Die Schweiz sieht sich durch die internationalen Rückmeldungen ermutigt, ihre Vermittlerrolle im Juni unter Beweis zu stellen – vorerst ohne Russland. Nichts davon hält die SVP.
Nun ist es offiziell: Die Schweiz wird am 15. und 16. Juni auf dem Bürgenstock voraussichtlich einen Friedensgipfel zur Ukraine durchführen. Dies gaben Bundespräsidentin Viola Amherd und Bundesrat Ignazio Cassis am Mittwoch bekannt. Die beiden kamen verspätet zur Medienkonferenz. Sie habe gerade noch mit Wolodimir Selenski telefoniert, entschuldigte sich Amherd. Der ukrainische Präsident sei «sehr froh, dass wir so weit sind». Dieser bedankte sich später auf dem Kurznachrichtendienst X für die Unterstützung der Schweiz.
I spoke with @Violapamherd and thanked Switzerland for its consistent support, including today’s decision to allocate 5 billion Swiss francs for the restoration of Ukraine.
We discussed preparations for the first Global Peace Summit in Switzerland, which is scheduled for June of… pic.twitter.com/I7bqGSy2RX
— Volodymyr Zelenskyy / Володимир Зеленський (@ZelenskyyUa) April 10, 2024
Amherd und Cassis haben in den letzten Monaten zahlreiche Gespräche mit internationalen Regierungsmitgliedern geführt. Das Feedback ist ermutigend gewesen, wie der Bundesrat zur Kenntnis genommen hat. «Unsere ausländischen Kolleginnen und Kollegen begrüssen die Initiative der Schweiz», gab Amherd zu Protokoll. Der Ruf der Schweiz als Vermittlerin sei immer noch sehr gut, ergänzte Cassis. In den nächsten Tagen sollen die Einladungen zur Konferenz an über 100 Nationen verschickt werden. Selenski schrieb, möglichst viele Länder sollten teilnehmen, um eine gemeinsame Vision für einen gerechten und bleibenden Frieden zu entwickeln.
Amherd und Cassis gaben sich optimistisch, liessen aber auch die Möglichkeit eines Scheiterns offen. Man sei sich bewusst, dass es bis im Juni noch einige Unbekannte gebe, sagte Amherd. Ob die Konferenz ein Erfolg oder Misserfolg wird, hängt stark von den Teilnehmern ab. Die Chancen stehen zwar gut, dass der amerikanische Präsident Joe Biden auf den Bürgenstock reist, wie die NZZ berichtete – auch wenn seine Teilnahme zum jetzigen Zeitpunkt nicht bestätigt ist. Unmittelbar vor der geplanten Konferenz findet in Apulien das Gipfeltreffen der G-7 statt.
Doch fraglich ist, was China, Russlands wichtigster Partner, macht. Die Zeichen, die Peking bisher ausgesendet habe, seien «positiver, als wir es erwarten konnten», sagte Cassis – und verwies auf eine Mitteilung des chinesischen Aussenministeriums.
Offenkundig war damit eine Meldung von Anfang März gemeint. Botschafter Gabriel Lüchinger, der im Aussendepartement (EDA) die Task-Force für die Konferenz leitet, traf damals in Brüssel einen chinesischen Sondergesandten. China teilte danach mit, es schätze die Schweizer Bemühungen für eine Friedenskonferenz. Ähnlich äusserte sich am Dienstag vor den Medien in Peking eine Sprecherin des chinesischen Aussenministeriums. China unterstütze, dass bald eine Friedenskonferenz abgehalten werde, die beide Konfliktparteien anerkannten, sagte sie. Dies bleibt gegenwärtig jedoch eine Illusion. Russland ist zwar eingeladen, hat aber abgesagt.
Chinas Friedensplan soll einbezogen werden
Ziel der Konferenz ist es denn auch nicht, bereits ein Friedensabkommen zu unterschreiben. Dafür ist es zu früh. Amherd betonte, es gehe darum, einen ersten Schritt für einen Frieden zu machen. Dafür soll ein konkreter Fahrplan für die Beteiligung Russlands am Friedensprozess ausgearbeitet werden. Das wird ein schwieriges Unterfangen «im volatilen geopolitischen Umfeld», wie Cassis es nannte.
Der Bundesrat möchte die diversen Friedenspläne in den Dialog einbeziehen, die bereits auf dem Tisch liegen, etwa Selenskis Zehn-Punkte-Plan oder den Friedensplan von China. Bei den möglichen Varianten scheint es trotz aller Dialogbereitschaft Grenzen zu geben. Auf die Frage, ob man auch darüber diskutieren werde, Russland die eroberten Gebiete zu überlassen, sagte Cassis, das könne er jetzt nicht sagen. Man versuche, an der Konferenz gemeinsame Punkte zu finden. Aber, wurde der Bundesrat dann doch noch deutlich, dieser Vorschlag im Sinne Russlands finde sicher keine grosse Unterstützung.
Auch die Organisation des Gipfels wird ein Kraftakt. Die Task-Force des EDA für die Konferenz arbeitet eng mit den zuständigen Behörden und der Armee sowie mit den Kantonen Nidwalden, Luzern und Zürich zusammen.
Die ersten Reaktionen in der Schweiz fallen positiv aus. FDP-Ständerat Damian Müller begrüsste diesen «grossen Erfolg der Schweiz als Vermittlerin». Täglich sterben Menschen, «es ist wichtig, jetzt Frieden zu stiften». Der Bürgenstock «mit seinem Weitblick» sei dafür der richtige Ort, sagte der Luzerner. Für SP-Ständerätin Franziska Roth ist China die «Pièce de Résistance», weil sich das Land bisher nicht klar positioniert habe. «Wenn China teilnimmt, kann es zeigen, dass es ihm ernst ist mit dem Gewaltverbot und damit dem Weltfrieden», sagte sie.
Scharfe Kritik kommt von der SVP. «Echte Friedensverhandlungen wären ein grosser Erfolg», sagte der Aussenpolitiker Franz Grüter auf Anfrage. Diese würden aber hinter verschlossenen Türen und mit beiden Konfliktparteien erfolgen, also auch mit Russland. Es handle sich um einen PR-Event, der die Steuerzahler viel Geld koste.
Hilfswerke beunruhigt
Cassis bezifferte die zu erwartenden Ausgaben auf fünf bis zehn Millionen Franken. Das ist im Vergleich mit der mittelfristigen Unterstützung für die Ukraine ein Klacks. So will sich der Bundesrat bis ins Jahr 2036 mit fünf Milliarden Franken am Wiederaufbau der Ukraine beteiligen, wie er am Mittwoch auch noch bekanntgab. Die Weltbank schätzt die Kosten auf rund 440 Milliarden Franken. Mit den bisherigen und geplanten Massnahmen will der Bund zur Stabilität in Europa beitragen und die Migrationsströme vermindern.
Die Finanzlage des Bundes ist jedoch angespannt. Die Regierung plant eine etappenweise Finanzierung. Sie will die Ukraine bis ins Jahr 2028 mit 1,5 Milliarden Franken unterstützen – aus dem Budget der internationalen Zusammenarbeit. Cassis relativierte die Folgen. Die humanitäre Hilfe in Ländern wie Syrien oder Jemen sei nicht betroffen. Es könne immer wieder vorkommen, dass Mittel umgeschichtet würden, etwa bei einem Staatsstreich.
Die Hilfsgelder bis 2028 hatte der Bundesrat bereits im letzten Jahr angekündigt. Für die restlichen 3,5 Milliarden Franken bis ins Jahr 2036 will er weitere Finanzierungswege prüfen. Das letzte Wort hat das Parlament. Linke und NGO möchten die Unterstützung der Ukraine nicht auf Kosten der Entwicklungszusammenarbeit finanzieren. Die Hilfswerke, von denen viele stark von Staatsgeldern abhängig sind, fürchten, dass für ihre Projekte Geld fehlt. Auf bürgerlicher Seite gibt es dagegen wegen der angespannten Finanzlage Pläne, die Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit zu kürzen.