist es anders. Als beste Art, reich zu sein, gilt es hier, wenn du das Geld geerbt hast. Die Herkunft ist entscheidend.»
Er erwähnt, dass es in Palm Beach das sogenannte Social Index-Directory gebe, ein jährlich publiziertes Who’s who, das allerdings nur privat zirkuliere. «In diesem Verzeichnis ist der Stammbaum eines jeden festgehalten», sagt er. «Aus welcher Familie er kommt, seine Schul- und Universitätsabschlüsse, sein finanzieller Background. Die Besten haben ein A-Level. Wenn man also zum Beispiel eine Party veranstaltet, kann man hier checken, wer infrage kommt und wer nicht. Das löst Neid aus, und das ist auch so beabsichtigt.»
Im Gegensatz zum normalen Amerika, sagt Cerabino, herrsche in Palm Beach ein aristokratisches System, wo die Herkunft entscheidend sei. «Man baut Mauern gegen Neureiche und Neuankömmlinge. Die Gesellschaft ist segregiert, stratifiziert und exklusiv, im wörtlichen Sinne von ausschliessend. In den alles entscheidenden Klubs gibt es kaum Schwarze oder Juden.» Er erwähnt den elitären Everglades Club. Jemand wollte einmal Estée Lauder, die hier wohnte, zum Lunch mitnehmen. Das ging nicht, Millionen hin oder her – sie war Jüdin.
Trump mischt die alten Strukturen auf
«In diese geschlossene Welt platzte Mitte der achtziger Jahre Donald Trump, der völlig anders tickt», sagt Cerabino. Zwar hatte auch Trump, wie die Elite von Palm Beach, sein Vermögen geerbt, aber er benahm sich eher wie ein Neureicher, die Antithese zum Mindset der Eingesessenen und zu ihrem diskreten Charme der Bourgeoisie. «Style above substance», sagen sie über Leute wie ihn – Schein statt Sein.
«Als Trump Mar-a-Lago kaufte, war er in finanziellen Schwierigkeiten und hatte kaum Geld auf der Seite», sagt Cerabino. «Er ist der typische kapitalistische Amerikaner. In seinem Klub wird Reichtum hemmungslos verehrt, wie im Rest von Amerika, ohne Ansehen der Person. Jeder ist willkommen, sofern er genug Geld hat, ob Schwarzer, Latino, Araber, Jude, ob Rapper, verurteilter Verbrecher, Rechtsextremer, ob er mit Dessertgabeln umgehen kann oder nicht, ob er Harvard absolviert hat oder bloss die Highschool in der Bronx. Das hatte etwas Bahnbrechendes. Er versuchte, diese Bastion des alten Geldes zu schleifen.»
Trump ist in Palm Beach also ein Aussenseiter geblieben, auch als er Präsident wurde. Man verachtet seine Vulgarität, seinen Mangel an Bildung und Kultiviertheit. Er gilt als unseriös. Zudem hat er die Gemeinde dauernd verklagt. Die Höhe der Stange mit der riesigen amerikanischen Flagge, die er 2006 aufstellte, verstiess gegen die Bauordnung. Also erzählte er in einer TV-Show, die Verwaltung von Palm Beach sei unpatriotisch, und verklagte sie auf 25 Millionen. Am Ende wurde ein Kompromiss geschlossen. Aber die Flagge sieht man immer noch von weitem; er hat auf jeden Fall die höchste Stange weit und breit.
Laut Cerabino gilt in Palm Beach die snobistische Regel, dass die Geschäfte die Hälfte ihrer Einnahmen mit Ansässigen erwirtschaften sollen. Das ist zwar schwer überprüfbar, aber der Plan von Starbucks, in Palm Beach eine Filiale zu eröffnen, stiess auf jeden Fall auf Widerstand. «Man befürchtete, Leute vom Festland würden herüberkommen, um hier ihren Kaffee zu schlürfen», sagt er. «Was für eine schreckliche Vorstellung – die Invasion des Pöbels! Man will doch unter sich bleiben.» Also schloss man einen Kompromiss: Man entschied, es dürfe nur in Palm Beach Werbung geschaltet werden, damit keine Auswärtigen hierhergelockt würden. Auch gegen diese 50-Prozent-Auflage klagte Trump – um mehr Externe in seinen Klub aufnehmen zu können. Der Prozess ist noch hängig.
Riskanter Stopp vor Mar-a-Lago
Für Verkehrsteilnehmer ist Mar-a-Lago zu einem permanenten Ärgernis geworden. Denn das Anwesen reicht praktisch vom West- bis zum Ostufer und zerschneidet die schmale Insel in zwei Hälften. Es wimmelt von Polizeiautos rund um die Residenz, und wenn Trump gerade an- oder abreist, ist die einzige Durchfahrtsstrasse gesperrt. Nach seiner Wiederwahl hat er Mar-a-Lago zu einer Art vorzeitigem Regierungssitz gemacht, lädt hochrangige Gäste ein und nimmt von hier aus seine Nominierungen vor.
Trottoirs gibt es keine rund um Mar-a-Lago, Spaziergänge sind also nicht möglich und wohl auch nicht erwünscht. Der Taxifahrer getraut sich fast nicht, am Eingang von Trumps Anwesen vorbeizufahren. «Einmal musste ich hier in der Nähe jemanden aussteigen lassen», sagt er. «Da rannten sofort Sicherheitsleute auf mich zu, untersuchten aufgeregt die Unterseite meines Wagen mit Spiegeln an langen Stangen, während sie permanent eine Waffe auf mich richteten. Seither mache ich einen Bogen um Mar-a-Lago.» Es gebe hier einen Störsender, vermutet er. Denn das GPS funktioniert nicht. Seit den beiden Attentaten auf Trump wurden die Sicherheitsmassnahmen noch verschärft. Am Himmel kreisen oft Drohnen, zugleich weist ein Schild darauf hin, dass für Privatpersonen Drohnen hier verboten sind. Eine Einfahrt ist wie in einem Kriegsgebiet mit Betonblöcken versperrt.
Bei der Vorbeifahrt sieht man die zwei hydraulischen Wachtürme, die sich wie Drachenköpfe drehen, heben und senken. Nicht sichtbar von der Strasse, aber in aller Munde sind die unheimlichen «mechanical dogs» – Roboter auf allen vieren –, die den Rasen kreuz und quer nach Verdächtigem absuchen sollen. Unübersehbar und unüberhörbar sind die johlenden Fans auf einem Parkplatz in der Nähe. Sie haben riesige Trump-Fahnen auf ihre Autos montiert und hoffen, dass ihr Idol vielleicht vorbeifährt und sie einen Blick auf es erhaschen können.
118 Zimmer zum Schnäppchenpreis
Schon die Art, wie Trump Mar-a-Lago erwarb, sagt viel aus über ihn und seine Art, Deals zu machen.
Das Anwesen mit 118 Zimmern wurde 1927 für Marjorie Merriweather Post, Eigentümerin des Lebensmittelkonzerns General Foods und damals die reichste Frau Amerikas, als Sommersitz gebaut. Sie vererbte es 1973 dem Staat als Winter White House für amerikanische Präsidenten und Staatsgäste. Nixon und Carter zeigten jedoch wenig Interesse, zudem war der Unterhalt so teuer, dass es die Regierung an die Post-Stiftung zurückgab.
Trump kaufte das Anwesen 1985 für den Schnäppchenpreis von 10 Millionen Dollar. Sein Trick war, über Strohmänner die Grundstücke am Strand vor Mar-a-Lago zu kaufen und den Anbietern zu drohen, den Meerblick zu verbauen, um den Preis zu drücken. Er erhielt einen Bankkredit und musste letztlich lediglich 2,8 Millionen an eigenem Geld aufwenden.
1995 machte er einen Teil des Anwesens zum Privatklub. Seit 2017 beträgt die Aufnahmegebühr 200 000 Dollar. Für eine Million Dollar kann man Mitglied des nahe gelegenen Golfklubs werden. Unter dem South Ocean Boulevard führt angeblich ein Geheimtunnel zu Mar-a-Lago, den der ehemalige New Yorker Bürgermeister Rudy Giuliani benutzte, um diskret zu Trump zu gelangen. Ein Kellerraum der Residenz wurde zu einer «sensitive compartmented information gacility» umfunktioniert, also einem Hochsicherheitsbereich für geheime Operationen. Von hier aus verfolgte Trump am 7. April 2017 den von ihm befohlenen Raketenangriff auf den Militärflugplatz Shairat in Syrien.
Im Oktober 2019 verlegte Trump seinen zivilen Wohnsitz von New York nach Mar-a-Lago, wodurch er die 1993 getroffene Vereinbarung mit Palm Beach brach, die einen permanenten Wohnsitz ausschloss. Er aber erklärte, er sei Angestellter des Klubs und müsse deshalb hier wohnen.
Inzwischen will jeder, trotz Verachtung, nach Mar-a-Lago
Laut Cerabino mokieren sich die noblen Bewohner von Palm Beach noch immer gerne über den «Barbaren» Trump: «So kommt es beispielsweise wegen der Verkehrshindernisse rund um Mar-a-Lago immer wieder vor, dass Lieferanten einen Umweg machen müssen und der Kaviar verspätet eintrifft!» Aber zugleich sei Mar-a-Lago zum Brennpunkt des Ortes geworden, und jeder wolle dabei sein.
Da gebe es auch viel Heuchelei. «Man rümpft die Nase, aber zugleich will man an seine Partys», sagt er. «Man könnte ja Elon Musk dort treffen. Oder den Atomkoffer sehen, der ab dem 20. Januar immer dort sein wird, wo sich Trump aufhält. Oder vielleicht sogar Trump selbst, wie er im Freien isst, während Fox News läuft, ‹YMCA› aus den Lautsprechern dröhnt, Bodyguards und devote Angestellte um ihn herumschwänzeln und jeder ein Selfie mit ihm schiessen will.»
Da ticken dann plötzlich auch die Vornehmen nicht anders als Paparazzi.