Mit ihrer Anti-Chaoten-Initiative will die SVP Vandalen an Demos in die Pflicht nehmen. Bei Geschäftsbesitzern ist sie umstritten.
Eine Stunde lang ziehen Hunderte Linksextreme mit Böllern und Petarden am Abend des 16. Januar durch das Langstrassenquartier in der Stadt Zürich. Sie hinterlassen eine Spur der Verwüstung.
An der unbewilligten Anti-WEF-Demo schlagen einzelne Teilnehmer Schaufensterscheiben ein, beschädigen Fahrzeuge, verschmieren Wände und einen Bus der Linie 31 mit Graffiti. Die Polizei ist mit einem Grossaufgebot vor Ort.
Nun ist klar, wie hoch der entstandene Sachschaden ist: Er beträgt rund 112 500 Franken. Noch höher waren die Einsatzkosten der Polizei, die sich auf knapp 128 000 Franken summieren. Dies geht aus einer Stellungnahme der Polizeivorsteherin Karin Rykart (Grüne) hervor, welche der NZZ vorliegt.
Am grössten war der Schaden mit 50 000 Franken an einem Geschäftshaus- und Wohnhaus an der Ankerstrasse. Dort eingemietet ist eine kleine Agentur mit jungen Leuten.
Deren Chef versteht nicht, warum die Vandalen ausgerechnet bei seinem Geschäft zugeschlagen haben. «Wir gehören nun wirklich nicht zu den bösen Kapitalisten und haben wahrscheinlich auch eine ähnliche politische Haltung wie die meisten Demonstranten.»
Sein Geschäft hat es schon zum zweiten Mal getroffen. Im Frühjahr 2022 kam es nach der Räumung des Koch-Areals zu einer unbewilligten Demo, an der die Schaufenster zahlreicher Geschäfte eingeschlagen wurden – darunter diejenigen der Agentur. Für die Schäden sei grösstenteils die Versicherung aufgekommen, sagt der Geschäftsführer, aber in beiden Fällen blieb das Geschäft auf 2000 Franken Selbstbehalt sitzen.
Ausschreitungen an Demonstrationen gibt es in der Stadt Zürich immer wieder. Die Sachschäden betragen schnell über 100 000 Franken, und ein grosses Polizeiaufgebot kommt die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler teuer zu stehen. Die mehrtägige Klima-Demo der Organisation Extinction Rebellion im Oktober 2021 kostete die Allgemeinheit fast 700 000 Franken. Die Stadt auferlegt den Veranstaltern keine Kosten: Der Stadtrat ist der Meinung, es gehöre zum Grundauftrag der Polizei, Demonstrationen zu begleiten.
Geht es nach der SVP, soll sich dies ändern. Mit ihrer Anti-Chaoten-Initiative fordert die Partei eine stärkere Regulierung von Demos und Kundgebungen im Kanton Zürich. Künftig sollen Teilnehmer und Veranstalter sowohl für die Polizeikosten als auch für Sachschäden aufkommen, die sie verursachen. Zudem müssen Demos bewilligt werden. In der Stadt Zürich, wo mit Abstand die meisten Kundgebungen stattfinden, muss zurzeit nur noch für Demos ab hundert Personen eine Bewilligung eingeholt werden.
Initiative und Gegenvorschlag sind umstritten: Bürgerliche sind dafür, Linke dagegen. Auch betroffene Geschäftsbesitzer sind geteilter Meinung.
Der Agenturchef von der Ankerstrasse rechnet zwar damit, dass sein Geschäft auch in Zukunft wieder von Vandalen beschädigt wird. Trotzdem wird er am 3. März Nein sagen zur Anti-Chaoten-Initiative und wohl auch zum Gegenvorschlag.
Beide Vorlagen schränkten das Demonstrationsrecht zu sehr ein. Die allermeisten Demo-Teilnehmer seien friedlich, man dürfe sie deshalb nicht in Kollektivhaft nehmen, findet der Mann. Auch eine Bewilligungspflicht hält er für wenig sinnvoll. «Viele der Demos, die ausarten, finden sowieso unbewilligt statt.»
Zweimal ein Ja in die Urne legen wird hingegen der FDP-Kantonsrat Yiea-Wey Te. Seine Familie hat 1996 das Restaurant Ah-Hua gegründet, das am Helvetiaplatz und somit mitten im Demo-Hotspot liegt. Auch im Restaurant, das Tes Bruder führt, wurden am 16. Januar Scheiben eingeschlagen. Hier beziffert die Stadt den Schaden mit 30 000 Franken.
«Wir hatten Glück im Unglück, weil das gesamte Haus zum Zeitpunkt der Demo saniert wurde und das Restaurant geschlossen war», sagt er. Doch die Zerstörungswut der Vandalen macht ihn betroffen. «In unserem Restaurant sind seit je alle willkommen, und es ist völlig unpolitisch.»
Dass es trotzdem in Mitleidenschaft gezogen wurde, weist für Te darauf hin, dass Auswärtige an der Demo wahllos alles kaputtgemacht hätten, was ihnen in die Quere gekommen sei.
Für ihn ist klar: «Wer Schäden verursacht hat, muss dafür aufkommen.» Am 3. März wird er sowohl für die SVP-Initiative als auch für den Gegenvorschlag stimmen. Bei der Stichfrage wird er sich für den Gegenvorschlag entscheiden, weil dieser viel zielgerichteter sei. «Es braucht klare Spielregeln.»
Gleichzeitig findet er das Demonstrationsrecht wichtig, auch wegen seines familiären Hintergrunds. Tes Eltern sind beide in den siebziger Jahren vor den Roten Khmer aus Kambodscha in die Schweiz geflüchtet. Deshalb stelle er sich gegen repressive Tendenzen, sagt Te.
Die Anti-WEF-Demo vom Januar im Keim zu ersticken, kam für die Polizei nicht infrage. Sie sei zunächst friedlich verlaufen, weshalb eine Auflösung die verfassungsmässig garantierte Meinungs- und Versammlungsfreiheit verletzt hätte, schreibt Stadträtin Rykart in ihrer Stellungnahme. Auch das Risiko einer Eskalation müsse berücksichtigt werden. Die Stadtpolizei habe verhindert, dass die Demo-Teilnehmer in den Kreis 5 und in die Innenstadt gelangen konnten.
Für die Geschäftsbesitzer ist das ein schwacher Trost.